Für Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist klar: Das Impfen muss in Bayern neue Fahrt aufnehmen. Zwar stehe der Freistaat derzeit mit einer Corona-Inzidenz von 7,3 noch sehr gut da, sagte Söder am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts. Die Tendenz sei steigend, vor allem wegen der ansteckenderen Delta-Variante des Virus. Niemand dürfe glauben, dass die Steigerung bei den Neuinfektionen weiter so langsam verlaufe wie in den vergangenen Tagen. Gleichzeitig gebe es "keinen Anlass zu Panik".
Söder sprach sich zwar erneut gegen eine allgemeine Impfpflicht aus. Allerdings will die Staatsregierung mit zusätzlichen Angeboten und Anreizen dafür sorgen, dass sich in Bayern mehr Menschen impfen lassen als bisher. "Impfen ist der Weg zur Freiheit", sagte Söder. Laut Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) "liegt es jetzt in der Hand von jedem".
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Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen bayerischen Impfkonzept:
Wo soll künftig in Bayern noch geimpft werden?
Im Impfzentrum, beim Arzt oder im Betrieb: Das waren bisher die Möglichkeiten, um in Bayern eine Corona-Impfung zu bekommen. Nun sollen nach dem Willen der Staatsregierung weitere, niederschwellige Möglichkeiten dazukommen. Söder zufolge soll es demnächst Impfangebote in Supermärkten und Einkaufszentren, Wirtshäusern, Restaurants, Fastfood-Lokalen, Sportvereinen, Schwimmbädern und Jugendzentren geben - "was nach der jeweils örtlichen Situation passt". Die Gespräche mit den Verbänden zur Ausgestaltung liefen bereits, beispielsweise mit dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga oder den Betreibern großer Einkaufszentren.
Auch in Moscheen und Kulturvereinen, Arbeitsämtern und Jobcentern soll geimpft werden. Zudem soll es laut Staatskanzlei vor Geschäften, auf Märkten oder bei Sportveranstaltungen bald Impfangebote geben. Darüber hinaus sind unter anderem Reihenimpfungen bei Studierenden angekündigt, genau wie Drive-In-Angebote in den Impfzentren. Einen besonderen Fokus will die Staatsregierung offenbar auf Familien legen. Die Impfzentren können künftig auch "Familiensonntage" für Eltern und Kinder ab zwölf Jahren anbieten. Das allerdings wirft weitere Fragen auf.
Was ist mit Impfungen bei Kindern ab 12 Jahren?
Kinder und Jugendliche sollen laut Söder in den nächsten Wochen verstärkt geimpft werden. Neben Impfangeboten in Jugendzentren und Sportvereinen soll es dem Ministerpräsidenten zufolge besagte "Familiensonntage" in den Impfzentren geben – speziell für Kinder ab 12 Jahren und deren Eltern. "Vielleicht mit einem kleinen Eis für die Jüngeren", schlug der CSU-Politiker vor. In ersten bayerischen Landkreisen gab es bereits Sonderimpfaktionen für Kinder und ihre Eltern.
Einmal mehr äußerte Söder die Hoffnung, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Meinung zur Impfung von 12 bis 17-Jährigen "weiterentwickelt". Das unabhängige Gremium hat bisher keine generelle Corona-Impfempfehlung für Kinder ab zwölf Jahren ausgesprochen. Es empfiehlt Impfungen nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen. Die Stiko begründet das unter anderem damit, dass das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung für diese Altersgruppe gering sei.
Für junge Menschen ohne Vorerkrankung ist eine Corona-Impfung aber "nach ärztlicher Aufklärung und bei individuellem Wunsch und Risikoakzeptanz" trotzdem möglich. Vergangene Woche wehrten sich mehrere Stiko-Mitglieder gegen eine Einmischung der Politik.
Wie soll das Impfen erleichtert werden?
Wer sich in einem Impfzentrum zum ersten Mal impfen lassen will, kann das nach Angaben Söders bald auch ohne Termin und ohne Registrierung vorab tun. Das Motto laute "Wer kommt, bekommt". Auch die sogenannte Wohnortbindung soll aufgehoben werden - laut Staatskanzlei kann man sich dann auch "stadt-, landkreis- und bundeslandübergreifend impfen lassen". Bei den Impfstoffen, die zweimal gespritzt werden müssen (in erster Linie also die Vakzine von Biontech und Moderna), ist es künftig zudem möglich, dass erste und zweite Impfung künftig von niedergelassenen Ärzten und Impfzentren in Kombination durchgeführt werden.
"Natürlich brauchen wir Mindestanforderungen an das Impfen", sagte Gesundheitsminister Holetschek. "Aber wir wollen das so eindampfen, dass es wirklich relativ simpel und einfach ist." Ein kurzes Beratungsgespräch vor Ort wird es aber laut Holetschek in jedem Fall weiterhin geben. Wer Fragen habe, könne natürlich nachfragen. "Aber ich glaube, wir haben sehr, sehr viele gut informierte Menschen im Moment - die vielleicht noch das ein oder andere zusätzlich wissen wollen, aber eine Grundinformation ist schon da."
Welche Anreize soll es fürs Impfen geben?
Nach langem Mauern in diesem Punkt stellte Söder heute die Öffnung von Bars und Diskotheken in Aussicht - ab Herbst und nur für vollständig Geimpfte. Der Ministerpräsident nannte eine weitere mögliche Erleichterung: Wer vollständigen Impfschutz hat, soll nach Reisen demnach nicht mehr in Quarantäne müssen. Schon jetzt muss man allerdings als Geimpfter nur noch bei der Einreise aus einem sogenannten Virusvarianten-Gebiet in Quarantäne.
Zudem sollen Geimpfte schon bald nicht mehr auf die erlaubte Zuschauerzahl bei Kultur- und Sportveranstaltungen angerechnet werden. Wer den vollen Impfschutz hat, könnte demnach auch dann noch Tickets für Veranstaltungen bekommen, die Nicht-Geimpfte nicht mehr besuchen können. Die genaue Umsetzung dieser Ankündigung ist aber noch unklar. Klar ist dagegen: Eine Geldprämie fürs Impfen ist nicht geplant. Der Anreiz für eine Impfung sei auch nicht "die Currywurst oder ein Glas Bier oder 100 Euro", betonte Söder. Stattdessen gehe es um den Anreiz für ein dauerhaft normaleres Leben.
Welche finanziellen Nachteile drohen Nicht-Geimpften?
Wer beispielsweise in den Urlaub fliegen möchte oder eine Großveranstaltung besuchen will, braucht einen negativen Corona-Tests, wenn er nicht genesen oder vollständig geimpft ist. Aktuell sind solche Tests für jeden kostenlos. Das könnte sich laut Söder im Herbst – wenn jeder ein Impfangebot bekommen hat – ändern.
Das Testen koste zum Teil "enorme Summen", argumentierte der Ministerpräsident. Man werde also wie Frankreich darüber nachdenken müssen, "ob die Tests komplett kostenlos bleiben können", wenn es die Möglichkeit zum Impfen gebe. Frankreich habe diesen Weg bereits beschritten – und nach der Ankündigung habe es fast eine Million Neuanmeldungen zur Corona-Impfung gegeben. "Vielleicht kann das helfen", sagte Söder. Bund und Länder müssten das noch diskutieren.
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Warum will Bayern neue Wege beim Impfen gehen?
Nach Einschätzung der Staatsregierung muss es in Bayern im Sommer weiter ein hohes Impftempo geben, um einer starke vierte Corona-Welle im Herbst vorzubeugen. Söder spricht von einem Wettlauf mit der Zeit. "Wenn wir jetzt so weiterimpfen würden, wie wir die letzten Wochen geimpft haben, hätten wir in 90 Tagen alle über 12 Jahren in Bayern geimpft", sagte er. Allerdings zeige sich aktuell ein deutlich nachlassendes Interesse an Impfungen, zugleich nehme die Zahl der Termin-Absagen zu – in den vergangenen Wochen seien es etwa 100.000 Absagen gewesen. Über Monate sei die Nachfrage nach Impfstoff sehr groß gewesen, jetzt gebe es eine "Nachfrage nach Impfwilligen", betonte Söder.
Aktuell seien 56 Prozent der Menschen in Bayern einmal und mehr als 41 Prozent zweimal geimpft. Das bedeutet dem Ministerpräsidenten zufolge im Umkehrschluss, dass noch rund 60 Prozent der Menschen im Freistaat "ungeschützt" seien. Vor allem von den Jüngeren seien bisher nur wenige geimpft. Ziel der Staatsregierung sei daher, die Impfquote zu erhöhen – vor allem bei den 16- bis 30-Jährigen.
Was sagt die Opposition?
Die Landtags-AfD sieht Söders Ankündigungen sehr kritisch. Es laufe auf eine "faktische Impfpflicht" hinaus, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Andreas Winhart. "Nur wer sich zum Versuchskaninchen für neuartige Impfstoffe erniedrigen lässt, bekommt dafür einige frühere Grundrechte als Privilegien zurück." Selbst vor einer Kinder-Impfung schreck Söder nicht zurück - "entgegen dem ausdrücklichen Rat der Stiko".
Bei der bayerischen FDP stößt die angekündigte Ausweitung des Impfangebots dagegen auf Zustimmung. "Terminfreie Impfungen und spezielle Angebote an Sonntagen fordern wir bereits seit Tagen", twitterte der FDP-Landesvorsitzende Daniel Föst. "Wir brauchen mehr Tempo beim Impfen!"
Die SPD-Landtagsfraktion legte einen eigenen Fünf-Punkte-Plan vor, wie niedrigschwellige Impfangebote geschaffen werden können. Alle Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren müssten bis Ende des Sommerferien ein Angebot zur vollständigen Impfung erhalten haben. Auch Menschen mit geringem Einkommen seien bisher vergleichsweise wenig geimpft. "Diese Menschen müssen wir jetzt auch erreichen", betonte SPD-Fraktionschef Florian von Brunn.
Die Grünen-Gesundheitsexpertin Christina Haubrich kritisierte Söders Aussage, dass Corona-Tests kostenpflichtig werden könnten: "Die Bereitstellung von kostenlosen Tests hat nicht mit Großzügigkeit zu tun, sondern ist wichtig, um auch asymptomatische Infektionen zu entdecken und Ansteckungen zu vermeiden", twitterte sie. Bei BR24live betonte sie: "Jetzt schon über Sanktionen zu reden, das ist definitiv zu früh!"
"Impfen to go"? Das BR24live zur Sitzung des bayerischen Kabinetts am 13.07.21 zum Nachschauen:
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