Freitagsgebet beim deutschsprachigen Muslimkreis in Weiden: Über 150 Gläubige aus mehr als 40 Ländern haben sich in einem Rückgebäude in einem Hinterhof zusammengefunden. Sie beten und hören die Predigt von Imam Maher Khedr. Er spricht dabei arabisch und deutsch.
Imam ist als Berater und Seelsorger gefragt
Anschließend steht der 56-Jährige in seinem schlichten Büro für vertrauliche Gespräche zur Verfügung. Und dabei geht es um ganz vielfältige Fragen: Wie wird bei der Bundestagswahl gewählt? Darf ich in einer Großküche arbeiten, in der auch Schweinefleisch verarbeitet wird? Wie komme ich an einen Ausbildungsplatz?
Nicht nur seine Gläubigen suchen Informationen und Aufklärungen. Am Wochenende hat der Imam öfter auch christliche Rentner vor sich sitzen, die stundenlang mit ihm über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Christentum und Islam diskutieren wollen.
Akademisch ausgebildeter Imam, nur ehrenamtliche Tätigkeit
Maher Khedr stammt aus Ägypten und lebt seit über 25 Jahren mit seiner Familie in Deutschland. Er ist einer der ersten Absolventen des Osnabrücker Islamkollegs. Hier hat er vor eineinhalb Jahren sein Zeugnis bekommen als auch in Deutschland ausgebildeter Imam.
Sein Geld allerdings hat er bislang als Fertigungsleiter in einem Oberpfälzer Industriebetrieb verdient. Die Stelle musste der 56-Jährige aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Nun fragt er sich, warum er nicht von seiner langjährigen akademischen Ausbildung zum Imam leben kann. Sein Engagement ist ehrenamtlich. Der deutschsprachige Muslimkreis in Weiden finanziert sich aus geringen Mitgliedsbeiträgen und Spenden, die gerade für die Miete der Gemeinderäume reichen. Dennoch ist Maher Khedr tagtäglich als Imam gefragt.
Viele unbezahlte Aufgaben, Aufklärung tut not
Eine Mail ist bei ihm angekommen: Eine Studentin aus Regensburg bittet um Informationen rund um das Thema Ehrenmorde. "Eine Kernfrage, die die Gesellschaft stört", sagt Maher Khedr. Die moderne deutsche Gesellschaft brauche Antworten darauf. Er sieht die Gefahr: Wenn er als ausgebildeter Imam diese Antworten nicht gibt, sucht die Studentin möglicherweise im Internet und stößt auf extreme Ansichten.
So geschehen in einer anderen Weidener Moschee, wie Maher Khedr erzählt. Ein junger Prediger habe sich im Herbst 2023 aus dem Internet Texte geholt und sie beim Gebet vorgetragen. Inzwischen ist der Mann wegen Volksverhetzung verurteilt worden. "Deshalb wäre es für die Gesellschaft wichtig, wenn ein ausgebildeter Imam solche Fragen auch theologisch beantworten kann", sagt Maher Khedr und wird der Studentin bald eine Antwort zukommen lassen.
20 Prozent Seelsorge, 80 Prozent Aufklärung und Information
Etwa 20 Prozent seiner Arbeit besteht aus Seelsorge und rein religiöser Arbeit, rund 80 Prozent wendet er auf für Aufklärung und Information über politische Bildung, gesellschaftliche Teilhabe, Jugendarbeit, soziale Arbeit oder auch Gemeindepädagogik.
Bezahlt bekommt er das nicht. Da sieht er Kommunen und den Staat in der Pflicht. Er wünscht sich, dass "Deutschland sagt, jawoll wir erkennen euch an. Es gibt einen von uns ausgebildeten Imam, der kann für euch präsent sein." Darin sieht der 56-Jährige eine "Beruhigung und Bereicherung für die ganze Gesellschaft", wenn der Islam genauso sichtbar gemacht werde wie das Christentum oder das Judentum.
Gemeinsames Projekt gegen Antisemitismus
Auf dem Schreibtisch des Weidener Imams liegt noch seine Rede, die er beim Gedenken an die Reichspogromnacht in Weiden gehalten hat. In Amberg betreut er zusammen mit dem Rabbiner ein Präventionsprojekt für Jugendliche gegen Antisemitismus. Und beim interreligiösen Gesprächskreis in Weiden ist er regelmäßig bei den Treffen dabei und Ansprechpartner und Schnittstelle. Nur leben kann er davon nicht.
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