Wie zwei aneinander vorbei reden können, das zeigen an diesem digitalen Aschermittwoch CSU-Chef Markus Söder und der bayerische FDP-Landeschef Daniel Föst. "Die FDP wäre immer der prioritäre Partner", betont Söder mit Blick auf die kommende Bundesregierung. Und ergänzt nur: "Wenn es reicht." Derweil präsentiert Föst seine Interpretation der aktuellen Lage: "Söder ist schon richtig wuschig auf die Grünen", sagt er. Und spielt damit auf jüngste Wortmeldungen Söders an, die ein deutliches Interesse an Schwarz-Grün erkennen ließen.
Söder wiederum weiß natürlich, dass es in der CSU-Anhängerschaft durchaus Vorbehalte gegen die Grünen gibt. Er hat in seine Rede diverse Spitzen gegen die Partei eingebaut, die in Bayern seit 2018 die größte Oppositionsfraktion im Landtag stellt. Er umarme lieber Bäume als Toni Hofreiter, betont Söder. Das derzeitige Programm der Grünen sei zudem "nicht koalitionsfähig". Man müsse sich aber die Frage stellen, mit wem im Herbst auf Bundesebene eine Zusammenarbeit für die Union möglich sein werde. "Einmal Freie Wähler reicht irgendwie auch", sagt Söder unter Anspielung auf die bayerische Regierungskoalition.
Mit diesem Wechselspiel geht es weiter. Zwar kritisiert Söder die jüngste Debatte um den Neubau von Einfamilienhäusern ("Hätte gedacht, die Grünen sind weiter"). Gleichzeitig seien die Grünen "wie alle anderen", sobald sie in Regierungsverantwortung seien. "Sie fällen Bäume, teeren Straßen, fahren Autos", sagt der CSU-Chef. Und laut ihm brauchen Regierungsbündnisse ohnehin in erster Linie eine Mehrheit: "Liebe vergeht, Hektar besteht."
Laschets Charme-Offensive bei der CSU
Was für mögliche Bündnisse gilt, gilt bei Union und Grünen auch für die entscheidende Personalie: Auch nach diesem Politischen Aschermittwoch ist die Kanzlerkandidatur offen. Bei der CSU zugeschaltet ist der neue CDU-Chef Armin Laschet – als erster Vorsitzender der Schwesterpartei überhaupt. Laschet hat den Inhalt des "CSU-Fan-Pakets zum Politischen Aschermittwoch" vor sich aufgebaut und bemüht sich um eine Charme-Offensive: Er präsentiert sich als Franz-Josef-Strauß-Fan, lobt den Aschermittwoch der CSU in Passau als "Olymp des politischen Geschehens" und würdigt Söders Verdienste für das Wieder-Erstarken der CSU. Und Laschet verspricht auch noch, gleich das niederbayerische Bier zu öffnen und auf die CSU anzustoßen.
Auch Söder schwärmt in seiner Rede in einem stilisierten CSU-Wohnzimmer für Strauß, räumt aber ein, dass sich in seinem Bierkrug Cola light befindet. Die einzige CDU-Politikerin, die er explizit lobt, ist Kanzlerin Angela Merkel - für ihren Mut im Kampf gegen Corona. Und Söder sagt einen Satz, den man nach Laschets jüngster Kritik am scharfen Lockdown-Kurs durchaus als Fingerzeig an den CDU-Chef verstehen kann: "Jeder, der meint, Merkel-Stimmen im September zu bekommen, der muss wissen: Merkel-Stimmen gibt's nur mit Merkel-Politik."
Mit Laschet und Söder haben die Zuschauer des CSU-Streams mit hoher Wahrscheinlichkeit den künftigen Kanzlerkandidaten der Union gesehen. Wer von beiden in den Bundestagswahlkampf zieht, wird laut CSU-Generalsekretär Markus Blume aber weiterhin erst "zu gegebener Zeit" entschieden.
Grüne wollen regieren
Bei den Grünen herrscht vor allem große Lust aufs Regieren - nach der Bundestagswahl am liebsten auch wieder im Bund, erstmals seit 2005. Ihren digitalen Aschermittwoch begeht die Partei mit zwei parallelen Veranstaltungen. Während in Berlin Grünen-Chef Robert Habeck in die Kamera spricht, haben die bayerischen Grünen dieses Mal ein Studio in München eingerichtet. Dorthin schickt die andere Grünen-Chefin, Annalena Baerbock, ein zwölfminütiges Videostatement. Sie kritisiert Teile des Corona-Krisenmanagements der Bundesregierung, fordert mehr Perspektiven. "Wenn das so weitergeht, dann zermürbt uns das alle", warnt Baerbock.
Zwar haben die Grünen sich ebenfalls noch auf keinen Kanzlerkandidaten festgelegt, Habeck mahnt aber, die "ungeklärte Machtfrage der Union" dürfe bei der Corona-Politik keine Rolle spielen. Mit Blick auf Laschet und Söder spricht er von einem "eitlen Schaulaufen zwischen München und Düsseldorf".
SPD: Scholz will Bundeskanzler werden
Der einzige, der an diesem Tag "Ich will Bundeskanzler werden" sagt, ist Olaf Scholz. Das ist einerseits kaum verwunderlich, weil der SPD-Politiker seit Monaten der einzige ausgerufene Kanzlerkandidat ist. Andererseits ist Scholz' Aussage durchaus ambitioniert - in Umfragen zur Bundestagswahl steht die SPD auch nach seiner Kür unter 20 Prozent. Spott kommt von Söder: "Olaf Scholz hat eher die Begabung, Blutdruck zu senken, als ihn steigen zu lassen", befindet der CSU-Chef - und attestiert der SPD "uralte Konzepte", die "noch nie funktioniert" hätten.
Scholz betont in seiner Rede vor allem seine Regierungserfahrung und setzt auf Verlässlichkeit. Es brauche nun "Leadership und Führungskraft". Deutschland habe "gut gewirtschaftet in den letzten Jahren", sagt Scholz, derzeit auch Bundesfinanzminister und Vizekanzler. Höherer Mindestlohn, mehr E-Mobilität, mehr gesellschaftlicher Respekt - das sind wesentliche politische Ziele des Kanzlerkandidaten. Von einer "Missions-Orientierung in der Politik" spricht Scholz.
Zur Corona-Bewältigung sagt der SPD-Politiker, zwar könne man nicht vorhersehen, wie sich das Virus entwickle. Man könne aber auch nicht warten, bis in zwei Jahren alle Studien abgeschlossen seien. Zum wiederholten Mal kritisiert Scholz die Impfstoff-Beschaffung - auch als Seitenhieb auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). "Das ist einfach schlecht gelaufen", sagt Scholz.
Aiwanger: Gastronomie zu Ostern öffnen
Die Freien Wähler konzentrieren sich bei ihrem digitalen Aschermittwoch in Bayern auf die Corona-Politik. Parteichef Hubert Aiwanger drängt weiter auf klare Öffnungspläne. "Allerspätestens" an Ostern müsse dem Tourismus eine Chance gegeben werden, schon "deutlich vorher" dem Handel. Aiwanger kritisiert auch, dass im Herbst der "Holzhammer" des Lockdowns herausgezogen worden sei - allerdings haben die Freien Wähler innerhalb der Staatsregierung sämtliche getroffenen Beschlüsse mitgetragen.
Ein mögliches Bündnis von Union und Grünen nach der Bundestwagswahl nennt der Freie-Wähler-Chef ein "Schreckgespenst". Aiwanger plädiert stattdessen für eine bürgerliche Koalition - und hofft sogar auf einen Einzug der Freien Wähler in den Bundestag.
Söder stichelt auch gegen Freie Wähler
Von Söder kommt kurz darauf aus Passau die Klarstellung, dass es in Bayern beim Kurs vorsichtiger Öffnungen bleibe. Eine Prognose für Ostern sei nicht möglich. Immerhin aber gibt der CSU-Chef und Ministerpräsident einen Ausblick, wie weitere Öffnungsschritte aussehen könnten - auch das hatte Aiwanger gefordert. Söder lässt aber auch die Gelegenheit nicht verstreichen, auf Aiwangers wiederholte Corona-Irrtümer in den vergangenen Monaten hinzuweisen.
Ohnehin wirkt Söder - neben ernster Corona-Passagen - durchaus in Angriffslaune. Neben SPD und Grünen bekommt auch der eigene Koalitionspartner sein Fett weg: "Der Einfluss der Freien Wähler in Berlin ist ungefähr genauso stark wie auf dem Mond." Besonders scharf kritisiert Söder die AfD, der er "böse Hass- und Hetz-Attacken" vorwirft.
Bei der AfD wettert der Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio vor allem über die Corona-Politik von Bund und Ländern. Der Bundesregierung wirft er vor, für den Lockdown eine "Scheinlegitimierung" zu schaffen. Wörtlich spricht er von "Lockdown-Maßnahmen-Horror". Generell sieht Curio in Deutschland "einen linken Totalitarismus der Regierenden".
Lindner spottet über Söder
Während Söder mit der FDP auffallend mild umgeht, spottet der Chef der Liberalen, Christian Lindner, über Söders Abneigung zu Bier. "Genau dieser Ministerpräsident erklärt also anderen die Tradition des Politischen Aschermittwochs und trinkt aber gleichzeitig Cola Light aus dem Bierkrug", sagt Lindner bei der digitalen FDP-Kundgebung in München, um kurz darauf den Bogen zur Corona-Politik zu schlagen: Manche Bemerkungen des Ministerpräsidenten hörten sich nicht nach Pandemie-Bekämpfung, sondern nach Stubenarrest an. Es sei ein "Offenbarungseid" für eine digitalisierte Industrienation, als wesentliches Mittel im Kampf gegen Corona auf Freiheitseinschränkungen zu setzen.
Eher versöhnliche Töne in Richtung Söder kommen von Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Ramelow, der zuletzt aus der CSU mehrfach scharf kritisiert wurde, lädt Söder ein, gemeinsam "durch die Hölle" - ein Tal zwischen Thüringen und Bayern - zu gehen, "bis nach Jena, an den Bahnhof 'Paradies'." Und er fügt hinzu: "Mehr kann ich als Linker der CSU nicht anbieten."
Digitaler Ablauf: Technisch kaum Probleme
Technisch gibt es bei den wegen Corona erstmals rein digital durchgeführten Veranstaltungen keine größeren Probleme. Wie viele Zuschauer und Parteianhänger tatsächlich live dabei sind, ist wegen der verschiedenen Livestreams auf mehreren Kanälen wohl nur intern nachvollziehbar.
Ohnehin sind sich alle Beteiligten einig, dass ein voller Saal schöner ist als ein virtuelles Zusammenkommen. Oder wie es FDP-Landeschef Föst ausdrückt: "Ich vermisse eure körperliche Nähe."
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