"Neue Energie für Bayern" steht beim Parteitag der Landes-FDP fast überall: auf hunderten verteilten Energydrink-Dosen, auf einem großen Banner im Foyer - und nicht zuletzt riesig auf der Rednerbühne. Um Energiepolitik soll es gehen an diesem Wochenende, auch um Schwung für die Landtagswahl in eineinhalb Jahren. Davor aber geht es um den Krieg.
Denn auf der Bühne spricht an diesem Mittag Yuriy Yarmilko, Generalkonsul der Ukraine in München. Yarmilko redet über den russischen Angriffskrieg auf sein Land - "nicht provoziert, unmenschlich, brutal". Er lobt die FDP, die konsequent die Unabhängigkeit der Ukraine und ihren europäischen Weg unterstützt habe. "Wenn die Ukraine diesen Krieg verliert, werden russische Panzer schon sehr bald auch vor Ihren Haustüren stehen", warnt der Generalkonsul die Menschen in Deutschland. Und ergänzt: Ein Öl- und Gas-Embargo wäre die richtige Antwort auf Russlands Krieg, "egal wie hoch der Preis wäre". Applaus.
Hagen: FDP "technologieoffen" - auch für Atomenergie
Spätestens da ist klar, dass alles zusammenhängt, bei diesem Parteitag und überhaupt: die deutsche Energieversorgung und der russische Angriffskrieg zwei Flugstunden entfernt.
Vor Yarmilkos Auftritt hat der bayerische FDP-Landeschef Martin Hagen in seiner Rede betont, Deutschland habe sich in den vergangenen Jahren in Sachen Energie zu abhängig von einzelnen autokratischen Systemen gemacht. Man müsse deshalb Bremsen lösen, die derzeit den Ausbau erneuerbarer Energien blockierten - und in Bayern die starre 10H-Regel für neue Windräder reformieren.
Andere FDP-Forderungen werden nicht in Bayern, sondern im Bund entschieden - etwa Hagens Ansinnen, für deutlich günstigeren Strom staatliche Abgaben und Steuern radikal zu reduzieren. Auch aus heutiger Sicht eher kühne Überlegungen schließt der Landesvorsitzende nicht aus, zum Beispiel eine "Wasserstoffpipeline von Portugal nach Bayern". Vor allem aber dürften Hagen und die Liberalen an diesem Wochenende die Tür zur Atomkraft wieder ein Stück weit öffnen - wie zuletzt auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
- Zum Artikel: Länger Atomkraft - Geht das und was bringt es?
"Nicht aus ideologischen Gründen bleiben lassen"
Schon zum Auftakt des Parteitags werben einige junge Teilnehmer für die Atomenergie. Sie platzieren neben der Rednerbühne Aufsteller: Darauf steht "Kernkraft - eine Übergangslösung" oder "Kernkraft ist klimaneutral". Parteichef Hagen argumentiert nicht ganz so offensiv, aber in die gleiche Richtung: Man solle "technologieoffen" bleiben - und eine Rückkehr zur Kernkraft "unter bestimmten Bedingungen nicht aus ideologischen Gründen bleiben lassen". Schon vor der Aussprache zum Punkt Kernenergie ist also klar: Die FDP blinkt wieder Richtung Atomkraft - vielleicht zaghaft, vielleicht offensiv.
Welchen Anteil die Kernenergie bei der Energieversorgung genau leisten kann oder soll, beantwortet die FDP nicht - und verweist auf marktwirtschaftliche Mechanismen. Im Entwurf des Leitantrags heißt es: "Funktionierender Wettbewerb und Marktwirtschaft sichern eine klimaneutrale Zukunft zu möglichst geringen Kosten." Welche Technologien oder Energieträger kostengünstig und schnell den Umbau unseres Energiesystems herbeiführen, werde erst die Praxis zeigen.
Import-Stopp? Abhängigkeit soll "deutlich reduziert werden"
Bleibt die Frage nach einem sofortigen Import-Stopp für russisches Öl und Gas, den die Bundesregierung bisher ablehnt - im Gegensatz zu CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Bei der bayerischen FDP brandet Applaus auf, als der ukrainische Generalkonsul einen Stopp der Importe nach Europa fordert. Ein Antrag der Jungen Liberalen, der als Reaktion auf den Krieg ebenfalls ein Embargo fordert, kommt aber nicht zur Abstimmung.
Stattdessen einigen sich die FDP-Delegierten auf eine schwächere Formulierung: Die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von Erdgas und anderen russischen Rohstoffen soll "deutlich reduziert werden", um Russland ein wichtiges politisches Druckmittel aus der Hand zu nehmen. Bis Herbst 2022 soll es einen Plan geben, wie der Anteil von russischem Gas und Öl in Deutschland und Europa drastisch reduziert werden kann - "wenn möglich bis zu einer völligen Einstellung der Lieferungen aus Russland". Keine Rede also mehr von einem sofortigen Embargo.
FDP-Satzung ermöglicht künftig Doppelspitzen
Neu ist: Künftig sind in der FDP Doppelspitzen möglich - auf allen Ebenen der Partei in Bayern. 75 Prozent der Delegierten stimmen dafür. Allerdings bleibt die Einführung einer Doppelspitze freiwillig. Auch als Mittel der Frauenförderung ist die Reform höchstens indirekt gedacht. In der Begründung heißt es: "Es fällt immer schwerer, Personen zu finden, die sich für Führungsaufgaben gewinnen lassen und alleine Verantwortung für einen Verband oder eine Organisation übernehmen möchten."
Für die einzige Frau in der FDP-Landtagsfraktion, Julika Sandt, ist die Satzungsänderung trotzdem die Möglichkeit, künftig bei den Liberalen auch mehr Frauen in Verantwortung zu bringen. "Natürlich gibt es eine Chance, dass hier verstärkt Männer und Frauen gemeinsam nach außen treten", sagt sie am Rande des Parteitags auf BR24-Anfrage. Gemischte Teams seien erfolgreicher, "weil sie Dinge aus verschiedenen Perspektiven sehen und auch entsprechend handeln".
Corona-Lockerungen: Am Sonntag keine Maskenpflicht mehr
Am Sonntag setzt die Bayern-FDP ihren Parteitag im oberfränkischen Hirschaid fort. Dann wird eine unmittelbare Konsequenz der zuletzt auf Bundesebene FDP-geprägten Corona-Politik sichtbar: Im Saal wird generell keine Maskenpflicht mehr herrschen, auch Impf- oder Genesenen-Nachweis sind dann für den Zutritt zur Parteitagshalle nicht mehr nötig.
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