Viele sind am Wochenende zum Grafenrheinfelder Atomkraftwerk gepilgert, um als fränkische "Drümmerdouristen" die Überreste der am Freitagabend gesprengten beiden Kühltürme zu bestaunen. Wobei einen Tag später gar nicht so viel zu sehen ist: kein Staub in der Luft, keine meterhohen Schuttberge. Nur vereinzelt ragen noch Teile der jeweils 36 großen grauen Stahlbetonstützenpaare in den Himmel. "Ich hab' mir den Schuttberg tatsächlich größer vorgestellt. Vielleicht hat über Nacht schon jemand aufgeräumt, die Schweinfurter sind fleißig", witzelt André aus Schweinfurt.
Wegmarke und Fixpunkt im Maintal bei Schweinfurt
1975 starteten die Bauarbeiten am Atommeiler im Landkreis Schweinfurt, 1981 kamen die ersten Wasserdampfschwaden aus den Kühltürmen. "Das ist schon sehr ungewohnt und traurig, man hat sich über die 40 Jahre gewöhnt an die Türme", sagt Margit Ott aus Röthlein. "Es war einfach ein Wahrzeichen, wenn man aus dem Urlaub kam und hat die Türme gesehen, wusste man, ich bin wieder zu Hause." Ein Fixpunkt, ein Ort der Heimat, da schwingt bei denen, die zu Fuß oder mit dem Rad gekommen sind, eine Menge Wehmut mit. "Als Kind waren die Türme für uns die Wolkenmacher", sagt Manuel aus Schweinfurt. Das sei schon beeindruckend, dass die riesigen Bauwerke jetzt nicht mehr da sind.
Viel Wehmut bei Besuchern
Auch Dieter Wirsing aus Rödelmeier bei Bad Neustadt steht vor dem Zaun und macht Fotos. Als Schreiner hat er an der Holz-Verschalung für die große Kuppel des Reaktorgebäudes mitgearbeitet. "Damals musste alles über einen großen Kran reingehoben werden, auch der Kasten Bier und die Brotzeit", sagt er. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn die Türme nicht gesprengt worden wären. Man hätte sie doch anders nutzen können, zum Beispiel als Kletterturm, sagt er. Erwin Rudloff aus Ettleben ist der gleichen Meinung. Wehmütig sei er deswegen schon ein bisschen, sagt er beim Blick auf die Turmreste.
Verändertes Bild überrascht
Die Silhouette des Kraftwerks hat sich deutlich verändert. Statt der 143 Meter hohen Kühltürme dominieren jetzt der halbkugelförmige Druckwasserreaktor und eine rötlich-braune Halle, die vorher von den Kühltürmen verdeckt wurde. 33 Jahre war das Kernkraftwerk aktiv. 2015 wurde es abgeschaltet. Jonas hat die Sprengung der Türme am Freitag von einem nahen Feldweg beobachtet. Der 19-jährige Grafenrheinfelder ist mit den gigantischen Türmen aufgewachsen. "Schon komisch, einfach nur komisch, selbst jetzt, wenn sie weg sind", sagt er.
Planmäßige Sprengung - durch Aktivist verzögert
Planmäßig waren die 143 Meter hohen Kühltürme am Freitag bei der Sprengung eingeknickt und in sich zusammen gefallen – 55.000 Tonnen Beton und Stahl. Dabei kamen 1.340 elektronische Zünder und 260 Kilogramm Sprengstoff zum Einsatz, berichtet am Samstag der Betreiber Preussen Elektra. Vor der Sprengung hätten zwei Jahre Planung gestanden. Für eine eineinhalbstündige Verspätung hatte ein 36-jähriger Aktivist gesorgt, der sich auf einem Strommast angekettet hatte. Gegen ihn wird nun ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Nötigung, des Hausfriedensbruchs und wegen eines Verstoßes gegen eine Allgemeinverfügung. Er wurde noch am Freitagabend aus dem Polizeigewahrsam entlassen.
Was passiert mit dem Schutt?
Dass der Schutt kein allzu großes Volumen hat, liegt an der geringen Wandstärke der Türme. Sie betrug am Boden 75 Zentimeter und verjüngte sich nach oben auf 16 Zentimeter. Der Betonbruch werde jetzt aufbereitet, rund zwei Drittel für die Verfüllung der "Kühlturmtassen" verwendet. Die Fläche soll später als Lagerfläche für Materialien aus dem Rückbau genutzt werden. Der restliche Schutt, darunter Betonbruch, Kunststoffe und Metall werde dem Wertstoffkreislauf zugeführt, so Preussen Elektra. "Ich wollte einfach nochmal Abschied nehmen, Tschüss sagen, und jetzt sind sie halt weg", sagt Manuel noch, steigt auf sein Fahrrad und fährt davon.
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