Eine Frau steht an einem Bahnhofsgleis.
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Bund und Länder streiten wegen des 9-Euro-Tickets. Wie könnte die Lösung aussehen?

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9-Euro-Ticket: Gibt es einen Ausweg aus dem Bund-Länder-Streit?

Für neun Euro einen Monat lang Bus und Bahn fahren. Das soll Bürger entlasten und klingt verlockend. Aber Bund und Länder haben sich verhakt. Worum es geht und wie eine Lösung aussehen könnte – eine Analyse.

  • Zum aktuellen Artikel: Auch Bundesrat stimmt zu: 9-Euro-Tickets können kommen

Erschöpft, aber hochzufrieden: So haben die Spitzen der Ampel-Koalition im März die Ergebnisse einer langen Verhandlungsnacht vorgestellt. Es ging um milliardenschwere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Ein wichtiger Bestandteil des Pakets: das geplante 9-Euro-Ticket für Bus und Bahn. Damit solle der Nahverkehr drei Monate lang so günstig wie nie zuvor werden, versprach Grünen-Chefin Ricarda Lang damals. Es gehe darum, "massiv in den ÖPNV" zu investieren.

Bayern warnt vor Scheitern des 9-Euro-Tickets

Mittlerweile ist die gute Laune in der Ampel-Koalition einer gewissen Verwunderung darüber gewichen, dass sich mehrere Bundesländer querstellen. Kritik am Gesetzentwurf der Ampel-Fraktionen kommt beispielsweise aus Bayern und Baden-Württemberg. Aus Sicht des bayerischen Verkehrsministers Christian Bernreiter (CSU) reicht das Geld nicht, das der Bund in Aussicht gestellt hat. Mit 2,5 Milliarden Euro, so steht es im Gesetzentwurf, sollen die vorausgesagten Einnahmeausfälle durch das verbilligte ÖPNV-Ticket ausgeglichen werden. Doch Bernreiter fordert 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für den Regionalverkehr. Und auch sein baden-württembergischer Amtskollege Winfried Hermann (Grüne) warnt davor, dass das 9-Euro-Ticket am Freitag bei der Abstimmung im Bundesrat scheitern könnte.

  • Zum Artikel: "Warum das 9-Euro-Ticket noch scheitern könnte"

Bundesregierung reagiert gelassen auf Blockade-Drohung

Ein Szenario, das die Bundesregierung für abwegig hält. "Ich kann mir das nicht vorstellen", sagt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Seiner Ansicht nach wären viele Bürgerinnen und Bürger "wahnsinnig enttäuscht", wenn das 9-Euro-Ticket nun doch nicht kommen würde. "Viele freuen sich schon darauf, haben konkrete Pläne, den ÖPNV stärker zu nutzen." Deshalb glaubt Wissing nicht, "dass man diese Leute jetzt vor den Kopf stößt".

Fast jeder Zweite will 9-Euro-Ticket nutzen

Tatsächlich ist das Interesse am geplanten 9-Euro-Ticket groß. Laut ARD-Deutschlandtrend wollen 44 Prozent der Befragten das Ticket auf jeden Fall oder sehr wahrscheinlich nutzen. Besonders groß ist das Interesse unter Jüngeren und unter Menschen, die in Großstädten leben. Falls es also am Freitag in der Länderkammer wirklich zu einer Blockade gegen das Gesetz käme, wäre Ärger vorprogrammiert – angesichts der Unterstützung für das Vorhaben in der Bevölkerung.

  • Zum Artikel: "9-Euro-Ticket: Die wichtigsten Fragen und Antworten"

Für Blockade wäre absolute Mehrheit im Bundesrat nötig

Auch ein Blick auf die Stimmenverhältnisse im Bundesrat zeigt, dass die Hürden für eine Blockade hoch sind. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, müssten mindestens 35 Stimmen zusammenkommen. Das ist die Schwelle, bei der in der Länderkammer eine absolute Mehrheit erreicht wird. Umgekehrt müssten Länder, die eine Blockade durchsetzen wollen, ebenfalls auf mindestens 35 Stimmen kommen. Dafür gibt es bisher keine Anhaltspunkte.

Theoretisch wäre es möglich, dass die Länder den Vermittlungsausschuss einschalten – wie es bei Konflikten zwischen Bund und Ländern immer wieder passiert. Nur würde das in der Praxis bedeuten, dass der Stichtag 1. Juni wohl nicht zu halten wäre. Denn der Vermittlungsausschuss könnte frühestens fünf Tage nach einem entsprechenden Beschluss des Bundesrats zusammenkommen, und ein Verhandlungsergebnis müsste dann nochmal seinen Weg durch Bundestag und Länderkammer gehen. Damit würde das Ticket auch in einem solchen Szenario wohl nicht wie geplant mit dem ersten Sommermonat an den Start gehen. Und genau das müsste den zahlreichen Ticket-Befürwortern dann vermittelt werden.

Bund will mit Ländern über ÖPNV-Finanzierung sprechen

Um den Ländern ein Ja zum 9-Euro-Ticket schmackhaft zu machen, bietet ihnen die Bundesregierung Gespräche darüber an, wie der öffentliche Nahverkehr allgemein in den kommenden Jahren finanziert werden kann. "Darüber reden wir, aber nicht an dieser Stelle", sagt der Bundesverkehrsminister. Sondern beispielsweise bei den Beratungen über den Haushalt fürs kommende Jahr und im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz von Bund und Ländern.

Beratungen über Haushalt 2023 als Einigungschance?

Konkret wird in Berlin darüber diskutiert, die von Länderseite geforderten 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für den Regionalverkehr im Haushaltsplan für 2023 aufzunehmen. Das könnte eine Verhandlungsgrundlage für die anstehenden Bund-Länder-Gespräche sein. Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien ohnehin darauf verständigt, die sogenannten Regionalisierungsmittel zu erhöhen.

Die Deutsche Bahn bereitet sich schon jetzt auf einen Start des 9-Euro-Tickets vor. Ab dem 23. Mai soll es erhältlich sein: am Fahrkartenautomaten, in Reisezentren am Bahnhof oder in der Bahn-App. Auch Verkehrsverbünde haben bereits angekündigt, noch in diesem Monat mit dem Verkauf zu beginnen. Vorausgesetzt, der Bundesrat stimmt am Freitag zu.

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