Die Pegelstände sinken, die ersten Soforthilfen sind beschlossen - nun geht es um die Frage, ob die Menschen in den bayerischen Hochwasser-Gegenden ausreichend gewarnt waren. Staatskanzleichef Florian Herrmann verweist am Dienstag auf eine Einschätzung von Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) in der Kabinettsitzung. Dieser habe berichtet, dass die Warnungen funktioniert hätten - und bereits am Freitagnachmittag die betroffenen Landkreise mit Blick auf drohende Hochwasserlagen sensibilisiert worden seien. "Es waren alle entsprechenden Landratsämter in Alarmbereitschaft", sagt Staatskanzleichef Herrmann.
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Feuerwehr und Anwohner wurden überrascht
Ob auch die Menschen vor Ort ausreichend gewarnt waren, lässt sich dagegen so einfach nicht beantworten. Beispiel Schönau am Königssee: Hier berichtet Anwohner Florian Sllamniko, er habe noch Glück gehabt, weil die Schlammlawine sein Haus nur außen getroffen habe. Es habe zwar eine Warnung wegen starken Regens gegeben, aber von einem möglichen Hangrutsch sei nicht die Rede gewesen. "Kein Warnsystem hat uns geholfen oder uns gesagt, dass was abgeht", sagt Sllamniko. "Wir dachten, es ist ein normaler Regen, aber dann ist alles nach unten gekommen."
Von der Feuerwehr Schönau heißt es ebenfalls, dass alles auf einmal gekommen sei. Niemand habe damit gerechnet - mit ein bisschen Sand schon, aber nicht in diesen Massen. Auch Anwohner Stefan Gauer sagt: "Das kam so plötzlich, dass von einer Minute auf die andere der Pegel bis unter die Decke in allen Kellern stand."
Warnungen über Apps verschickt
Tatsächlich wurden über mehrere Apps Warnungen für das Berchtesgadener Land verschickt, wie die Integrierte Leitstelle Traunstein auf BR-Anfrage mitteilt. Versendet wurden die Warnungen "auf Anordnung des Landratsamtes Berchtesgadener Land". "Die Bewohner im Bereich der Berchtesgadener Ache werden gebeten, den Uferbereich und auch die Keller zu meiden", hieß es am Samstagabend in der Meldung um 21.41 Uhr, die unter anderem über die Apps "Katwarn", "Nina" und "PowerWarn" versendet wurde. Um 22.22 Uhr löste der Landkreis den Katastrophenfall aus, was auch umgehend den Medien mitgeteilt wurde.
Es folgten zwei Evakuierungs-Mitteilungen über die Warn-Apps für bestimmte Bereiche am Sonntag. Wie viele Menschen die Warnungen erreicht haben, lässt sich allerdings kaum sagen.
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Schon am Freitag hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) davor gewarnt, dass es von Samstag bis in die Nacht zum Montag am östlichen Alpenrand fast ohne Unterbrechung schauerartig regnen und gewittern werde. Vor allem nahe der Berchtesgadener Alpen rechnete der DWD mit Regenmengen von bis zu 100 Litern pro Quadratmeter - in Staulagen sogar mit bis zu 160 Liter pro Quadratmeter. Dennoch bleiben zentrale Fragen: Wie schnell entwickeln sich Notsituationen wie zuletzt im Berchtesgadener Land - und auf welchen Kanälen können die Menschen schnellstmöglich gewarnt werden?
Sirenen als zentrales Hilfsmittel?
Das bayerische Innenministerium soll nun laut Staatskanzleichef Herrmann ein "detailliertes Konzept für die Bevölkerungswarnung" vorlegen. Ein Pfeiler: Warnungen durch Sirenen. "Natürlich wissen wir, es gibt die unterschiedlichsten Warn-Apps, die auch gut funktionieren - aber halt nur, wenn man sie geladen hat und entsprechend aufs Handy schaut", sagt Herrmann. Allerdings sagt er auch: "Es ist ja so, dass es häufig gar keine Sirenen mehr gibt." Gegensteuern will hier etwa der Bund, der ein 90-Millionen-Euro-Förderprogramm für den Ausbau des Sirenen-Alarms in Deutschland aufgelegt hat. Das aber wird Jahre dauern.
Zunächst bleibt also unklar, inwiefern Sirenen neben den anderen Möglichkeiten - Medienberichte, Warn-Apps, Polizeidurchsagen - auf absehbare Zeit helfen können. Den Zeithintergrund müsse man erst mit dem Innenministerium besprechen, sagt Herrmann. Im Berchtesgadener Land gab es dem Vernehmen nach am Wochenende keinen Sirenen-Alarm. Für den Staatskanzleichef sind die lauten akustischen Signale trotzdem ein probates Mittel: Gerade wenn die Gefahr unmittelbar bevorstehe, könnten Menschen durch Sirenen aufmerksam gemacht werden, sagt er. Und: "Wenn's dann analog ist, dann ist es halt analog. Hauptsache die Menschen werden alarmiert."
Push-SMS als weiteres Warnsystem?
Und eine weitere Option haben Bayern und der Bund ausgemacht: Warnungen per automatischer SMS. "Vor allem zur Nachtzeit" und "gezielt in betroffenen Bereichen" wäre das laut Staatskanzleichef Herrmann wichtig. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt sich dafür offen. Ein SMS-Warnsystem kann laut ihr aber die bestehenden Warnsysteme nur ergänzen und nicht ersetzen. Die "Nina"-App habe den Vorteil, dass sie auch noch funktioniere, wenn der Mobilfunk ausgefallen und keine SMS-Warnung mehr möglich sei, betont Merkel. Dennoch werde man sich das SMS-System anschauen, das Mobilfunkanbieter in Deutschland bisher allerdings noch nicht angeboten hätten.
Viele Fragezeichen also bislang, sowohl bei Sirenen als auch bei Push-SMS. Dass Antworten möglichst schnell kommen müssen, ist auch der Staatsregierung klar. Laut Staatskanzleichef Herrmann geht es darum, die Bevölkerung in einer Situation zu alarmieren, "in der die Vorwarnzeit relativ kurz ist" und es "sehr, sehr schnell" gehen müssen. Die kurze Vorwarnzeit entscheide über Leben und Tod, betont er.
Behörden vor Ort warnen in der Regel
Grundsätzlich läuft es so: Für Warnungen vor Katastrophen und allgemeinen Gefahren sind die Bundesländer und deren Katastrophenschutzbehörden zuständig. Das sind in Bayern die Landratsämter, die Regierungen der Bezirke und das Innenministerium. Sie warnen zum Beispiel vor Waldbränden, Unwetter und Hochwasser. Die Behörden greifen zur Warnung vor allem auf Rundfunkdurchsagen, Sirenen, Lautsprecher-Fahrzeuge und Warn-Apps zurück.
Der Deggendorfer Landrat und Präsident des Bayerischen Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU), betont: In Katastrophenlagen sei es am wichtigsten, die Menschen schnell zu informieren - auf allen Kommunikationswegen. Der Landkreis Deggendorf war im Jahr 2013 massiv von einem Donau-Hochwasser betroffen. In diesem Fall habe das Vorwarnsystem sehr gut funktioniert, sagt der Landrat. Wenn es sich aber um eine Gewitterzelle wie in Simbach vor fünf Jahren handelt, dann habe man keinen Vorlauf.
Die Stadt Simbach in Niederbayern wurde im Juni 2016 überflutet, weil der Simbach in Sturzfluten über die Ufer trat. Fünf Menschen starben. Solche Situationen seien sehr schwer vorhersehbar, sagt Bürgermeister Klaus Schmid (CSU) im Rückblick - und warnt im Rückblick vor Schuldzuweisungen. "Diese Katastrophenereignisse finden ja innerhalb von wenigen Minuten statt", betont er.
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