Das Ampel-Aus hat Konsequenzen in der Sozialpolitik: Die Wohngelderhöhung zum Jahreswechsel ist zwar sicher und auch das Bürgergeld, das aber nicht erhöht wird. Die Zukunft des Deutschlandtickets ist dagegen unsicher. Gefährdet erscheinen viele soziale Projekte, die vom Bund bezuschusst werden.
Sozialleistungen vom Grundsatz her garantiert, aber keine Projekte
An etlichen sozialen Projekten hängen Beschäftigungsverhältnisse wie Sozialarbeiter, die nun um ihre Arbeitsplätze bangen. Die Projekte könnten im politischen Streit nach dem Bruch der Ampelkoalition jetzt untergehen. Manche auch erst 2025, wenn der Staat bis zur Neuwahl des Bundestags vorerst nur das Notwendigste weiterfinanzieren darf.
Wenn die rot-grüne Minderheitsregierung den Etat nicht mithilfe der Opposition durchbringt, beginnt das neue Jahr mit einer vorläufigen Haushaltsführung.
Zahlreiche Fördertöpfe könnten bald leer sein – auch wenn Habeck widerspricht
Pflichtleistungen wie Arbeitslosen- und Bürgergeld werden dann weiter ausgezahlt. Anders sieht es aus bei Förderungen wie für Wohnungsbau und Wärmepumpen. Diese könnten zumindest ausgesetzt werden, falls der Staat dafür neue Schulden machen müsste, was er in einer solchen Situation nicht darf. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck schloss das in der ZDF-Sendung Markus Lanz aus: Für die laufende Förderung sei vorgesorgt.
Keine Förderung für E-Autos und mögliche Verzögerungen am Bau
Eine neue Förderung wie für Elektroautos könne es dagegen zurzeit nicht mehr geben, sagte Habeck zur angespannten Haushaltslage. Experten gehen davon aus, dass auch öffentliche Bauten wie Brücken oder andere Infrastrukturprojekte zum Erliegen kommen, wenn der nächste Bauabschnitt noch nicht genehmigt ist.
Noch für 2024 Einigung auf einen Nachtragshaushalt notwendig
Der Bruch der Ampelkoalition hat zur Folge, dass es weder einen Nachtragshaushalt für 2024 noch einen neuen Etat für 2025 gibt. Ein Nachtragshaushalt könnte nur bis zum Ende des laufenden Jahres beschlossen werden. Margit Berndl vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bayern erwartet dennoch, "dass die Politik die Lösung der wichtigen, aber bislang durch parteipolitische Streitereien blockierten Zukunftsaufgaben in Angriff nimmt wie die Sicherung der Renten, die Bekämpfung der Kinder- und Altersarmut oder die sozial-ökologische Klimawende."
Zahlreiche Kompromisse müssten bis Jahresende gefunden werden
Aktuell sei es so, dass ohne Haushalt 2025 die Träger der sozialen Einrichtungen, die vom Bund gefördert werden, nicht wissen, wie es finanziell im kommenden Jahr für sie weitergehe, ergänzt Berndl vom Paritätischen gegenüber BR24. Betroffen seien zum Beispiel Freiwilligendienste oder die Jugend- und Migrationsberatung.
Wenig Chancen für Rentenreform und neue private Altersvorsorge
Die FDP blockierte bereits, als sie noch Teil der Ampelkoalition war, das sogenannte Rentenpaket II, das eine langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus vorsah. Im Gegenzug sollte es eine Reform der privaten Altersvorsorge geben, mit einem geförderten Vorsorgedepot ab 2026. Beides wird in dieser Form wohl nicht kommen.
Kindergrundsicherung, Familienzeit und Freibeträge
Auszuschließen sind die Pläne für eine reformierte Kindergrundsicherung. Diese war immer schon umstritten. Neue EU-Regeln sehen außerdem eine Familienzeit mit zwei Wochen bezahltem Sonderurlaub für Väter vor oder nach der Geburt eines Kindes vor. Die Ampelkoalition war sich aber uneinig darüber, wie sie das bezahlen soll.
Gute Chancen geben Beobachter dem Gesetz gegen die kalte Steuerprogression mit steigenden Freibeträgen. Zudem könnte das Kindergeld auf 255 Euro steigen und einen höheren "Kindersofortzuschlag" für Geringverdienende enthalten.
VdK sieht ohne FDP mehr Möglichkeiten für Pflege und Behinderte
Verena Bentele, VdK-Präsidentin und Landesvorsitzende des VdK Bayern, sieht ohne FDP die Regierung "in konstruktiver Zusammenarbeit mit der Opposition gefordert", für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Neben der Stabilisierung des Rentenniveaus geht es Bentele um eine Pflegereform mit Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige.
Zudem steht die Krankenhausreform an und eine Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes: "Es kann nicht sein, dass besonders diejenigen unter dem Zusammenbrechen der Ampel leiden, die es ohnehin schon schwer haben", sagte die Chefin des Sozialverbands gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.
Im Video: Nach dem Ampel-Aus - Wie geht es in Deutschland weiter?
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