Das Bezirkskrankenhaus in Straubing
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Vier Patienten aus forensischer Klinik weiter auf der Flucht

Vier Patienten aus forensischer Klinik weiter auf der Flucht

Nach der Flucht von vier Psychiatriepatienten aus der forensischen Klinik in Straubing dauert die Suche nach ihnen an. Um sich den Weg freizupressen, hatten sie offenbar eine Pflegekraft der Klinik bedroht. Die Polizei erhielt zahlreiche Hinweise.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Im Fall der aus dem Bezirkskrankenhaus in Straubing entkommenen vier Patienten kann die Polizei noch keinen Fahndungserfolg vermelden. Die Ermittlungen würden sich auf den sozialen Nahbereich der Straftäter konzentrieren, sagte ein Sprecher der Einsatzzentrale der Straubinger Polizei dem BR. Mittlerweile gingen zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung ein. Diese kämen nicht nur aus Bayern, sondern seien bundeslandübergreifend.

Öffnung der Pforte gewaltsam erpresst

Die vier Straftäter im Alter von 27, 28 und 31 Jahren hatten nach Angaben der Polizei am Samstagabend kurz nach 21 Uhr einen Klinikmitarbeiter angegriffen und festgehalten, um die Öffnung der Pforte zu erzwingen. Dabei hätten sie stumpfe und spitze Gegenstände verwendet. Der Mann habe dabei mittelschwere Verletzungen vor allem im Gesicht erlitten und musste in einer Klinik stationär behandelt werden.

BR-Informationen zufolge bedrohten die Männer die Pflegekraft mit einer Schere, um sich den Weg nach draußen freizupressen. Danach soll die Person freigelassen worden sein und die Männer seien zu Fuß in Richtung des Stadtteils Alburg geflohen. Die Kripo Straubing ermittelt zusammen mit der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Geiselnahme und der gefährlichen Körperverletzung.

Polizei fahndet mit Großaufgebot

Rund 100 Beamte hätten noch in der Nacht nach den Männern gefahndet. Auch ein Hubschrauber und Suchhunde seien im Einsatz gewesen. Am Sonntag fahndete die Polizei weiter mit Hochdruck nach den Männern. Wie die Einsatzzentrale der Polizei in Niederbayern auf BR-Anfrage mitteilt, gebe es einige mögliche Ansätze, denen jetzt nachzugehen sei. Unter anderem würden auch die engeren Kontakte der geflohenen Männer überprüft.

Ob die Männer auf ihrer Flucht weitere Straftaten begehen könnten, sei nicht einzuschätzen, sagte eine Polizeisprecherin im Gespräch mit dem BR. Auch wo sie sich aufhielten, sei unklar, es werde im Großraum Straubing und darüber hinaus gesucht, allerdings könne man nicht ausschließen, dass sich die Männer noch in der Stadt befänden. Man gehe einzelnen Hinweisen nach. Genauere Angaben zu den Ermittlungen könne die Sprecherin nicht machen, um den Fahndungserfolg nicht zu gefährden.

Die Polizei bittet Autofahrer, keine Anhalter mitzunehmen und ruft dazu auf, sich den Personen nicht zu nähern. Stattdessen sollte der Polizeinotruf 110 gewählt werden. Die Ermittler setzten auf die Mithilfe der Bevölkerung. Zahlreiche Zeugenhinweise seien eingegangen und würden ausgewertet, sagte die Polizeisprecherin.

Im Video: BR-Korrespondent Philip Kuntschner zu dem Vorfall

BR-Korrespondent Philip Kuntschner zu dem Vorfall
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BR-Korrespondent Philip Kuntschner zu dem Vorfall

Männer gelten als gefährlich

Nach Polizeiangaben gelten die Männer als gefährlich, allerdings würden sie "Dritten gegenüber nicht willkürlich agieren", so ein Polizeisprecher. Die Polizei fahndet mit Lichtbildern nach den vier Flüchtigen [externer Link].

Eine Sprecherin des Bezirkes Niederbayern teilte am Samstagabend laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa mit, dass bei drei der vier Männer geplant gewesen sei, den Abbruch der Therapie anzuregen. Einer habe erst vor Kurzem einen sogenannten Lockerungsmissbrauch begangen.

Männer wegen Drogendelikten und Diebstahls in Einrichtung

Das Bezirkskrankenhaus Straubing ist eine geschlossene Fachklinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und erfüllt den gesetzlichen Auftrag des Maßregelvollzuges unter der Trägerschaft des Bezirkes Niederbayern. Dort werden psychisch kranke und suchtkranke Straftäter behandelt. Es gibt insgesamt 230 Therapieplätze. Ein Polizeisprecher teilte mit, dass zwei der geflüchteten Männer wegen Drogendelikten, die anderen beiden wegen Diebstahls in der Einrichtung untergebracht waren. Für alle vier sei ein Entzug angeordnet worden.

Im Maßregelvollzug sind Menschen untergebracht, die aufgrund von Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit - etwa wegen einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtkrankheit - nicht in den Strafvollzug und somit nicht in ein Gefängnis kommen.

Straubing derzeit im Volksfest-Modus

In der 50.000-Einwohner-Stadt Straubing sind momentan ohnehin viele Polizisten im Dienst: Es läuft das Gäubodenvolksfest, das mit rund 1,3 Millionen Besuchern binnen gut zehn Tagen als zweitgrößtes Volksfest Bayerns nach dem Oktoberfest gilt. Die Sicherheitsvorkehrungen würden nicht verschärft, so ein Polizeisprecher zum BR. Hier sei man mit Raumschutz und Sicherheitskräften bereits gut aufgestellt.

Oberbürgermeister: "Im Sicherheitsgefühl beeinträchtigt"

Straubings Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU) äußerte gegenüber dem BR vollstes Verständnis, dass sich jetzt viele Menschen in der Region in ihrem Sicherheitsgefühl beeinträchtigt fühlten, insbesondere im Alburger Bereich, also der Region, wohin die Straftäter geflüchtet sind. "Wir sprechen hier schließlich nicht von einer Kleinigkeit. Dem Ganzen ging eine Geiselnahme voraus", so Pannermayr. Er erwarte eine umfangreiche Aufklärung, wie es dazu kommen konnte und fordert, dass Maßnahmen ergriffen werden, wie solche Vorfälle in Zukunft vermieden werden können.

Auch Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) fordert eine detaillierte Aufarbeitung des Vorfalls. "Die Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung haben oberste Priorität", so die Ministerin. Die Sicherheitskonzepte in den Einrichtungen müssten bayernweit verschärft und verbessert werden. Dazu gehöre die Weiterentwicklung von Geisellage-Szenarien und Schulungen für die Mitarbeiter. Es müsse auch geprüft werden, ob in bestimmten Fällen Therapieabbrüche und eine Überstellung in die Justizvollzugsanstalten schneller rechtssicher stattfinden können. "Solche Ausbrüche dürfen nicht wieder passieren."

Zweite Flucht in Niederbayern

Erst vergangene Woche war ein Insasse des Bezirkskrankenhauses Mainkofen im niederbayerischen Deggendorf geflohen - allerdings während eines begleiteten Freigangs. Der Mann entkam seinen Begleitern während eines Kinobesuchs in Plattling und wurde knapp acht Stunden später von der Polizei gefasst und in die Klinik zurückgebracht.

Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Hinweise, dass die Flucht der vier Insassen mit dem Vorfall in Plattling im Zusammenhang stehen könnte, so eine Sprecherin der Polizei.

Update (Stand 08.09.2024): Inzwischen wurden alle Geflüchteten festgenommen. Die Fahndungsbilder wurde im Artikel entsprechend entfernt. Mehr zur Festnahme lesen Sie hier.

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