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Wie viele Stellplätze braucht es für Neubauten? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Staatsregierung, die im Rahmen einer neuen Bauordnung die Stellplatz-Pflicht anpassen will. Sie stellt sich auch in vielen Orten Bayerns. Etwa in Puschendorf, einer Gemeinde mit gut 2.000 Bewohnerinnen im mittelfränkischen Landkreis Fürth. Ein Anrufer in der Bayern2-Sendung "Tagesgespräch" erzählt, dass dort ein Neubau mit 24 kleineren Wohneinheiten für ältere Bewohner entstehen soll.
Die Gemeinde mache zur Auflage, dass 48 Stellplätze sowie eine Tiefgarage gebaut werden müssen. "Das heißt, ein Appartement wird etwa 60.000 Euro teurer", sagt der Anrufer aus Puschendorf. Und das, obwohl es im unmittelbaren Umfeld mindestens 150 Parkplätze gibt. "Wenn ich überlege, da zieht 'ne Oma in ein 30-Quadratmeter-Appartement ein, die hat sicher keine zwei Autos."
Zubetonierte Neubauten und "ein Ministerpräsident, der Bäume umarmt"
Viele Userinnen und Anrufer bewegt das Thema Stellplätze. Ein Anrufer aus Georgensgmünd kritisiert, dass Neubauten mit Stellplätzen für viel Flächenversiegelung sorgen. Er beschreibt einen Neubau in seinem Ort: "Alles zubetoniert. Ein furchtbarer Klotz. Wir haben einen Ministerpräsidenten, der Bäume umarmt und dann so was."
Weniger Stellplätze führen zu günstigeren Mieten
Der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) befürwortet eine Lockerung der Bauordnung. "Zu viele Vorschriften führen dazu, dass die Kosten steigen. Und die Kosten müssen über die Miete finanziert werden.
Das bedeutet, dass die Mieten entsprechend hoch sind", sagt Hans Maier, Direktor des VdW Bayern, dessen Mitgliedsunternehmen fast ausschließlich im Bereich des bezahlbaren Wohnens bauen. Durch den Wegfall oder eine Lockerung der Vorschriften erhofft sich Maier Einsparungen von bis zu 20 Prozent der Baukosten. "Das ist fürs bezahlbare Wohnen sehr viel."
Zu viele Stellplätze für Leute, die sich kein Auto leisten können
Maier weist darauf hin, dass man zwischen urbanem und ländlichem Raum unterscheiden müsse. Er nennt München als Beispiel, wo die Bauunternehmer von der Stellplatzordnung abweichen können und viele Menschen sowieso kein Auto brauchen oder möchten. Auf dem Land sehe das anders aus, da seien viele aufs Auto angewiesen. In einigen Kommunen allerdings gebe es Situationen, wo die Unternehmen im geförderten Wohnungsbau für jede Wohneinheit zwei Stellplätze bauen müssen.
Teilweise kämen noch zusätzliche Besucherstellplätze hinzu. Die Wohnungsunternehmer erleben, dass dann oft mindestens die Hälfte der Stellplätze leer stehen. “Wir haben immer wieder die Situation, dass wir zu viele Stellplätze für Menschen bauen, die sich gar nicht zwei Autos leisten können", sagt Maier.
Viele Autobesitzer nutzen den öffentlichen Raum
Doch eine Lockerung der Stellplatzpflicht stößt auch auf viel Kritik. Eine Anruferin aus Peiting beschreibt die Situation in ihrem Ort als "Katastrophe". Dort stünden Autos auf der Straße, obwohl es Tiefgaragenplätze gibt.
"Wenn man die Mieter fragt, warum sie ihre Autos auf die Straße stellen, sagen sie: Der Stellplatz kostet Geld, die Straße kostet nichts." Dagegen müsse man etwas tun, findet die Anruferin, ebenso wie gegen die steigende Zahl der Wohnmobile, die kostenlos am Straßenrand abgestellt werden.
SUV-Fahrer wollen Stellplatz nicht bezahlen
Ähnliches beobachtet eine Anruferin aus München. "Das sind sehr viele SUVs, die da stehen. Das heißt, die Leute könnten durchaus auch einen höheren Preis zahlen. Denn wenn man heute irgendwo einen Stellplatz mietet oder eine Garage mietet, dann ist unter 60 bis 80 Euro pro Monat nichts zu bekommen.
Und die Straße ist öffentlicher Grund, den man dann auch anders nutzen könnte." Ein Anrufer schlägt vor, dass nicht die Bauträger zuständig sein sollten für die Kosten der Stellplätze, sondern die Autobesitzer selbst. "Dann würden sich viele überlegen, wie viele Autos sie sich kaufen."
Gemeindetag fordert Debatte über Mobilitätswende
Die Befürchtungen, dass der öffentliche Stadtraum bei einer gelockerten Stellplatzpflicht noch mehr zum Parkplatz werden könnte, teilt Matthias Simon, Pressesprecher des Bayerischen Gemeindetags - aber ein anderer Punkt ist ihm auch wichtig: "Wir bräuchten vorgezogen eine gute Diskussion über eine Mobilitätswende, eine Verkehrswende, die Frage: Wie reduziere ich den Stellplatzschlüssel?" Bei der vergangenen Novelle der Bayerischen Bauordnung habe das aus seiner Sicht gut funktioniert. "Man hat hineingeschrieben, dass im Einzelfall die Stellplatzzahlen reduziert werden können, wenn gute Konzepte vorgelegt werden. Das war ein guter Weg. Momentan wird die Debatte kurz- und kleingeklopft."
Entbürokratisierung braucht viel Fingerspitzengefühl
Matthias Simon sieht Chancen für Entbürokratisierung bei der Frage des einfachen Bauens statt bei der Stellplatzordnung. Dazu passt ein User-Kommentar: "Eigentlich bin ich auch gegen viele Vorschriften. Aber sie wurden erstellt, weil in der Vergangenheit erhebliche Fehlentwicklungen entstanden sind. Entbürokratisierung braucht viel Fingerspitzengefühl."
Dieser Artikel ist erstmals am 30. Juli 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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