Wir nennen sie Helena. Sie ist 15 Jahre alt, als sie zum ersten Mal Crystal Meth nimmt - die Droge, die mittlerweile für viele zum Alltag gehört. Ihre Freunde haben den Stoff auf einer Party dabei. Und sie merkt gleich: Die Droge lässt sie freier sprechen. Sie traut sich, "Nein" zu sagen, lässt sich weniger gefallen. "Ich hatte gute Jahre auf dem Zeug", sagt sie.
Mit der Droge auf Talfahrt
Heute, mit 39, weiß sie aber: "Man kann damit nur absteigen. Ich bin abgestiegen." Helena spritzt sich über Jahre Crystal. Denn nur so hat sie das Gefühl, den Zeitdruck bei der Arbeit als Altenpflegerin und die Versorgung ihrer kranken Mutter bewältigen zu können. Doch gleichzeitig verfällt ihr Körper rasant. Sie wird unzuverlässig, jeder Gedanke kreist um den Stoff. Sie braucht immer mehr Geld, kann letztlich ihre Miete nicht mehr zahlen.
Helena landet auf der Straße und verliert ihre Arbeit. Heute ist sie in der Suchtklinik Schlehreut bei Wegscheid im Kreis Passau und versucht, mit professioneller Hilfe "clean" zu werden.
Video: Der Kampf gegen die Drogen
Freyung: Bis zu 30 Personen nehmen täglich Crystal
Crystal Meth wird in Bayern fast ausschließlich in den Landkreisen entlang der tschechischen Grenze konsumiert. Um einen Überblick über den Konsum zu bekommen, hat der BR in Zusammenarbeit mit der TU Dresden eine Studie durchgeführt. Dafür haben Forscher in Kläranlagen acht bayerischer Städte Proben aus dem Abwasser entnommen und sie auf Drogenrückstände untersucht.
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Crystal Meth taucht nur in Hof, Nürnberg und Freyung auf. "Die Droge schafft es gar nicht bis nach Oberbayern, weil sie in Ostbayern wegkonsumiert wird", sagt Suchtberater Benjamin Lettl aus der Fachklinik Schlehreut. Die Hochrechnungen für Freyung ergeben, dass dort bis zu 30 Personen täglich Crystal nehmen. Eine Zahl, die Lettl für realistisch hält. "Meth ist in allen Gesellschaftsschichten verbreitet und wird überall dort genommen, wo sich Menschen überfordert fühlen", sagt er. Klassische Branchen seien demnach die Pflegebranche, die Tourismus- und Gastronomiebranche, die Eventbranche und der Bereich Logistik.
Drei Drogentote 2021 im Kreis Freyung-Grafenau
Ob bis zu 30 Personen am Tag viel oder wenig sind und ob es schon mal mehr oder weniger waren, lässt sich nicht beantworten. Denn Vergleichszahlen gibt es nicht. Die Dunkelziffer ist hoch. Beratungsstellen haben nur die Zahl derer, die sich Hilfe holen.
Die Polizei kann nur jene zählen, die sie erwischt. Was die Polizei-Statistik aber zeigt: Vor zehn Jahren wurden weniger Drogen genommen als heute. Seit fünf Jahren sind die Zahlen in etwa stabil. Sowohl in diesem Jahr als auch im Jahr zuvor gab es im Landkreis Freyung-Grafenau drei Drogentote.
Jugendliche aufklären, bevor sie abhängig sind
Dort wollen Suchtberater der Caritas nun Jugendliche erreichen, bevor sie sich Crystal spritzen. Über das Programm "Fred" (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) versuchen sie, an 14- bis 21-Jährige heranzukommen, die Drogen gerade ausprobieren, aber noch nicht schwer abhängig sind. In Gruppensitzungen können Jugendliche darüber nachdenken, warum sie Drogen nehmen, was ihnen die Drogen geben, was sie aber auch verlieren.
Heide-Maria Haidn von der psychosozialen Suchtberatung in Freyung ist von dem Projekt überzeugt: "Selbst die, die später abhängig werden, haben so schon mal die Erfahrung gemacht, dass sie sich Hilfe holen können. Schon das ist ein Gewinn", sagt sie. Der Zulauf zu den Kursen könnte in ihren Augen aber größer sein. Mehr als zwei Gruppen pro Jahr mit jeweils vier Teilnehmern kämen nicht zusammen.
Langer Weg zurück ins Leben
Helena wünscht sich, sie hätte schon viel früher Hilfe in Anspruch genommen. Seit drei Monaten lebt sie nun in der Suchtklinik Schlehreut. Drei weitere Monate hat sie noch vor sich. Dann will sie einen Neustart in Passau wagen, ihren Führerschein machen, sich eine Arbeit und eine Wohnung suchen. "Aufgeben ist keine Option für mich", sagt sie.
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