Durch den Kuppelsaal der Staatskanzlei hallt ein Loblied. Ministerpräsident Markus Söder preist seine Vorgänger. Seinen Ziehvater Edmund Stoiber, der Bayern "mit an die Spitze gebracht" habe. Sein Idol Franz Josef Strauß, "das große Kraftwerk".
Soweit, so bekannt. Schon interessanter: Alfons Goppel, Regierungschef von 1962 bis 1978 und damit der mit der längsten Amtszeit, habe die Grundlage gelegt "für das, was wir heute als modernes Bayern kennen", sagt Söder.
Söder über Seehofer: "Sehr, sehr gut gelungen"
Und dann kommt's: Horst Seehofer habe Bayern "gut stabilisiert" in problematischer Zeit. Als Seehofer in die Staatskanzlei zog, 2008, herrschte allgemeine Verunsicherung: Die CSU litt unter dramatischen Stimmverlusten, musste erstmals überhaupt in eine Koalition. Bayern kämpfte mit Landesbank-Debakel und Eurokrise. Das Krisenmanagement sei Seehofer damals "sehr, sehr gut gelungen". Dieses Lob Söders für den Mann, der ihn als Nachfolger gern verhindert hätte, ist zumindest ungewöhnlich.
Auch Eisner fehlt nicht
Anlass des Loblieds ist ein neues Buch, das Söder als "historisch sehr wichtiges Werk" bezeichnet: "Die bayerischen Ministerpräsidenten 1918 - 2018". Porträtiert werden wirklich alle, auch Kurt Eisner, Mitglied der SPD-Abspaltung USPD, Gründer des Freistaats Bayern, dessen erster Ministerpräsident und heute gern mal vergessen: Beim Festakt zum hundertjährigen Bestehen des Freistaats 2018 erwähnte Söder Eisner mit keinem Wort. Für die Herausgeber war das keine Option: "Natürlich" enthalte das Buch auch ein Eisner-Porträt, sagt Christof Botzenhart. Der Revolutionär habe mit seinem Kabinett "auf jede Form von sozialistischen Experimenten verzichtet", steht im Porträt, und er habe alles getan, um "die konsequente Demokratisierung von Staat und Gesellschaft in die Wege zu leiten". Söder warnt in seiner Rede davor, Eisners Rolle für Bayern zu unterschätzen.
Erster Porträt-Sammelband der Bayern-MPs
Das Buch (Verlag Friedrich Pustet, 38 Euro) ist die erste Gesamtdarstellung über Bayerns Regierungschefs. Laut Söder enthält es "neue Dinge, die Sie schon immer geahnt oder befürchtet haben". Zeit wird's, immerhin sieht sich Bayern generell ja mindestens auf Augenhöhe mit dem Bund, und über die deutschen Kanzler gibt es schon manchen Sammelband. Insofern schließt die neue Porträtsammlung eine Lücke im bayerischen Selbstverständnis.
Söder: Streibl-Sohn "in der falschen Partei"
Zur Buchvorstellung in der Staatskanzlei sind laut Söder Urenkel von Wilhelm Hoegner gekommen, Söhne von Alfons Goppel, Kinder von Strauß. Und ein Sohn von Max Streibl (Ministerpräsident von 1988 bis 1993), Florian, der als "Fraktionsvorsitzender ein bisschen verwirrt, weil in der falschen Partei" sei. Darüber lacht der Freie Wähler Florian Streibl mit dem ganzen Saal.
Theo Waigel hat das Buch bereits gelesen und auf Seite 212 einen Fehler entdeckt: Stellvertreter des Ministerpräsidenten Hoegner sei nicht etwa Innenminister August Geislhöringer gewesen. Sondern Landwirtschaftsminister Joseph Baumgartner. Der Autor, Hermann Rumschöttel, nahm den Hinweis laut Waigel mit Humor.
Stoiber: Alles "komplexer"
Und was hat sich geändert im Lauf der Zeit? Edmund Stoiber sagt, seit seinem Abschied aus der Staatskanzlei 2007 sei alles "komplexer" geworden. Laut Rainald Becker, Professor für Bayerische Landesgeschichte an der Uni Augsburg und ebenfalls Herausgeber des Buches, hat sich die Wahrnehmung der bayerischen Ministerpräsidenten über die Jahrzehnte hinweg verstärkt.
Dieser Trend dürfte mit dem aktuellen Amtsinhaber einen Höhepunkt erreicht haben. Alle Ansätze, seine Minister wahrnehmbarer zu machen, blieben bei Söder eben das: Ansätze. Was Markus Söder sich für sein eigenes historisches Porträt vorstellt, wird auch jetzt wieder klar: Zwar seien bayerische Ministerpräsidenten "grundsätzlich ausbefördert". Aber "Ausnahmen sind denkbar".
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