Einmal die Woche kommt Marianne Scheu normalerweise zur Handarbeitsgruppe in die Begegnungsstätte "Blaue Blume" in Kaufbeuren. Heute ist es aber anders: Die 81-Jährige will einen kostenlosen Demenztest machen. Sie sagt: "Mein Mann war dement und ich kenne die ganze Problematik. Und wenn man das rechtzeitig merkt, dann kann man noch mehr dagegen tun am Anfang, das finde ich wichtig."
Kostenlose Demenztests für Jedermann
Aufgeregt setzt sich Marianne Scheu an einen Tisch. Ihr gegenüber sitzt Professor Peter Kolominsky-Rabas, Projektleiter beim Digitalen Demenzregister Bayern (digiDEM Bayern), das an der Uni Erlangen-Nürnberg angesiedelt ist.
Kolominsky-Rabas und sein Team sind in ganz Bayern unterwegs. Sie besuchen vorrangig ländliche Regionen und bieten hier ihre Demenztests an. Kostenlos, für jedermann. Denn Demenz kann jeden treffen.
Demenz als Volkskrankheit – mit steigender Zahl an Patienten
Geschätzt 270.000 Menschen leben laut dem Gesundheitsministerium in Bayern aktuell mit Demenz. Bis 2040 könnten es 380.000 sein, denn bei einer alternden Gesellschaft werden es immer mehr.
Und: Die Dunkelziffer ist groß. Professor Peter Kolominsky-Rabas: "Wir haben schon über 1.500 Menschen in Bayern gescreent, Auffälligkeiten haben wir bei etwa 30 Prozent der Personen festgestellt. Also gibt es sozusagen eine große Dunkelziffer von Menschen, die irgendeine Art von Gedächtnisbeeinträchtigung haben." Auch wenn die Beeinträchtigung nicht immer auf eine Demenz zurückzuführen sein muss, abklärungsbedürftig sei sie auf jeden Fall.
Oft die erste Reaktion? Verdrängen
Die Gründe für die hohe Dunkelziffer sind laut dem Neurologen vielschichtig. Oft sei Demenz immer noch mit einer Stigmatisierung verbunden, die Familie, aber auch der Betroffene selbst wollten erst einmal nichts davon wissen. Hinzu komme, dass die Wege zu einer Diagnose oft sehr langwierig seien, gerade in ländlichen Regionen.
Einer deutschen Studie zufolge leben 60 Prozent der an Demenz Erkrankten ohne eine gesicherte Diagnose, betont der Mediziner. Prof. Kolominsky-Rabas: "Im Durchschnitt dauert es eineinhalb bis zwei Jahre, bevor eine Diagnose gestellt wird." Wichtige Zeit, die den Betroffenen fehlt.
Das Ziel: Die Krankheit möglichst früh erkennen
Bilder erkennen, Begriffsketten nachsprechen, einfache Rechenaufgaben, räumliches Denken, Sprache, Gedächtnis – all das wird bei dem kurzen wissenschaftlichen Test überprüft.
Demenz kann man nicht heilen, aber mit Medikamenten und der richtigen Therapie den Verlauf bremsen. Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und ihre Angehörigen sei es von großer Bedeutung, frühzeitig Gewissheit zu haben. Prof. Kolominsky-Rabas: "Je früher eine Demenz erkannt wird, desto früher lernen Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen mit den Krankheitssymptomen umzugehen, und desto früher können Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten in die Wege geleitet werden."
Regionale Demenztests in ganz Bayern
Weil die Krankheit bis jetzt allerdings oft viel zu spät entdeckt wird, bietet das Deutsche Demenzregister Bayern über ganz Bayern verteilt seine regionalen Demenzscreenings an. Laut eigener Angabe gehört das digiDEM Bayern damit im Bereich der Demenzforschung zu einem der umfangreichsten Projekte zur Erfassung von Langzeitdaten in der Europäischen Union.
Für Marianne Scheu ist der Test in Kaufbeuren bereits nach zehn Minuten beendet. Würde sich eine Auffälligkeit zeigen, rät der Mediziner, das bei einem Facharzt noch einmal genauer abklären zu lassen. Test-Teilnehmer bekommen in diesem Fall eine Liste mit möglichen Ansprechpartnern an die Hand.
Bei Marianne Scheu allerdings ist das nicht notwendig. Bei ihr zeigen sich keine Anzeichen auf eine Demenz. Der 81-Jährigen fällt ein Stein vom Herzen. Marianne Scheu: "Es ist eine Erleichterung, ja, das gibt mir wieder ein ganzes Stück Sicherheit."
Das nächste kostenlose Demenzscreening in Schwaben findet Anfang April in Augsburg statt.
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