Ein Jurist, eine Ärztin, ein IT-Spezialist, aber auch eine selbst ernannte Astrologin und ein Angeklagter mit "vermeintlich seherischen Fähigkeiten": Acht von bundesweit 26 mutmaßlichen Mitgliedern der "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß müssen sich seit heute vor dem Münchner Oberlandesgericht verantworten. Zuvor saßen sie anderthalb Jahre in Untersuchungshaft.
- Zum Artikel: "Reichsbürger - 'Das Skurrile und das Gefährliche Hand in Hand'"
Laut Ermittlern planten sie nicht weniger als den gewaltsamen Umsturz des deutschen Regierungssystems. 400.000 Seiten stark ist die Ermittlungsakte. Die Verlesung der Anklageschrift dauert knapp drei Stunden. Drei Stunden gefüllt mit skurrilen, erschreckenden, aber auch ziemlich konkreten Vorwürfen über Gewaltbereitschaft.
Bis ins Detail zeigt die Bundesanwaltschaft auf, was sie den Angeklagten zur Last legt und zeichnet dabei Aktivitäten über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren nach: Videotelefonate, Treffen an Tankstellen, Waffenkäufe, Telegramm-Chats, Käufe von Satellitentelefonen, die Rekrutierung von Soldaten, Lagerung von Ausrüstungsgegenständen, Ausarbeitung militärischer Strukturen.
"Aufräumarbeiten" politischer Repräsentanten
Von einer geplanten "Säuberung", "Beseitigung" und "Aufräumarbeiten" politischer Repräsentanten ist in der Anklageschrift außerdem die Rede. Damit ist gemeint, dass die Verschwörer auch die Exekution von Bundespolitikern, Landräten, Kommunalpolitikern, Staatsanwälten und Polizisten geplant haben.
Besucher beschimpft Bundesanwaltschaft
Während die Angeklagten zuhören, was ihnen die Bundesanwaltschaft vorwirft, verziehen sie keine Miene, lediglich zu Beginn des Prozesses verdecken manche ihre Gesichter, halten sich einen Ordner vor, ein anderer zieht sich eine Zeitung über den Kopf. Lautstarke Empörung kommt stattdessen von der Zuschauertribüne.
Ein Mann stört den Prozess, schreit mit stark sächselndem Dialekt wüste Beschimpfungen in den Gerichtssaal. Sie richten sich gegen die Bundesanwaltschaft. Danach wird der Mann von Polizisten abgeführt – eine Anzeige hat er laut Gerichtssprecher aber wohl nicht zu erwarten.
Angeklagte sollen "herausragende Rolle" eingenommen haben
Den acht Angeklagten wird die Gründung beziehungsweise Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung eines sogenannten hochverräterischen Unternehmens vorgeworfen. Sie sollen laut Bundesanwaltschaft eine "herausragende Rolle" eingenommen haben, entweder Gründungsmitglieder oder sogenannte "Ratsmitglieder" gewesen sein - also Angehörige des obersten Entscheidungsgremiums der Reichsbürger um Prinz Reuß.
Auf der Anklagebank sitzt zum Beispiel Thomas T. aus der Nähe von Ansbach in Mittelfranken. Laut Ermittler fand bei dem gelernten Schweißer vor drei Jahren die Verschwörungssitzung statt, auf der der gewaltsame Umsturz der deutschen Staatsordnung geplant worden sein soll. Christian W. soll innerhalb des "militärischen Arms" für die Waffenbeschaffung zuständig gewesen sein und Mitglieder für den geplanten Angriff auf den Bundestag ausgerüstet haben. Ebenfalls im Gerichtssaal sitzt Ruth L. Sie soll als "Transkommunikations-Ministerin" für die spirituelle Überprüfung neuer Ratsmitglieder zuständig gewesen sein.
Pfefferminz-Bonbon sorgt für Irritation
Für Irritation sorgte kurz vor der Mittagspause die Intervention eines Verteidigers: Er wollte von der Richterin wissen, wie sein Mandant an ein Pfefferminz-Bonbon kommen könne. Ein Polizist habe ihm zuvor verboten, seinem Mandanten eines zu geben – er bräuchte dies aber dringend wegen schlechten Atems. Vorschlag der Richterin: Eine verschlossene Packung wird während er Mittagspause besorgt.
Insgesamt sind in München 55 Prozesstage angesetzt. Ein Urteil wird frühestens im Januar 2025 erwartet.
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