Um Schutz vor dem Hochwasser der Altmühl zu finden, ziehen sich die Häuser in Arnsberg terrassenförmig den Berg hinauf bis zur Kirche. Sie steht am höchsten Punkt des Dorfes. Über ihr ragt der Berg. Auf ihm links die Burg und rechts das Schloss. Seit rund tausend Jahren ist das so. Doch zunehmend wird der schützende Berg selbst zum Risiko für die Menschen und ihre Häuser. Das belegt ein aktuelles Gutachten.
Gutachten sieht dringenden Handlungsbedarf
Das Gutachten des Büros Menzel aus Tübingen sieht dringenden Handlungsbedarf. Denn das Risiko eines Felssturzes sei "kurzfristig" gegeben. So steht es in dem Papier. Das bedeutet für Kipfenbergs Bürgermeister Christian Wagner (SPD): "Jederzeit, schon heute oder morgen, kann etwas passieren. Auf jeden Fall muss innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre mit einem Felssturz gerechnet werden."
Projekt Felssicherung läuft
Der Markt Kipfenberg, zu dem das kleine Kirchdörfchen Arnsberg mit seinen rund 330 Einwohnern seit 1971 gehört, hat deshalb umgehend das Projekt "Felssicherung" in Angriff genommen. Die Ausschreibung läuft. In wenigen Monaten soll ein Planungsbüro gefunden werden. Für Ende 2025 rechnet der Bürgermeister mit dem Beginn der rund sechsmonatigen Baumaßnahmen. 2026 soll dann das Risiko gebannt sein.
Die Felssicherung hat ihren Preis. Der Gutachter rechnet mit rund vier Millionen Euro. Immer wieder kam es vor Ort zu Steinschlägen. Der letzte ereignete sich laut Ortssprecher Karl-Heinz Partsch erst vor wenigen Tagen. Ein großer Stein landete im Zaun oberhalb des Ortes.
Schadensträchtige Felsstürze in mehreren bayerischen Regionen
In mehreren bayerischen Regionen gibt es immer wieder schadensträchtige Felsstürze. Das bestätigt der Bayerische Gemeindetag. Er nennt beispielshaft die fränkische Schweiz, den Alpenraum, aber auch das Altmühltal. Hier wissen die Menschen, dass die malerischen Karstfelsen, die die Touristen begeistern, zur Gefahr werden können. Witterung und Bewuchs setzen dem Gestein zu und lassen es porös werden.
Arnsberg und viele andere Gemeinden im Altmühltal haben mit diesem Naturphänomen ihre leidvollen Erfahrungen. Kipfenbergs Bürgermeister hat in seiner zehnjährigen Amtszeit schon mehrere Felsen sichern lassen müssen. Schnell überschritten die Kosten die Millionengrenze. Ähnlich ist es auch in den Nachbargemeinden Beilngries und Kinding.
Todesfall nach Steinschlag an der Arnsberger Leite
Trotz aller Sicherungsmaßnahmen sind schon wiederholt Menschen und Häuser zu Schaden gekommen. In Arnsberg zerschlug ein Felsbrocken 1949 ein Haus neben der Kirche. Heute ist das Grundstück frei und darf laut Grundbucheintrag auch nicht mehr bebaut werden. Daran erinnert der Ortssprecher von Arnsberg, Karl-Heinz Partsch.
Ein tödlicher Steinschlag ereignete sich nur wenige hundert Meter vom Ort Arnsberg entfernt am 17. September 2001. An dem Tag stürzte ein Kubikmeter großes Felsstück auf die Straße an der Arnsberger Leiten und traf ein Auto. Der Fahrer kam dabei ums Leben. Um die Gefahr für den Straßenverkehr einzudämmen, war in den Folgejahren 2003 und 2004 die Staatsstraße mehrere Monate lang gesperrt. Heute zieht sich über Hunderte von Metern ein Sicherungszaun. Die Kosten von rund drei Millionen Euro trug damals der Freistaat, weil er als Träger der Staatsstraße in der Pflicht war.
Kosten von vier Millionen Euro für die Marktgemeinde
Angesichts dieser Erfahrungen steht für den Markt außer Frage, dass die aktuelle Felssicherung keinen Aufschub duldet. Bürgermeister Christian Wagner realisierte erst im vergangenen Jahr eine Felssicherung im Hauptort. Kostenpunkt: rund 700.000 Euro. Doch eine derart umfangreiche und kostenintensive Maßnahme wie die in Arnsberg habe er noch nicht erlebt, sagt er. Die geschätzten vier Millionen Euro seien für die Marktgemeinde mit ihren rund 6.000 Einwohnern eine riesige Herausforderung und bei einem Gesamthaushalt von 32 Millionen nicht zu stemmen.
Grundsätzlich muss die Marktgemeinde für die Felssicherung zahlen. Denn die Verkehrssicherungspflicht und damit auch die Kosten trägt grundsätzlich der Eigentümer des Grundstücks, von dem eine Gefahrenquelle ausgeht. In Arnsberg liegt der Fels auf dem Grund der Marktgemeinde Kipfenberg. Sie muss also für die Felssicherung zahlen, erklärt das Landratsamt in Eichstätt auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks: "Der Grundstückseigentümer ist verpflichtet, dass Gefahren gegen Dritte abgewendet, beziehungsweise beseitigt werden. Die Kosten trägt deshalb grundsätzlich auch der Grundstückseigentümer, hier der Markt Kipfenberg."
Kipfenberg hofft auf Hilfe vom Freistaat
Bürgermeister Christian Wagner hofft auf finanzielle Unterstützung des Freistaats: "80 Prozent würde ich mir wünschen." Einen entsprechenden Härtefallantrag bringt er nach eigener Aussage auf den Weg.
Auch im Landratsamt Eichstätt verweist die Marktgemeinde an die Staatsregierung. Das Landratsamt könne "in diesem Fall lediglich beratend bei der Planung der Finanzierung und der Information über finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten tätig werden." Im Klartext: Geld vom Landkreis wird es nicht geben.
Keine gesetzliche Härteregelung für solche Fälle
In München hält man sich zur Kostenfrage bedeckt. Das Bauministerium lässt lediglich wissen, dass die Verkehrssicherungspflichten im Bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) geregelt sind. Wie eine überforderte Kommune hohe Sicherungsmaßnahmen finanzieren solle oder wer ihr dabei helfen soll, steht dort jedoch nicht. "Eine gesetzliche Härteregelung ist im LStVG nicht vorgesehen. Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen kann die Gemeinde beim Finanzministerium Bedarfszuweisungen beantragen", erklärt das Bauministerium weiter.
Arnsberger Bürger sehen sich doppelt belastet
Die Arnsberger Bürger selbst sehen sich doppelt belastet. Ortssprecher Karl-Heinz Partsch erinnert daran, dass die Bewohner von Arnsberg gleich doppelt die Leidtragenden seien. Sie leben einerseits unter dem Felsen und damit auch mit der Bedrohung. Zudem trifft sie das Risiko finanziell. Eine neue Elementarversicherung für eines der bedrohten Häuser abzuschließen, sei unmöglich. Das habe aktuell ein junger Mann erfahren, der ein Haus in Arnsberg geerbt habe.
Sinkende Immobilienpreise und Baustopp
Die drohende Gefahr drücke auch die Immobilienpreise, erklärt der Ortssprecher. Dazu komme, dass aktuell ein Baustopp gelte. Demzufolge genehmige das Landratsamt mit Verweis auf die Felssturzgefahr weder Neubauten noch größere Umbauten. Mit diesen Problemen stehen die Hauseigentümer allein da. Finanzielle Hilfe vom Staat gebe es in solchen Fällen nicht. Das bestätigt der Bayerische Gemeindetag. Er verweist auf mehrere Gerichtsurteile, wonach "Wertverluste von Immobilien keine Eigentumseingriffe sind, die ausgeglichen werden müssten. Das ist bitter für die Hauseigentümer, aber das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) schützt nicht Erwartungen und Hoffnungen von Eigentümern, dass der Wert ihres Eigentums erhalten bleibt". So kommentiert ein Sprecher des Gemeindetags die Rechtslage.
Zuversicht ziehen die Arnsberger Bürger zumindest aus der geplanten Felssicherung. Sie hoffen, dass der Berg den Ort ab 2026 nicht mehr bedroht.
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