Berufsschullehrer Peter Holten steht vor der Klasse von angehenden Automobilkaufleuten am Beruflichen Schulzentrum I in Schwandorf. Gerade mal 13 Schüler sitzen in der Berufsschulklasse. Jeder der volljährigen Auszubildenden hier hat einen Laptop, mit dem er oder sie arbeiten kann. Zusammengenommen: ideale Lern- und Arbeitsbedingungen.
Trotzdem: Nur wenige wollen noch Berufsschullehrer werden. "Der Markt saugt uns gerade die weg, die bei uns Lehrkräfte sein könnten, aber auch in der Industrie stark nachgefragt werden", erklärt Holten die aktuelle Entwicklung. Wie auch er hätten viele vor dem Lehramtsstudium eine Ausbildung absolviert. "Ich könnte jetzt auch in der Personalabteilung eingesetzt werden und dort mehr Geld verdienen als jetzt."
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Wirtschaft greift Fachkräfte ab
Dass die freie Wirtschaft mehr zahlt als der Staat, ist für Pankraz Männlein nichts Neues. Der bayerische Landesvorsitzende des Verbandes der Lehrkräfte an Beruflichen Schulen (VLB) sieht aber ein großes Problem aufziehen: Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass es nun auch an denen fehlt, die die Fachkräfte ausbilden sollen: den Berufsschullehrern.
Vor allem für die Ausbildung von Informations- oder Elektrotechnikern, im Metallgewerbe oder bei den Gesundheits- und Pflegeberufen tun sich die Kultusministerien schwer, geeignetes Personal zu finden. Wenn überhaupt. Dazu kommt eine „prekäre Situation beim Nachwuchs“.
Eine Entwicklung, die auch die Lehrerbedarfsprognose des Bayerischen Kultusministeriums von 2022 bestätigt: In keiner anderen Schulart sind die Lehrer älter als 55 Jahre, verabschieden sich also in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand (4.960 von rund 18.000 Berufsschullehrern). In keiner anderen Schulart sind junge Lehrkräfte so unterrepräsentiert wie an den Beruflichen Schulen (3.430 Lehrer).
Vertretung in fremden Fachbereichen
Obwohl das Berufliche Schulzentrum I in Schwandorf vergleichsweise gut mit Lehrkräften ausgestattet sei, springt Peter Holten hin und wieder als Unterrichtsvertretung in Fachbereichen ein, in denen es aktuell an Fachlehrkräften mangelt. Seine Möglichkeiten sind im jeweiligen Fachbereich aber begrenzt.
So kann er die angehenden Elektrotechniker nur in allgemeinbildenden Fächern wie Deutsch oder Sozialkunde unterrichten. "Aber auch diese Stunden müssen abgedeckt werden. Jeder Schüler hat auch Deutschunterricht", sagt Holten. Für das eigentliche Fach hat er keine Lehrbefähigung. Seine Hilfe wird bei den Kollegen gerne angenommen. Wäre die Personaldecke dünner und Holten nicht da, müssten die Kollegen aus dem Fachbereich Elektrotechnik auch diese Fächer unterrichten. Oder einfach: Überstunden machen.
Keine volle Unterrichtsversorgung
Aktuell sei an den Berufsschulen zu 90 Prozent der Unterricht gewährleistet, bestätigt VLB-Vorsitzender Pankraz Männlein. Aber: Dieser auf den ersten Blick vielversprechende Durchschnittswert trügt, so der Verband. Erstens, weil einige Fachbereiche wie zum Beispiel die technischen Berufe stärker betroffen seien als zum Beispiel Fächer wie Deutsch und Wirtschaft. Zweitens, weil sich während des Schuljahres die Personallage weiter ausdünnt, unter anderem durch Krankheitsfälle.
Daher fordert der Berufsschullehrerverband eine Versorgung von 120 bis 130 Prozent, um den Unterricht zu gewährleisten. Dabei gehe es nicht nur darum, den Lehrplan zu erfüllen. Mehr Personal heißt auch mehr Zeit, die Lehrkräfte brauchen, um schnell auf neue Entwicklungen, Maschinen oder andere Bedürfnisse der Unternehmen reagieren zu können.
Auch Bildungsministerin sieht Handlungsbedarf
Moderner, digitaler, attraktiver müssen Berufsschulen werden, fordert Verbandsvorsitzender Männlein. Darin war er sich mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger einig, als sie am Donnerstag (13.07.) das Schulzentrum in Schwandorf besucht hat.
"Es ist in der Tat so, dass wir die Macher von morgen ja nicht in die Orte von gestern schicken können." Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung
Der Lehrerberuf müsse attraktiver gestalten werden, erklärte die Ministerin. "Vor allem müssen wir auch schauen, dass die Berufsbilder so flexibel sind, dass auch ein Wechsel zwischen den Bundesländern möglich ist", so Stark-Watzinger zum BR. Zudem müsse man Quereinsteigern den Weg einfacher machen.
Deutschland werde international beneidet um seine berufliche Bildung, betonte die Bundesbildungsministerin. Berufliche Ausbildungswege sollten in der Gesellschaft eine höhere Anerkennung bekommen, mahnte sie. "Ich kenne das aus meinem Kreis, dass Berufsschulen nicht immer ganz oben auf der Agenda waren. Das muss sich ändern."
Die Integration von Flüchtlingen als weitere Fachkräfte gelinge in den Betrieben vor Ort schon sehr gut. Dennoch seien auch die Schulen bei der Integration gefordert, so Stark-Watzinger, etwa durch Sprachunterricht. "Daher gilt es umso dringender, Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten und entsprechende Freiräume zu schaffen."
Ausstattung auf Industrieniveau
"Mindestens Industriestandard" bräuchten die Berufsschulen bei ihrer Ausstattung, stellt Pankraz Männlein vom Verband der Lehrkräfte an Beruflichen Schulen klar. Das sei auch für die Unternehmen wichtig, die Mitarbeiter haben wollen, die für aktuelle Herausforderungen gewappnet sind und nicht erst mit teuren Weiterbildungsmaßnahmen für den Job fit gemacht werden müssen.
Kontraproduktiv sei für den Verband dagegen, dass immer mehr Kompetenzzentren geschaffen werden. Auszubildende müssten für bestimme Berufe teils weite Wege in Kauf nehmen. Für die Unternehmen vor Ort sei das teils existenzgefährdend, so Männlein, da sie an ihrer Berufsschule vor Ort keine neuen Mitarbeiter mehr gewinnen können.
Gute Ausbildung = gute Fachkraft
Berufsschullehrer Peter Holten verabschiedet sich mit einem Lächeln von den Auszubildenden der Elektrotechnik. Er unterrichtet gerne junge Menschen und ist davon überzeugt: Sein Job ist wichtig. Denn an den Berufsschulen werden die Fachkräfte von morgen ausgebildet. Und die sind nötiger denn je.
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