Milchbauer Simon Sedlmair aus dem Dachauer Land hatte es schon befürchtet. Dass die Steuervergünstigung für Agrardiesel auf der Streichliste der Ampelregierung stehen könnte, war schon im Vorfeld zu hören. Jetzt ist es Gewissheit. Er hat es sich schon ausgerechnet: "13.000 Euro einfach weg. Und die anderen Länder, die Franzosen, zahlen das nicht."
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Enormer Dieselverbrauch von Traktoren und Maschinen
Sedlmairs große Schlepper sind durstig, sie verbrauchen mehr als 30 Liter auf 100 Kilometer. In seinem gut 100 Hektar großen Milchviehbetrieb braucht er jährlich etwa 60.000 Liter Diesel. Das sind deutlich mehr als der vom Bauernverband angegebene Durchschnittswert.
In einem viehhaltenden Betrieb fallen einfach mehr Arbeitsgänge mit dem Schlepper an als bei der Pflanzenproduktion, erläutert Sedlmair: Die Wiesen werden mehrmals geschnitten, das Futter muss gehäckselt werden und so weiter. Auf den Liter Milch umgerechnet sei sein Energieverbrauch durchaus im Rahmen.
Landwirt: Wenn Subventionen streichen, dann überall
Sedlmair, der auch Kreisobmann beim Bauernverband ist, findet: Man könne durchaus darüber diskutieren, die Dieselsubvention für Bauern zu streichen. Dann aber einheitlich in der gesamten EU. Bisher subventionieren alle EU-Nachbarländer den Agrartreibstoff. Für den Landwirt aus dem Kreis Dachau eine Wettbewerbsverzerrung, zumal es auch noch andere deutsche Alleingänge gebe, etwa beim Tierwohl: "Wenn das nur in einem Land ist, das ist furchtbar. Die Stimmung unter den Bauern wird da ganz schlecht. Die treiben da einen Keil rein."
Der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner, drückt es noch drastischer aus: "Mit dem angekündigten Aus für den Agrardiesel liefert die Ampelkoalition die Landwirtschaft in Deutschland ans Messer."
Spontaner Bauernprotest in Würzburg
Die Unzufriedenheit der Bauern mit der Entscheidung zeigte sich am Donnerstagmorgen auch in Würzburg. Aus Protest kamen mehrere Landwirte aus Unterfranken spontan zu einer Traktor-Demo zusammen. Wie die Polizei mitteilte, kam es am Verkehrsknotenpunkt Berliner Ring zu Verzögerungen.
"Ein Drittel aller Kürzungen betreffen uns Landwirte ganz direkt", sagt Dominik Herrmann, einer der Sprecher von "Landwirtschaft verbindet Bayern" in Unterfranken.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir wurde nicht gefragt
Auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ist alles andere als begeistert von der Entscheidung. Er habe erst am Morgen nach der Einigung der Koalitionsspitzen davon erfahren. Im Vorfeld hatte Özdemir vor dem Streichen der Vergünstigung für Agrardiesel gewarnt – auch er sieht dadurch einen Wettbewerbsnachteil für die deutsche Landwirtschaft gegenüber anderen Ländern.
Die Zuständigkeit für die Entscheidung liege bei Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), betont Özdemir. Für den Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung gelte das Gleiche.
Kaniber: Bauern haben für Ampel keinen Stellenwert
Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) betont: Die Kfz-Steuerbefreiung sei dadurch begründet, dass landwirtschaftliche Maschinen die meiste Zeit auf den Feldern und nicht auf der Straße fahren.
Dass Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir bei der Entscheidung offenbar überhaupt nicht gefragt worden sei, zeigt nach Ansicht Kanibers "auf erschreckende Weise, welchen Stellenwert unsere Landwirte bei den Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben: nämlich keinen."
So groß ist bisher die Steuervergünstigung
Von den 47 Cent Steuern pro Liter Diesel, die ein normaler Verbraucher bezahlt, erhalten Landwirte rund 21 Cent zurück. Im Bundeshaushalt schlägt das bisher mit Kosten von 440 Millionen Euro zu Buche. Die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge macht weitere 485 Millionen Euro aus. Insgesamt will die Ampel also durch die Streichung der Subventionen rund 900 Millionen Euro einsparen.
Nach Angaben des Bayerischen Bauernverbands liegt der Dieselverbrauch in der Landwirtschaft größenordnungsmäßig bei 110 bis 120 Liter pro Hektar Fläche und Jahr. Die Durchschnittsgröße landwirtschaftlicher Betriebe in Bayern beträgt laut Bayerischem Agrarbericht 2022 36,9 Hektar. Die Mehrkosten durch den Wegfall des Agrardiesels lägen demnach in einem Durchschnittsbetrieb bei rund 890 Euro jährlich. Je nach Art der Bewirtschaftung kann dieser Wert jedoch deutlich schwanken, wie das Beispiel des Milchbauern Sedlmair zeigt.
Bisher niedrigere Agrardieselsteuern als in anderen EU-Staaten
Bislang profitierten die deutschen Landwirte von höheren Steuervergünstigungen, als manche ihrer Kollegen in anderen EU-Staaten bekommen. Nach den Rückvergütungen mussten sie rund 26 Cent pro Liter Diesel an Steuern zahlen.
Zum Vergleich: In den wichtigen europäischen Agrarländern Polen, Frankreich und Niederlande müssen die dortigen Landwirte mehr für den Liter Diesel zahlen: nämlich über 30 Cent. Billiger als in Deutschland ist der Treibstoff beispielsweise in Italien, Spanien und Portugal.
BN kritisiert Wegfall der Subventionen
Der Bund Naturschutz in Bayern kritisiert den von der Bundesregierung beschlossenen Wegfall der Subventionen für Agrardiesel. In einem Statement für den Bayerischen Rundfunk sagte der Landesbeauftragte des BUND, Martin Geilhufe, die Maßnahme sei in dieser Zeit ein falsches Zeichen. Die Streichung der Vergünstigungen sorge im ländlichen Raum für viel Ärger und bereite dem BUND Sorgen.
Es sei zwar klar, dass man in der Landwirtschaft so wie überall sonst auch sparsam mit fossilen Energien umgehen müsse, so Geilhufe. Es müssten weitere Potenziale in der Landwirtschaft gefunden werden, um sparsamere Techniken einzusetzen. Dennoch gebe es im Bundeshaushalt größere Posten als die Subventionen für den Agrardiesel. Die Frage sei, so der Landesbeauftrage des BUND, warum der Bund nicht die hohen Subventionen für die "völlig übermotorisierten" Dienstwägen angehe.
https://www.situationsbericht.de/4/44-bundesagrarhaushalt-und-agrarsubventionen [Link zum Deutschen Bauernverband]
Im Video: Agrardiesel - Bauern sprechen von Kampfansage
Dieser Artikel ist erstmals am 13.12.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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