Den Krankenhäusern im Freistaat steht das Wasser bis zum Hals. Über die desaströse Lage haben am Dienstagabend in Würzburg die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) und die unterfränkischen Kliniken informiert. Zum Jahresende schließen 80 Prozent der Kliniken in Bayern mit Defiziten ab, heißt es von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Sie fordert deshalb ein Vorschaltgesetz zur Krankenhausfinanzierung. Denn bis die geplante Krankenhausreform komme, sei es bereits zu spät, man verzeichne seit Jahren hohe Defizite.
Krankenhausträger müssen für Mehrkosten aufkommen
Immer häufiger müssten die Träger der Kliniken für die Mehrkosten aufkommen, um Defizite auszugleichen, also die Kommunen und frei-gemeinnützige Träger. Grund für die brisante Situation seien vor allem inflationsbedingte Kostensteigerungen – "gleichzeitig ist die Vergütung für Krankenhausleistungen seit 2022 nicht angehoben worden", kritisierte die BKG-Vorsitzende und Kitzingen-Landrätin Tamara Bischof (Freie Wähler). Nun sei der Bund, der zuständig ist für die Betriebskosten der Krankenhäuser, in der Pflicht, um die Ausgaben für Personal, Technik und medizinische Infrastruktur zu finanzieren.
Eduard Fuchshuber, Pressesprecher der BKG, veranschaulichte das Problem mit einem Beispiel: "Vor dem Krieg in der Ukraine kostete ein Skalpell etwa 90 Cent – jetzt liegt der Preis bei zehn Euro! Ansonsten sind alle medizinischen Produkte um etwa 20 Prozent teurer geworden. Das bekommen wir nicht refinanziert."
Krankenhausgesellschaft fordert Preiserhöhung bei Behandlungen
Die Krankenhausgesellschaft fordert daher, den Landesbasisfallwert – also quasi den Richtpreis für eine Behandlung – anzuheben. Der liegt derzeit bei 3.956 Euro im Schnitt. Die Kliniken fordern eine Erhöhung um vier Prozent für Bayern. Zur Einordnung: Die Inflationsrate in Bayern im Oktober 2023 lag laut Statistischem Landesamt bei 3,7 Prozent.
Wichtige Klinik-Projekte landen auf dem Wartegleis
Die Querfinanzierung, zu der die Kliniken gezwungen seien, führe dazu, dass andere Projekte zurückgestellt werden müssen. "Es kann doch nicht sein, dass man die Daseinsfürsorge gegeneinander ausspielt", sagte Jürgen Winter, Geschäftsführer des Leopoldina-Krankenhauses in Schweinfurt. Fragen seien deshalb etwa, ob eine Kita gebaut werden könne, ob das Jugendzentrum weiterhin Zuschüsse bekommt oder ob Gelder in Krankenhäuser fließen.
Ganz konkret ist diese Finanzierungsnot jetzt bei der Stiftung Juliusspital und dem Klinikum Würzburg Mitte geworden: Der Bau des neuen Pflegeausbildungszentrums musste zurückgestellt werden. Oberpflegeamtsdirektor Walter Herberth: "Wir müssen die Finanzierung des Klinikums nach Kräften stützen. Sonst kommen wir in ernsthafte Probleme, das ist vorrangig. Wir können das Geld nur einmal ausgeben." Mühevoll erarbeitete Rücklagen der Stiftung würden durch die politisch verursachten Verluste der Klinik in kürzester Zeit aufgebraucht und fehlen für die Weiterentwicklung der Stiftungsaufgaben. Das schade am Ende der Gesundheitsversorgung in der Region und damit den Menschen.
Ordensgeführte Kliniken stehen vor Übernahme
Wie dringlich die aktuelle Situation der Krankenhäuser ist, zeigt auch das Beispiel der Theresienklinik Würzburg und des Krankenhauses St. Josef in Schweinfurt. Für beide Krankenhäuser, die seit Jahrzehnten unter der Trägerschaft der Kongregation der Schwestern des Erlösers stehen, sieht der Orden in alleiniger Trägerschaft derzeit keine Zukunft. Im Fall der Theresienklinik ist aktuell eine strategische Kooperation mit dem Klinikum Würzburg Mitte in Arbeit. Im Fall des Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt läuft derzeit die Prüfung einer möglichen Übergabe an das Leopoldina-Krankenhaus.
"Wir haben uns die Entscheidungen für unsere Krankenhäuser wahrlich nicht leichtgemacht. Es ist aber absehbar für uns nicht möglich, diese selbständig in eine gute Zukunft zu führen. Wir bedauern das sehr, da die Krankenversorgung ein wichtiges Element unseres Fürsorgeauftrages war. Für uns steht derzeit im Vordergrund, solide und gute Partner zu finden, in deren Händen unsere Häuser und vor allem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weiterhin Teil der Versorgung von kranken Menschen sein können", so Martin Stapper, Geschäftsführer der Kongregation.
Zusätzliche Fördermittel vom Freistaat
Wie das Bayerische Gesundheitsministerium mitteilt, bekommen mehr als 30 Krankenhäuser in Bayern zusätzliche Fördermittel. Dazu gehören auch zwei aus Unterfranken: die Klinik Kitzinger Land und das Bezirkskrankenhaus in Lohr am Main. So werde in Kitzingen die Förderrate für den zweiten Bauabschnitt erhöht – um gut 1,6 Millionen Euro auf jetzt 4,6 Millionen Euro. Nicht ganz so deutlich fällt die Erhöhung in Lohr aus: Der erste Bauabschnitt am Bezirkskrankenhaus wird jetzt mit 2,23 Millionen Euro gefördert. Das sind rund 170.000 Euro mehr als zunächst geplant.
Das Geld haben Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach und Bayerns Finanzminister Albert Füracker im Rahmen der Fortschreibung des Jahreskrankenhausprogramms 2023 freigegeben. Dabei werden nicht abgerufene Fördermittel in Höhe von rund 43 Millionen Euro auf 31 laufende Krankenhausbauprojekte in ganz Bayern mit angemeldetem Mittelmehrbedarf umgeschichtet, heißt es in der Mitteilung.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!