Der lange geplante Wassercent in Bayern sorgt zur Ferienmitte für einen kleinen sommerlichen Koalitionskrach. Zwar steht der Wassercent auf Trink- und Grundwasser längst im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern – nur das "WIE" ist weitgehend offen. Nach zwei Ministern Anfang der Woche streiten sich jetzt auch die Fraktions-Chefs Klaus Holetschek (CSU) und Florian Streibl (FW).
CSU: "Verwundert" über Aiwanger und fehlende FW-"Gesamtstrategie"
So zeigt sich Holetschek auf BR-Nachfrage "verwundert", dass zwar Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) auf "unsere Landwirtschaftsministerin (Michaela Kaniber) losgeht", sich "das eigentlich zuständige Umweltministerium" unter Thorsten Glauber (FW) aber gar nicht äußert.
Bei den Freien Wählern vermisst CSU-Fraktions-Chef Holetschek beim Thema Wasserschutz "eine Gesamtstrategie", dabei dürfe es aber nicht nur um "Leitungssanierungen" gehen. Die CSU wolle ein "unbürokratisches und gerechtes Modell" beim Wassercent, das mittels Stufen-Tarifen auch Anreize zum Wassersparen biete.
Holetschek will alles "abwägen" und "Qualität vor Schnelligkeit"
Dafür, so Holetschek, wolle man sich "die Zeit nehmen", um alles sorgsam abzuwägen, denn "bei diesem Thema geht es um Qualität und nicht um Schnelligkeit". Erst im September wolle man deshalb den Wassercent ausführlich diskutieren, auch mit den Verbänden von Wirtschaft, Landwirtschaft, Handwerk und Städten und Gemeinden, so Holetschek.
Freie Wähler: Wir haben mit einfachem Konzept "geliefert"
Florian Streibl von den Freien Wählern weist im BR-Interview den Vorwurf, seine Partei hätte kein Gesamtkonzept, empört zurück. Vom "Kollegen Klaus Holetschek", der beim Thema Wassercent "die Backen aufbläst", lasse man sich nicht "den schwarzen Peter zuschieben".
Während die CSU noch diskutieren wolle, hätten die FW "ein einfaches, verständliches und unbürokratisches System" vorgeschlagen, und damit "geliefert". Den Wassercent sollen demnach alle zahlen, die Wasser aus kommunalen Leitungen beziehen, bis auf Landwirte und Gewerbe mit eigenen Brunnen.
Streibl will Wassercent in Infrastruktur investieren
Zur Kasse bitten will Streibl auch die Mineralwasser-Produzenten, die reinstes Tiefen-Grundwasser fördern und verkaufen, und dafür in Bayern bisher nichts bezahlen müssen. Mit den Wassercent-Einnahmen wollen die Freien Wähler vor allem das Leitungssystem und die Wasserwerke instand halten und zukunftssicher machen. Das sei eine "Diskussionsgrundlage", die CSU mäkele nur daran herum, ohne selbst "die Katze aus dem Sack" zu lassen.
CSU und Freie Wähler wollen sich im September einigen
Während also noch lange nicht klar ist, ob und welche Ausnahmen es beim Wassercent für Landwirte und Gewerbebetriebe geben soll - einig sind sich Holetschek und Streibl zumindest beim Weg zu einer Gesetzesvorlage. Anfang September sollen zunächst Experten aus CSU und FW einen Kompromiss ausarbeiten und dann in den Fraktionen für Zustimmung werben.
Bund Naturschutz will schnell "Wassercent für alle" und keinen Streit
Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern, fordert CSU und FW auf, "statt zu streiten", den "Wassercent für alle" endlich einzuführen. Schließlich sei "gutes Trinkwasser unser wichtigstes Lebensmittel", das jedoch "teilweise verschleudert" werde, weil es zu billig ist.
Der Wassercent sei für einen Vier-Personen-Haushalt bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch nicht zu teuer, findet Mergner. So läge die Belastung bei einem Wassercent von acht Cent bei rund 16 Euro im Jahr.
Verband der Wasserversorger gegen Ausnahmen beim Wassercent
Dem Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), Florian Mattner, geht es beim Wassercent weniger ums Wassersparen als um die Versorgungssicherheit und den zukunftsfähigen Ausbau der Wasser-Infrastruktur im Klimawandel. Eine Finanzierung aus Steuermitteln wäre ihm dabei lieber gewesen als ein Wassercent.
Wenn der Wassercent jetzt kommt, dann sollte er aber "solidarisch" sein und von allen Nutzern bezahlt werden, so Mattner im BR-Interview. Ausnahmen - wie von Wirtschaftsminister Aiwanger (FW) und Landwirtschaftsministerin Kaniber (CSU) für die Landwirtschaft und bestimmte Gewerbebetriebe gefordert - lehnt der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft ab.
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