Knapp zwei Wochen ist die Landtagswahl nun her. Es ist mucksmäuschenstill im Bayerischen Landtag. Keine hektische Betriebsamkeit, kein Gewusel, kein Ratschen auf den Fluren. Es riecht nach Teppichreiniger, viele der roten Läufer haben eine Grundreinigung nötig. Über einen ebensolchen kommt Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) zum Weiße-Rose-Saal. Hier drin wollen CSU und Freie Wähler in dieser Woche die Grundzüge ihres Koalitionsvertrags festzurren. "Am Ende soll dann ein Vertrag stehen, der im Grunde genommen vorschreibt, was wir in den nächsten fünf Jahren vorhaben", sagt Piazolo.
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"Bevor nicht alles vereinbart ist, ist gar nichts vereinbart"
Werden mehr Windräder im Wald aufgebaut oder nicht? Wer ist zuständig für Tierschutzkontrollen? Was ändert sich in der Bildungspolitik? Die meisten anderen Politiker gehen demonstrativ an den Mikrofonen der Journalisten vorbei. Was am Ende drinstehen wird in dem gut gehüteten Vertragsentwurf, davon darf nichts nach außen dringen. Spricht einer doch, dann maximal vage. "Wir sagen gar nichts", sagt etwa Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Bevor nicht alles vereinbart ist, ist gar nichts vereinbart." Und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), bestens gelaunt, strahlt in die Kameras: "Wir werden gut arbeiten, wir werden wieder gute Ergebnisse hinbekommen."
Die Verhandler tauschen Freundlichkeiten aus. Und während der Tag dahingeht und die Fraktionsvertreter bis in den Abend hinein diskutieren, kommt ein paar Kilometer weiter am Münchner Hauptbahnhof die Europaabgeordnete Ulrike Müller von den Freien Wählern an. Sie kehrt nicht nur zurück nach Bayern, sondern auch in den Landtag. Ob sie dafür wohl das umkämpfte vierte Freie-Wähler-Ministeramt bekommt? "Ich bin für alles offen", sagt sie.
Die Fraktionsvorsitzenden befleißigen sich, Harmonie zu demonstrieren
Der nächste Morgen im Landtag. Diese beiden gibt es nur im Doppelpack: Der neue Fraktionschef der CSU, Klaus Holetschek, und sein Kollege bei den Freien Wählern, Florian Streibl, schätzen sich persönlich. Ihre kurzen Statements klingen perfekt abgesprochen. "Wir kommen gut voran, wir kommen schnell voran", sagt Streibl.
Und Holetschek ergänzt: "Es geht ja um die Zukunft. Und deswegen: läuft gut im Moment." Holetschek und Streibl strecken ihre Daumen für ein Foto nach oben. Auf der Plattform X posten sie "wir kommen gut voran". CSU-Chef Markus Söder, an diesem Tag selbst nicht vor Ort bei den Gesprächen, repostet die Nachricht.
Der Finanzminister kann nicht alle Wünsche erfüllen
Auch Albert Füracker (CSU), als Minister Wächter über die Finanzen, macht nicht den Anschein von schlechter Laune. Wird nicht mal übers Geld gestritten? Klar ist jedenfalls: Es ist nie genug Geld in der Staatskasse, um alle Wünsche zu erfüllen. "Hast uns noch ein Geld überlassen?", fragt Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) seinen Kollegen, den Innenminister Herrmann. Der kommt gerade aus dem Weiße-Rose-Saal und antwortet scherzhaft: "Wenn der Finanzminister sagt, dass er kein Geld hat, dann kann ich auch keins übrig lassen."
Gabi Schmidt, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, zupft Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) Fussel vom Sakko. Der lässt das geduldig über sich ergehen, während er sich das heutige Büffet anschaut. Glutenfreie Muffins sind auch dabei. Gabi Schmidt braucht eher Kaffee, sie ist ohnehin ein fröhlicher Mensch, schlechte Laune bekommt sie nur bei der AfD, nicht aber beim vermutlich nächsten Koalitionspartner CSU. Auch sie verrät kein Wort über Inhalte, schon gar nichts über Ministerposten. Auch Ulrike Müller (Freie Wähler), kaum zurück in München, hat die Regeln schon gelernt: nix sagen.
Harmonie pur - vor ein paar Wochen sah das noch anders aus
Also alles prima, alles in Butter, alle gut drauf? Bei so viel Harmonie ist ein Blick zurück nötig. Hatte CSU-Parteichef Markus Söder nicht noch vor wenigen Tagen ein Bekenntnis zur Demokratie von den Freien Wählern verlangt? Und hatte nicht Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger gekontert, seine Partei habe es nicht nötig, sich zu rechtfertigen? Und hatte nicht Ex-Parteichef Erwin Huber via Zeitungsinterview von seiner CSU "harte Verhandlungen" verlangt?
Und dann war da ja noch den Tag nach der Wahl. "Ich würde der CSU jetzt hier empfehlen, nicht zu mädchenhaft aufzutreten", hatte FW-Chef Aiwanger gepoltert. "Ich rate umgekehrt, nicht pubertär zu agieren", blaffte CSU-Chef Söder.
All dies abzuräumen und für Harmonie zu sorgen, das ist die ganze Woche über der Job von Klaus Holetschek und Florian Streibl. Am Mittwochabend informieren sie öffentlich über einen Zwischenstand. Bekenntnisse zur Demokratie? Dafür eine extra Präambel? Also bitte, räuspert sich Florian Streibl. "Es muss jetzt nicht einer vom anderen irgendwelche Bekenntnisse verlangen."
Früher kam die Liebe später
Wortlos, aber immerhin lächelnd, schreitet am vierten Verhandlungstag CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder in den Fraktionssaal. Die ganze Delegation freundlich schauend, aber wortlos laufend. Hubert Aiwanger antwortet zumindest in Ein-Wort-Sätzen. Also das Reporterglück versuchen. "Herr Aiwanger, warum sprechen denn hier die Fraktionschefs und nicht die Parteichefs, also Sie und Herr Söder?" – "Des passt schon so." Was soll er sonst auch sagen? Wahrscheinlich wird es keine Liebesheirat. Eher ein Zweckbündnis.
Welche Koalition war schon je eine Liebesheirat? Früher haben laut Streibl nicht mal echte Menschen aus Liebe geheiratet. "In mittelalterlichen Texten heißt es, sie heirateten und sie lernten sich lieben. Die Liebe ist das, was später kommt. Ähm, mal schauen." Klaus Holetschek steht daneben und zieht eine Augenbraue hoch. War man mit den Freien Wählern nicht schon fünf Jahre verheiratet? Und ist also die Liebe immer noch nicht da? Schnell ablenken. Immer für gute Laune sorgen. Und bei Fragen nach Inhalten vage bleiben.
Im Video: Blick hinter die Kulissen des Landtags
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