Vorstellungen mit Gebärdendolmetscher gibt es schon länger im Staatstheater Augsburg, auch Audiodeskription, also eine Beschreibung der Aufführung über Kopfhörer. Um die Besucher noch näher heranzuholen, bietet das Theater jetzt auch Tastvorführungen für Blinde und Sehbehinderte an, zum Beispiel bei der Mono-Oper "Das Tagebuch der Anne Frank".
Blinde dürfen das Bühnenbild anfassen
Hohe dunkle Metallrahmen quer über der Bühne, ein Glaskasten, ein Kinderfahrrad, ein Haufen mit Ziegelsteinen, dahinter der Flügel des Orchesters: Die blinden Theaterkunden dürfen das Bühnenbild vor der Aufführung anfassen um sich eine Vorstellung davon machen.
Der leitende Regisseur des Staatstheaters, David Ortmann, führt die Besucher durch die Kulissen und erzählt den Blinden, was sie nicht sehen können. Unter ihnen ist Christian Seuss. Ihm gefällt besonders, dass er die Gegenstände anfassen kann: "Das ist etwas anderes als die Beschreibung", sagt er.
Während der Aufführung haben die Sehbehinderten einen Kopfhörer auf. Eine Sprecherin beschreibt ihnen live in den Textpausen direkt aufs Ohr, was auf der Bühne passiert. Die Sprecherin sitzt auf der Probebühne, drei Etagen über der Bühne.
Begeisterung bei blinden Theater-Kunden
Die Aufführung kam bei den Menschen mit Sehbehinderung und den Blinden sehr gut an. Sie schwärmten von dem Stück, der Musik, der Leistung der Künstler. Begeisterung zu der auch die Bemühungen des Staatstheaters Augsburg um Integration beigetragen haben.
Regisseur David Ortmann freut sich über das Lob der blinden Theatergäste, bittet aber auch um kritisches Feedback: "Ich brauche auch das Scheitern in den Details, dass gesagt wird, da könntet ihr noch besser sein." Denn das Theater will noch besser werden: "Ich glaube, dass Theater viel zu lange gedacht haben, wir haben irgendwie zwei Lücken für die Rollstühle, und das reicht. Und das ist eben nicht so. Und das merkt man jetzt so in diesen Nachgesprächen", so Ortmann.
Theater für Blinde auch auf der Freilichtbühne
Als nächstes großes Stück soll unter anderem das Musical Sister Act auf der Freilichtbühne inklusiv erlebbar sein. Schon früh haben Menschen mit Behinderung das Theater gebeten, die Aufführungen auf der Freilichtbühne barrierefrei zu gestalten, erzählt Regisseur Ortmann: "Das ist so Stadtgespräch, da gehen Tausende Leute jeden Sommer rein. Und wir möchten ein Teil davon sein. Wir möchten mit unseren nicht-behinderten Nachbarinnen und Nachbarn darüber sprechen, ob das toll war, ob das bunt war, ob das lustig war."
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