Blick auf die Burg Feuerstein
Bildrechte: BR/Karin Goeckel
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Hinter den Mauern von Burg Feuerstein forschte der Physiker Oskar Vierling im Auftrag der Wehrmacht an verschlüsselter Kommunikation.

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Als Burg Feuerstein ein Geheimlabor der Wehrmacht war

Als Burg Feuerstein ein Geheimlabor der Wehrmacht war

Burg Feuerstein ist bekannt als Jugendhaus des Erzbistums Bamberg. Weniger bekannt ist, dass die Burg ursprünglich ein Labor war. Der Physiker Oskar Vierling forschte hier im Auftrag der Wehrmacht an Technologie, die bis heute geheim ist.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Zeit für Bayern am .

Sie sieht aus wie eine mittelalterliche Burg. Doch das ist nur Fassade, um die Alliierten zu täuschen. Denn der Wissenschaftler Oskar Vierling ließ Burg Feuerstein in der Fränkischen Schweiz mitten im Zweiten Weltkrieg erbauen. Hier forschten bis zu 250 Ingenieure, Techniker und Laborantinnen im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht an geheimer Technologie. Bis heute sind die Forschungsergebnisse in US-amerikanischen Archiven unter Verschluss.

Oskar Vierling sollte neue "Enigma" erfinden

Doch zumindest schlagwortartig ist bekannt, an was Oskar Vierling auf Burg Feuerstein forschte: an einer neuen Verschlüsselungstechnologie für den militärischen Funkverkehr. Den deutschen Enigma-Code hatte der britische Mathematiker Alan Turing 1940 geknackt. Für die Alliierten war das ein Durchbruch, denn bis dahin hatten deutsche U-Boote immer wieder Versorgungs- und Truppenkonvois auf dem Weg von den USA nach Großbritannien zerstört. Die Wehrmacht brauchte also eine neue Möglichkeit der verschlüsselten Kommunikation und erteilte dem Physiker Oskar Vierling den Auftrag.

Bau von Burg Feuerstein für Funkversuche

Der gebürtige Straubinger war zu dieser Zeit Professor für Hochfrequenztechnik und Schwingungsforschung an der Technischen Hochschule Hannover. Weil für die Entwicklung einer neuen Verschlüsselungstechnologie Funkversuche notwendig waren, brauchte er einen abgelegenen Ort, an dem er einen hohen Turm bauen konnte. Seine Wahl fiel auf die Fränkische Schweiz, denn die Region kannte Oskar Vierling aus seiner Zeit als Student der Elektrotechnik in Nürnberg. Und so ließ Vierling sein als Burg getarntes Laboratorium auf dem Feuerstein errichten.

Geheime Forschung für die Wehrmacht

Zwischen dem 48 Meter hohen Turm von Burg Feuerstein, einem Holzturm auf dem benachbarten Lindersberg, und Vierlings Institut in Hannover flogen nun die verschlüsselten Funknachrichten hin und her. Auch ein Leitverfahren für den Einsatz deutscher Jagdflugzeuge bei Nacht sollte hier entwickelt werden. Deckname: "Nachtfee". Weitere Forschungsprojekte waren unter anderem die zielsuchende Lenkung von Torpedos ("Zaunkönig"), eine Anti-Radar-Hülle für U-Boote ("Schornsteinfeger") oder Hochgeschwindigkeitssender für Agenten. Details sind bis heute nicht bekannt.

Alliierte Spezialisten auf Burg Feuerstein

Als die Amerikaner im April 1945 nach Ebermannstadt kamen, war dies das Ende der Forschungen. Einen Teil seiner Unterlagen hatte Oskar Vierling auf Befehl der Nazis nach Tirol gebracht. Den anderen Teil sollte er vernichten. Doch das tat der Wissenschaftler nicht – er mauerte sie stattdessen im Burgkeller ein. Dort wurden sie von den Amerikanern entdeckt. Die Alliierten schickten anschließend Spezialisten auf die Burg, um Vierlings Forschungsergebnisse zu sichten – darunter auch den Enigma-Entschlüssler Alan Turing. Bereitwillig erklärten Oskar Vierling und sein Team ihnen alles, bis Vierling im August 1945 wegen Mitgliedschaft in der NSDAP und der SS verhaftet wurde.

Oskar Vierling als "Mitläufer" eingestuft

1949 stufte das Spruchkammergericht den Wissenschaftler als "Mitläufer" ein – keiner der Vorwürfe gegen ihn konnte belegt werden. Weder hatte er sein Labor von der Wehrmacht finanzieren lassen noch beim Bau der Burg Zwangsarbeiter beschäftigt. Im Gegenteil: Einer seiner Ingenieure – das ist im Urteil des Spruchkammergerichts nachzulesen – hatte ihn angezeigt, "…und zwar wiederholt, weil er einen Halbjuden im Betrieb beschäftigte, gegen bestimmte Forderungen des Nazismus verstieß und weil er den Glauben an den Endsieg vermissen ließ."

Oskar Vierling - der Erfinder des "TED"

Oskar Vierling kam frei und konnte sich in seinem neuen Labor in Ebermannstadt wieder ganz der Forschung widmen. Burg Feuerstein verkaufte er an die Erzdiözese Bamberg, die dort ein Jugendhaus einrichtete. Bis heute verbringen hier Kinder und Jugendliche ihre Ferien oder Klassenfahrt. Für die "Organisation Gehlen", aus dem später der Bundesnachrichtendienst hervorging, konstruierte Oskar Vierling Abhörgeräte, für die Deutsche Bundespost Prüfgeräte oder Testverfahren für Telefonanlagen. Vierling ist auch der Erfinder des berühmten "TED", der Abstimmung von Zuschauern per Telefon, erstmals 1984 bei "Wetten, dass…?" eingesetzt. Insgesamt meldete der Physiker mehr als 200 Patente an.

Kein Wort über Forschung bis zum Tod

Oskar Vierling sei "ein Wissenschaftler durch und durch" gewesen, meint sein Enkel Martin, der heute die Geschicke der Firma Vierling leitet. "Er war einfach Tüftler, und wenn er eine Problemstellung bekommen hat, dann war es für ihn eine Genugtuung, eine Lösung zu finden." Über seine Forschung für die Wehrmacht bewahrte Oskar Vierling bis zu seinem Tod 1986 Stillschweigen. Das meiste kam erst 2011 heraus, als Martin Vierling die Geschichte der Firma erforschen ließ.

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