Die Unwetter am Wochenende haben in Oberbayern und Schwaben zum Teil verheerende Schäden angerichtet. Besonders schlimm traf es die Gemeinden Bad Bayersoien und Benediktbeuern. Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen hatte den Katastrophenfall ausgerufen. Hilfe aus vielen Regionen in Bayern war schnell organisiert. Trotzdem sitzt der Schock in der Gemeinde tief.
Dachziegel zerstückelt von tennisballgroßen Hagelbrocken
Die Dachziegel auf fast allen Häusern in Benediktbeuern wurden von den tennisballgroßen Hagelbrocken regelrecht zerstückelt und viele Fensterscheiben wurden zerstört. Momentan werden die Häuser gegen den Regen notdürftig mit Planen abgedeckt. Es ist eine gefährliche Arbeit auf den regennassen Dächern mit den zerbrochenen Ziegeln. Auf manchen Dächern liegen bereits hellblaue und hellgrünen Folien, auf anderen wird noch gearbeitet.
Ministerpräsident Söder will am Dienstag die Region besuchen
Ein ähnliches Bild in Bad Bayersoien: "Wir haben im Dorf knapp 400 Häuser. Davon sind bestimmt 370 betroffen. Teilweise ist auf den Dächern kein Dachziegel mehr ganz", sagt die Bürgermeisterin von Bad Bayersoien, Gisela Kieweg. Autos, die nicht in Carports oder Garagen standen, seien durchweg beschädigt - das geht bis zum Totalschaden. Auch am Montag galt in der Region der Katastrophenfall.
Am Dienstag will sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein Bild von der Lage machen. In Bad Bayersoien und Benediktbeuern will er mit kommunalen Vertretern und Einsatzkräften sprechen.
Schäden am Kloster Benediktbeuern
Stark getroffen wurden Benediktbeuern und das dortige Kloster. Teile des Gebäudes mussten geräumt werden, wie der scheidende Leiter des Klosters der Salesianer Don Boscos, Pater Claudius Amann, berichtete. Fünf seiner rund 35 Mitbrüder mussten in andere Räume umziehen, weil ihre Zimmer zu stark beschädigt wurden. Alle Fenster auf der Westseite des Gebäudes aus dem 8. Jahrhundert seien zerborsten. "Ich ahne, es geht in die Millionen", sagte Amann über den Schaden.
Die Zwischendecken saugten sich voll Wasser. "Es kann passieren, dass Decken herunterkommen - wenn es uns nicht gelingt, das Wasser rechtzeitig abzuleiten", sagte Amann. Damit seien Helfer, darunter Volontäre der Gemeinschaft, nun beschäftigt. Ebenfalls betroffen seien beim Kloster die barocke Basilika und die Anastasiakapelle - ein "Juwel des Rokoko". Der 67-Jährige wollte just am Montag eine neue Aufgabe in der Salesianergemeinschaft in Aschau am Inn antreten. "Ich bin geblieben, um zu helfen, die Situation zu bewältigen."
40 Hilfskräfte aus dem Kreis München in Benediktbeuern
Die Aufräumarbeiten in Benediktbeuern werden auch von Einsatzkräften aus dem Landkreis München unterstützt. Am Mittag waren 40 Einsatzkräfte mit mehreren Drehleitern und Löschfahrzeugen als Helfer vor Ort.
Bereits am Samstag hatten Hilfskräfte 39 Notdächer nach Benediktbeuern gebracht, um Häuser provisorisch vor den Regenmassen zu schützen. Am Einsatz beteiligt sind oder waren konkret Kräfte der Freiwilligen Feuerwehren aus Pullach, Oberschleißheim, Neuried, Aschheim, Feldkirchen, Garching, Gräfelfing, Grasbrunn, Taufkirchen und Unterschleißheim sowie Einsatzkräfte der Kreisbrandinspektion Landkreis München und des Technischen Hilfswerks.
"Es wird Monate dauern, bis alles wieder im Ursprungszustand ist", sagt die Bürgermeisterin von Bad Bayersoien, Gisela Kieweg. Die Hilfsbereitschaft sei groß. Nachbarn unterstützten sich, aus ganz Bayern kam Hilfe. Notdächer der Versicherungskammer Bayern wurden teils aus Unterfranken herangeschafft.
Versicherungen müssen viel bezahlen
Christian Krams, Leiter Schaden des Konzerns Versicherungskammer Bayern, schätzt den Schaden des Unwetters im Freistaat "sehr vorsichtig" auf einen zweistelligen Millionenbetrag. "Hochgerechnet gehen wir davon aus, dass es das größte Schadensereignis für die Versicherungskammer in diesem Jahr wird", sagte Krams. "Wir hatten allein am Montagvormittag 6.000 bis 7.000 Schadensmeldungen." Das sei mindestens zehnmal so viel wie gewöhnlich. Die meisten Meldungen kamen aus dem Bereich Bad Bayersoien, Benediktbeuern, Tegernsee, Augsburg und Kissing.
Krams hatte sich am Sonntagnachmittag selbst ein Bild vor Ort gemacht. Die meisten Schäden dürften von der Versicherung abgedeckt sein. Für derartige Ereignisse habe die Versicherungskammer vor wenigen Jahren rund 100 Notdächer angeschafft, die nun aus verschiedenen Teilen Bayerns ins Unwettergebiet gebracht würden. Krams warnte: "Hochwasser könnte das nächste Thema werden." Vor allem am Inn müssen sich Anwohner laut Hochwassernachrichtendienst in den kommenden Stunden auf Überschwemmungen einstellen.
Gäste reisen ab
Die Folgen des Unwetters für den Tourismus, ausgerechnet jetzt, mitten in der Saison: noch offen. Alle Gäste seien abgereist, berichtete der Besitzer des Landhotels "Zum Metzgerwirt" in Bad Bayersoien, Markus Boie. "Die wollten natürlich nicht mehr hierbleiben. Wir waren voll gebucht." Nun gebe es Stornierungen. Das treffe die Branche nach Corona und Energiekrise erneut schwer.
Die Szenerie bei dem Unwetter sei "gruselig" gewesen, sagte Boie. "Es hat gescheppert und geknallt - und alles, was irgendwie kaputtgehen kann, ist kaputt." Wann sein Dach samt PV- und Solarthermie-Anlage repariert werden kann, ist offen. "Kein Mensch weiß, wo man die Ziegel herkriegen soll." Die Aussage des Dachdeckers sei gewesen: Mit Glück bekomme er das Dach bis Ende des Jahres wieder gedeckt.
Kranzberg: weggespülte Straße wird wiederhergestellt
Auch Schäden von den Unwettern der vergangenen Woche müssen noch behoben werden. Damit die geplante Asphaltierung der Oberen Dorfstraße in der Gemeinde Kranzberg im Landkreis Freising ab Mitte der Woche fertiggestellt werden kann, leisten Mitarbeiter der Baufirma heute und morgen Schwerstarbeit, sagte der Kranzberger Bürgermeister Hermann Hammerl dem BR auf Anfrage.
Das Unwetter vom vergangenen Samstag mit dem Starkregen hat weite Teile des Schotterunterbaus auf der 400 Meter langen Baustelle regelrecht weggeschwemmt. Randsteine wurden streckenweise unterspült. Jetzt gelte es, die Baustelle wieder so herzurichten, dass am Mittwoch eine Tragschicht und am Donnerstag die Deckschicht aufgebracht werden können. Gelingt das nicht, so Bürgermeister Hammerl, dann kann es sein, "dass sich die Asphaltierung und damit die Reparatur der Oberen Dorfstraße auf unbestimmte Zeit verzögert."
Kissing: Zwölf Verletzte bei Aufbau von Bierzelt
Auch andere Regionen in Bayern wurden schwer getroffen. In Kissing (Landkreis Aichach-Friedberg) wurden zwölf Menschen verletzt, als sie ein Bierzelt aufbauten. Im selben Ort deckte der Sturm das Dach des Seniorenheimes "Sankt Gabriel" ab und schleuderte die Trümmer auf die vor dem Gebäude parkenden Autos. 104 Altenheimbewohnerinnen und -bewohner sind dort noch immer betroffen und können nicht zurück in ihr gewohntes Umfeld.
30 Seniorinnen und Senioren, die besondere Pflege benötigen, wurden noch am Samstag in nahegelegenen Seniorenheimen untergebracht. 60 Bewohnerinnen und Bewohner wurden für eine Nacht in die gegenüberliegende Mehrzweckhalle verlegt, sie sind inzwischen auch in anderen Seniorenheimen untergekommen.
Dauerregen in Teilen Bayerns
Die Aufräumarbeiten werden zum Teil noch Monate dauern. Erschwerend kommt derzeit hinzu, dass der Deutsche Wetterdienst (DWD) vor Dauerregen in der Südhälfte des Freistaats und in der Oberpfalz bis zum Dienstag warnt. An den Alpen gebe es Unwetter durch Dauerregen, der extrem ergiebig sei, hieß es.
Bäume und Gärten haben die Unwetter verwüstet. Das Landratsamt Aichach-Friedberg teilt mit, dass die Grüngutsammelstelle Kissing wegen der Aufräumarbeiten auch am Dienstag (29. August) außerplanmäßig geöffnet ist. Von 8 bis 17 Uhr können dort Grüngut und Sperrmüll, der aus den Unwetterschäden stammt, kostenlos abgegeben werden.
Zusätzlich gibt es drei weitere Container für Sperrmüll in Kissing, Mering und Friedberg. Das Landratsamt bittet die Bürgerinnen und Bürger in den südlichen Landkreisgemeinden, die Wertstoffsammelstellen bzw. Grüngutannahmestellen in den kommenden Tagen für die Menschen freizuhalten, die Material aus den Unwetterschäden abgeben wollen.
Nicht zuletzt erschlug der Hagel auch viele Tiere. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sollen auch Rehe und Störche umgekommen sein, wie es beim Landratsamt hieß.
Mit Informationen unserer Korrespondenten und der dpa.
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