Der geplante Windpark im bayerischen Chemiedreieck soll der größte in ganz Bayern werden. Mit Abstand. An die 40 Windräder mit einer Gesamtleistung von 288 Megawatt sind im Altöttinger und Burghauser Staatsforst vorgesehen. Zwar gibt es vergleichbare Projekte auch in Franken, die sollen jedoch um einiges kleiner ausfallen. Ein Windpark am Rennsteig in Oberfranken, der unter anderem helfen soll, den Energiebedarf der Glasindustrie im Frankenwald zu decken, soll 15 Windräder mit einer Leistung von 100 Megawatt umfassen. In der gleichen Dimension bewegt sich das Windparkprojekt Bildhäuser Forst in den unterfränkischen Landkreisen Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld. Es sind also durchaus mehrere Windparks in der Pipeline, die deutlich größer sind als bisher für Bayern üblich. Aber das Projekt im Chemiedreieck sticht heraus.
Franken hat schon viele Windräder, Südostbayern fast keine
Und zwar auch deshalb, weil es im Südosten Bayerns entstehen soll: einer Region, wo Windräder bisher sehr selten sind. Von den bisher errichteten Windkraftanlagen in Bayern stehen 70 Prozent in Franken, acht Prozent in Oberbayern und nur ein Prozent in Niederbayern. Diese sehr ungleiche Verteilung führt in der fränkischen Bevölkerung immer wieder zu Unmut. Sie zu verändern, ist erklärtes Ziel der bayerischen Staatsregierung. "Es muss regional fair, es muss regional ausgewogen sein", forderte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner Regierungserklärung kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine: "Wenn Wind, dann Wind für alle. Das müssen wir schaffen."
Staatsregierung will Windräder ausgewogen verteilen
Deshalb verfolgt Bayern den Grundsatz, dass künftig Vorranggebiete für Windkraft überall im Land in ähnlichem Umfang ausgewiesen werden sollen. 1,8 Prozent der Fläche als Windkraftgebiet - das ist als Ziel für ganz Bayern im Wind-an-Land-Gesetz der Bundesregierung vorgegeben. Und zumindest das Zwischenziel, 1,1 Prozent der Fläche bis 2027, muss jeder einzelne der 18 regionalen Planungsverbände im Freistaat schaffen. Auch Südostoberbayern.
Bürgerinitiative: Im Süden weht zu wenig Wind
Die Initiative "Gegenwind Altötting", die den Bürgerentscheid zum geplanten Windpark im Chemiedreieck initiiert hat, argumentiert indes, die Gegend sei für Windkraft nicht geeignet. "Wir sind ein ausgewiesenes Schwachwindgebiet", sagte ein Sprecher. Das deutsch-französische Unternehmen Qair, das den Windpark bauen will, verweist dagegen darauf, dass moderne Windräder eine Nabenhöhe von 200 Metern und größere Rotoren als früher haben und sich so auch bei geringeren Windgeschwindigkeiten rentieren.
Ein Blick in den bayerischen Windatlas bestätigt, dass der Wind im Südosten schwächer weht als in anderen Teilen Bayerns.
Grafik: Standortgüte für Windkraft in Bayern
Allerdings ist die sogenannte Standortgüte für Windräder auch nach Ansicht des Windkraftverbands BWE Bayern im Chemiedreieck trotzdem durchaus ausreichend, um Windräder rentabel zu betreiben.
Windstrom im Binnenland ist kostbarer als an der Küste
Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht einen Ausgleichsmechanismus vor, damit auch Windräder an windschwächeren Standorten im Binnenland bei Ausschreibungen eine Chance haben. Bis hinab zu einer rechnerischen Standortgüte von 50 Prozent bekommen Betreiber einen Preiszuschlag für den produzierten Windstrom. Das bedeutet zum Beispiel bei einem Zuschlagswert von 7 Cent pro Kilowattstunde, dass ein Windrad in Südbayern für 10,85 Cent einspeisen darf, ein Windrad an einem extrem windstarken Küstenstandort dagegen nur für 6,23 Cent.
Kurze Wege zu Stromverbrauchern sparen Leitungen
Auch diese Regelung soll dazu beitragen, dass Windkraftanlagen gleichmäßiger über das Land verteilt werden. Denn während einerseits der Strom selbst auf diese Weise teurer bezahlt werden muss, erspart sich Deutschland auf der anderen Seite Kosten für den Ausbau von Stromleitungen. Und für Ausgleichsmaßnahmen, die im Stromnetz nötig werden, wenn die Stromproduktion regional zu ungleichmäßig passiert. Idealerweise sollte die Stromproduktion nach Angaben der Netzbetreiber möglichst in der Nähe der großen Stromverbraucher geschehen, um das Netz möglichst wenig zu belasten.
Chemiedreieck braucht immens viel Strom
Und die Unternehmen im südostbayerischen Chemiedreieck gehören zu den größten Stromverbrauchern im Freistaat. Auf ihr Konto gehen allein acht Prozent des gesamten bayerischen Stromverbrauchs. Die Chemieindustrie hat deshalb schon lange für die Windkraft als günstigen Stromlieferanten geworben. Firmen wie Wacker Chemie stehen in der Region insgesamt für Zehntausende Arbeitsplätze. Immerhin ein Zehntel des nötigen Industriestroms im Chemiedreieck könnte aus dem geplanten großen Windpark kommen, rechnen sie vor. Die Bürgerinitiative "Gegenwind Altötting" bezweifelt dagegen, dass die Windräder so viel beitragen können.
Kleine Gemeinden entscheiden, nicht der gesamte Landkreis
Der geplante Windpark im Altöttinger und Burghauser Forst berührt die Gemeindegebiete von insgesamt sieben Kommunen. Ursprünglich wären es neun gewesen, aber in den Gemeinden Emmerting und Kastl stimmten die Gemeinderäte anders als in den übrigen schon zu Beginn nicht für das Projekt. Der Landkreis Altötting geht bei der Meinungsbildung über den geplanten Windpark einen anderen Weg als der Landkreis Ebersberg, der 2021 einen landkreisweiten Bürgerentscheid über geplante Windräder im Ebersberger Forst durchführte. Dabei fand sich damals eine 53-Prozent-Mehrheit für die Windkraft. Der Landkreis Altötting dagegen überlässt die Entscheidung den einzelnen Gemeinden. Auf diese Weise kann eine geringe Zahl von Stimmen den Ausschlag geben. In Mehring sind insgesamt 1.945 Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen, ein Großteil von ihnen wohnt in einem Ortsteil in unmittelbarer Nähe des Waldstücks, wo die Windräder geplant sind.
Was bei einer Ablehnung passiert
Die Bayerischen Staatsforsten und die Windkraftfirma Qair haben angekündigt, den Windpark unabhängig vom Votum in Mehring weiter voranzutreiben. Der Umfang müsste dann jedoch deutlich reduziert werden: Zehn der 40 Windräder stehen nach bisherigen Planungen auf Mehringer Gebiet. Möglicherweise könnten dem Bürgerentscheid in Mehring auch noch weitere folgen.
Im Video: Staatsregierung steuert bei der Energiewende um
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