Mehr als 600 Landwirte haben gestern in ganz Bayern gegen den Abschluss des Mercosur-Freihandelsabkommens der EU mit Staaten in Südamerika demonstriert. Zu den Protesten aufgerufen haben Claus Hochrein, erster Vorsitzenden des Vereins Landwirtschaft schafft Verbindung Bayern (LSV), und der Bayerischen Bauernverband (BBV).
Grund für die Aufregung: Während die Landwirte sich hierzulande an die hohen Tierwohl- und Umweltstandards der EU halten müssen, gelten diese nicht für Importe aus den Mercosur-Staaten (Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay, Uruguay). Das sei nicht nur schlecht für den Verbraucher, sondern die EU mache sich auch unglaubwürdig, wenn sie mit zweierlei Maß messe, kritisieren die Bauern.
Bauern fürchten billiges Rindfleisch aus Argentinien
Beispielsweise erlaubt das Abkommen den Import von 99.000 Tonnen Rindfleisch zu einem günstigen Zoll aus Südamerika. Vor allem hochwertigere Stücke vom Rind wie etwa Roastbeef oder Lende könnten dann deutlich billiger angeboten werden als das Erzeuger hierzulande könnten, befürchtet Michael Heubeck.
Der Landwirt hat seinen Hof in Herzogenaurach vor fünf Jahren auf hohe Tierwohlstandards umgebaut. Die 200 Mastrinder stehen nun in einem hellen, luftigen Stall, haben viel Platz und bekommen selbst angebautes Futter. "Wir verkaufen das ganze Tier, dazu braucht man einfach einen guten Preis für das Roastbeef und die Lende, damit das hochwertige Fleisch den Bullenpreis nach oben bringt", erklärt Heubeck. Ansonsten würde es schwierig – "auch mit den ganzen Investitionen, wie wir hier hatten".
Niedrige Standards für Verbraucher nicht zu erkennen
In Europa sind beispielsweise viele Arznei- und Pflanzenschutzmittel nicht mehr erlaubt, die in Südamerika zugelassen sind und dann auch in den Produkten landen. So sei das Pestizid Atrazin, das seit 1991 in Deutschland verboten ist, in den Mercosur-Staaten noch erlaubt. Da es keine Kennzeichnungspflicht gibt, wisse der Verbraucher nicht, was in verarbeiteten Produkten enthalten sei und was er da eigentlich einkaufe, sagen die Landwirte. Sie fordern, dass für die Importe die gleichen Standards gelten müssen wie für die heimische Erzeugung.
Ökonomen befürworten das Abkommen
Doch aus der Sicht von Ökonomen wie der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm bringt das Mercosur-Abkommen viele Vorteile, denn es wäre das größte Freihandelsabkommen der Welt. Rund 780 Millionen Menschen könnten dann von günstigeren Waren und Dienstleistungen profitieren, und auch für die deutsche Exportwirtschaft sei es absolut notwendig.
Zudem warnt die Wirtschaftsweise: "Die große Problematik ist, dass die autokratischen Staaten durch vielfältige Abkommen, die sie schließen, immer stärker werden und immer größere Wirtschaftsmächte werden und wir zurückfallen, wenn wir uns dem nicht entgegenstellen als Gemeinschaft der demokratischen Staaten."
Proteste in ganz Europa
Während sich die Proteste in Bayern auf Schlepperkorsos und Mahnwachen beschränkten, haben die französischen Bauern bereits in der vergangenen Woche landesweit Gülle und Mist auf Straßen und vor Rathäuser gekippt. Sie blockierten wichtige Autobahnverbindungen zwischen Spanien und Frankreich und den Hafen von Bordeaux. Am Montag wurde auch die Europabrücke zwischen Frankreich und Deutschland bei Kehl blockiert.
Die Bauern befürchten, dass der Handelsteil vom politischen Teil abgespalten werden könnte und damit mit qualifizierter Mehrheit in der EU in Kraft treten könnte. Der Bayerische Bauernverband lehnt einen solchen "Taschenspielertrick" ab und fordert, dass das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente in die Ratifizierung eingebunden bleiben müssen.
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