Zum zehnten Mal wird am 9. Juni auch in Deutschland das Europäische Parlament gewählt. Anders als vor fünf Jahren darf an diesem Tag auch wählen, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, denn der Bundestag hat das aktive Wahlalter von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Um die Jugendlichen auf die Wahl vorzubereiten, wird auch an Schulen Aufklärungsarbeit geleistet. In Bamberg simulierten am Franz-Ludwig-Gymnasium die 11. Klassen die Arbeit des Europäischen Parlaments.
Von Ausschussarbeit bis Abstimmung im Parlament
Eine Mappe mit der Aufgabe liegt vor den Schülern, dazu eine Begriffserklärung zur Europäischen Verteidigungsagentur oder der Rüstungskontrolle. Die nächste Seite gibt einen Überblick über die einzelnen Fraktionen im Europäischen Parlament: von der EVP, der S&D bis zu Renew. Dann noch die eigentliche Aufgabe, die auf die Schüler heute zukommt: Sie sollen als Europaabgeordneter oder als Europaabgeordnete einer bestimmten Partei aus einem bestimmten Land zur "Einführung einer Europäischen Armee" Stellung beziehen und eine Vorlage als Fraktion für das Parlament erarbeiten. Dabei lernen sie in einzelnen Gruppen nicht nur die Ansichten der jeweiligen Parteien dazu kennen, sondern sie müssen auch die Besonderheiten ihres speziellen Landes berücksichtigen, beispielsweise, ob es eine Wehrpflicht gibt oder wie hoch aktuell die Militärausgaben sind. Der schwierigste Punkt: sich mit anderen Parteien der Fraktion auf ein Papier einigen.
Schüler als Parlamentsmitglieder
Erstaunlich schnell arbeiten sich die 17-Jährigen in die Materie ein. Begleitet werden sie dabei von Mitgliedern der Jungen Europäischen Föderalisten Bayern (JEF Bayern), die diese Planspiele in vielen Schulen bereits abgehalten haben: ein transnationaler überparteilicher Jugendverband, der sich für den Austausch und die Zusammenarbeit in Europa einsetzt. Er ist unter anderem in Frankreich und Österreich in der Bildungspolitik aktiv. So findet einmal im Jahr eine Simulation des Europäischen Parlaments im Bayerischen Landtag statt. Angesichts der diesjährigen Europawahl wird das Projekt auf bayerische Schulen ausgeweitet. Und deshalb schlüpfen auch am Bamberger Franz-Ludwig-Gymnasium die Elftklässler in die Rolle von MdEPs.
Ganz neue Einblicke
Auch David Hümmer wird in diesem Jahr zum ersten Mal zur Wahlurne gehen. Welcher Partei er sein Kreuz gibt, weiß er noch nicht. Einmal Einblick in die Arbeit eines Parlamentariers durch diese Simulation zu bekommen, ist für ihn interessant. Er ist, wie viele in seinem Jahrgang, ein Befürworter der Wahl ab 16 Jahren, denn durch die demografische Veränderung sei es sinnvoll, dass auch jüngere Leute wählen dürften, argumentiert David. Insgesamt sei für ihn die Europawahl wichtig: "Es ist eben das große europäische Projekt. Ich sehe darin einen sehr großen Nutzen für uns als Nation, aber es ist auch international wichtig".
Jonah Diller findet es schon schwieriger, in seine Rolle zu schlüpfen, denn er soll einen Vertreter der ID Group mimen. Die Identität und Demokratie (ID) ist eine Fraktion rechtspopulistischer, nationalistischer und rechtsextremer Parteien. Jonah muss sich jetzt nicht nur intensiver mit dem Programm der Partei auseinandersetzen, er soll anschließend mit den vielen Vertretern in seiner Fraktion auf einen Nenner kommen. "Also in unserer Gruppe, mit all den Parteien und auch Ländervertretern, ist es schwierig, sich auf eine gemeinsame Ansicht zu einigen, denn jeder will ja das Beste auch für sein eigenes Land. Ich hätte nicht gedacht, dass das alles so komplex ist."
Auch Jonah gibt im Juni erstmals seine Stimme ab. Ihm hat der Wahl-O-Mat viel geholfen. "Da kann man sich anmelden und die Fragen beantworten, dann wird einem eine Partei vorgeschlagen und da kann man sich dann weiter informieren, ob es wirklich die richtige ist. Und auch im Unterricht behandeln wir Europa ausgiebig, damit man sich eine Meinung bilden kann."
Viele Schüler gut informiert
Antonia Dambach von den Jungen Europäischen Föderalisten ist schon seit einiger Zeit dabei und begleitet Schüler bei dieser Simulation des Europäischen Parlaments. In diesem Jahr, so meint sie, sei in den Schulen zu beobachten, dass viel über Europa erzählt wurde und dass die Schüler und Schülerinnen sehr interessiert am Thema seien. "Vieles müssen wir auch gar nicht mehr erklären und die Motivation, mehr darüber zu erfahren, ist unglaublich hoch", erzählt Antonia. "Von uns studieren die meisten ja noch und sind ein paar Jahre älter. Wenn wir auf unsere Schulzeit zurückblicken, dann war da noch sehr, sehr wenig zum Thema Europa zu hören. Inzwischen haben wir das Gefühl, dass die Schülerinnen und Schüler schon politischer sind und auch viel mehr damit konfrontiert werden, beispielsweise im Unterricht."
Pro und Contra Wahlberechtigung mit 16 Jahren
Nicht nur in Deutschland wurde die Wahlberechtigung vom 18. auf das 16. Lebensjahr abgesenkt. Auch in Belgien, Malta und Österreich dürfen Jugendliche wählen. In Griechenland muss man 17 Jahre, in den übrigen Mitgliedstaaten 18 Jahre alt sein. Wählen dürfen ab diesem Mindestalter nicht nur Deutsche, sondern auch Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten, die sich in Deutschland aufhalten. Erstmals werden damit über eine Million neue Wähler hinzukommen. Selbst für das Europaparlament kandidieren kann man ab dem vollendeten 18. Lebensjahr.
Dass auch 16-Jährige an die Wahlurne dürfen, ist nicht neu. Das Wahlrecht ab 16 bei Landtagswahlen führten Berlin im vergangenen Jahr ein, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern bereits 2022. Inzwischen sind es mit Schleswig-Holstein sowie den Vorreitern Bremen, Hamburg und Brandenburg sieben Länder, in denen Jugendliche die Länderparlamente wählen dürfen. In Nordrhein-Westfalen steht die Absenkung im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien.
Befürworter eines abgesenkten Wahlalters nennen neben der besseren demokratischen Teilhabe junger Menschen insbesondere den demografischen Wandel als Grund. Gegner argumentieren, Jugendliche hätten nicht das Wissen und die Reife, um Wahlentscheidungen zu treffen.
Insgesamt 96 Abgeordnete aus Deutschland können ins Europäische Parlament einziehen. Um diese Sitze bewerben sich 1.413 Kandidatinnen und Kandidaten.
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