Uwe Lederer ist ein entspannter Mann. Mit ruhiger Hand steuert er einen Joystick links und rechts, angebracht an seinem Sessel. Mehrere Monitore, viel Technik, fahrbar nach vorn und hinten, schwenkbar nach links und rechts. Vor und unter dem 63-Jährigen gläserne Perspektive: Der Kranführer sitzt in einer Art durchsichtigen Krankanzel, blickt 21 Meter in die Tiefe des riesigen Müllbunkers der Nürnberger Müllverbrennungsanlage. Unten in der Anlieferungshalle bringen die Lkw Ladung um Ladung: Rest-, Sperr- und auch Industriemüll. Uwe Leder mischt den Müll mit einem gigantischen Greifarm. So kann dieser später in drei Kesseln bei 1.000 Grad besser verbrannt werden. "Es ist ein bisschen wie bei Tetris, ich baue mir puzzleartig richtige Müllwände", sagt Uwe Lederer lachend.
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Auch an Weihnachten und Neujahr wird Müll verbrannt
Uwe Lederer baut Türme aus Abfall. Unglaublich, wieviel das zusammenkommt. Unter anderem der Müll von 900.000 Bürgerinnen und Bürger aus Nürnberg und dem Umland. Es scheint kein Ende zu nehmen. Deshalb arbeitet Kranführer Lederer eigentlich auch quasi nonstop in seiner Acht-Stunden-Schicht. Er könne schon Pause machen, aber dann häufe sich da unten doch manchmal einiges an, jedenfalls, wenn gerade viel gleichzeitig angeliefert werde, erzählt er.
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Seit 1988 sitzt Uwe Lederer in der Krankanzel. Langweilig sei ihm selten, er mache die Arbeit wirklich gern. Nur die Schichtarbeit sei manchmal anstrengend. Insgesamt beschäftigt die Nürnberger Müllverbrennungsanlage acht Kranführer. Der Posten ist 365 Tage besetzt, 24 Stunden, Tag und Nacht. Uwe Lederer muss dieses Mal an Neujahr arbeiten. "Pünktlich an Neujahr um 5.00 Uhr sitz ich in der Krankanzel", sagt Uwe Lederer. "Da ist nichts mit groß Silvesterfeiern!"
Echt oder nicht? Schaufensterpuppe im Müllbunker
Allerhand Kurioses hatte Uwe Lederer schon in seinem Greifer: Kinderfahrräder, Einkaufswagen oder ganze E-Scooter landen im Müllbunker. Auch ein zweigeteiltes, echtes Aluminiumboot. Was die Leute alles wegwerfen – manchmal staunt auch der altgediente Kranführer noch. Regelrecht gegruselt habe es ihn einmal, als er eine Schaufensterpuppe in den "Klauen" hatte. Der sei auch noch rote Flüssigkeit entronnen. Da denke man schon mal kurz an eine Leiche. Das sei ihm aber gottlob noch nie passiert.
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Immer mehr Müll in Nürnberg
Zweieinhalb Jahre hat Uwe Lederer noch bis zu Rente. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich viel verändert. Der Müll sei mehr geworden, viel Brauchbares werde schneller weggeworfen, hat Lederer beobachtet. Gut erhaltene Holzschlitten etwa. Und nach dem Nürnberger Musikfestival "Rock im Park" hebe er oft fast neuwertige Campingausrüstungen mit dem Kran. Das sei schon manchmal verlockend. Aber was im Bunker ist, bleibt im Bunker. Da wird keine Ausnahme gemacht.
Fachkräftemangel auch in der Müllverbrennungsanlage
Auch in der Nürnberger Müllverbrennungsanlage fehlt Fachpersonal. Uwe Lederers Vorgesetzter Philipp Wörner ist froh, dass derzeit alle acht Kranfahrerstellen besetzt seien. Der Blick in die Zukunft sei aber ungewiss. Es gebe gewisse Überlegungen, ob Technik den Personalmangel ausgleichen könne. Stichwort: Automatisierung. Ganz auf Kranführer könne man aber kaum verzichten, schon wegen der Brandaufsicht.
Uwe Lederer jedenfalls hat keine Angst vor seinem Ruhestand. Der dreifache Familienvater hat vier Enkel. Die halten ihn ordentlich auf Trab – ein guter Ausgleich nach acht Stunden in der Krankanzel. Die vier freuen sich schon jetzt darauf, bald mehr Zeit mit dem Opa zu verbringen.
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