Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte das Thema vergangenen Sommer in Wahlkampf gesetzt: verpflichtende Sprachtests für Kindergartenkinder vor der Einschulung. "Ohne entsprechende Sprachkenntnisse macht es keinen Sinn und führt zu weniger Integration", sagte Söder damals. Bereits in der ersten Kabinettssitzung der neuen Legislatur stand der Beschluss der Staatsregierung: Zum Schuljahr 2024/25 sollen die Tests kommen.
Kinder mit zu großen Defiziten sollen beispielsweise ein weiteres verpflichtendes Kindergartenjahr absolvieren, "um die Sprache zu lernen, um mit entsprechenden Deutschkenntnissen in die Schule zu kommen", sagte Söder bei der Klausur der CSU-Fraktion Mitte Januar im Kloster Banz.
15 Prozent weniger Deutsch-Vorkurse in zwei Jahren
Auf der einen Seite steht also das Vorhaben, Sprachkenntnisse im Vorschulalter stärker zu fördern und auch zu testen - die Entwicklung bei bereits bestehenden Deutsch-Vorkursen in Bayern deutet aber in eine andere Richtung: Deren Umfang ging in den vergangenen Jahren deutlich zurück. Das geht aus schriftlichen Antworten des Kultusministeriums auf Anfrage der SPD hervor.
Demnach betrug das Angebot an Deutsch-Vorkursen im Kindergartenjahr 2020/21 insgesamt 9.191 Wochenstunden. Im darauffolgenden Jahr ging die Zahl schon leicht zurück auf 8.737 Wochenstunden. Und 2022/23 wurden für Bayerns Kindergartenkinder nur noch 7.771 Wochenstunden angeboten. Binnen zwei Jahren gingen Deutsch-Vorkurse also um mehr als 15 Prozent zurück.
SPD sieht Widersprüchlichkeit und wirf Söder Aktionismus vor
"Vor diesem Hintergrund erscheint das Ziel des Koalitionsvertrages, verpflichtende Sprachstandserhebungen vor Schulbeginn sowie daran anknüpfende Sprachfördermaßnahmen anzubieten, nur schwer umsetzbar", heißt es in einem Antrag, den die SPD in Kürze im Sozialausschuss des Landtags diskutieren will. Und SPD-Sozialpolitikerin Doris Rauscher sagt: "Das passt nicht zusammen."
Sie wirft Söder mit Blick auf neue Sprachtests "Aktionismus" vor: "Wir haben schon verpflichtende Sprachtests in der Kita - anhand dieser Ergebnisse werden Kinder mit Förderbedarf jetzt schon in den Förderkurs Deutsch geschickt." Vom Ministerpräsident fordere sie, "dass diese Programme ordentlich stattfinden können", so Rauscher zu BR24.
Ministerium verweist auf Fluchtbewegungen und "personelle Herausforderungen"
Der Rückgang der Wochenstunden bezieht sich auf die sogenannten Vorkurse "Deutsch 240". Diese gibt es seit 2013 für alle Kinder mit zusätzlichem Sprachförderbedarf. Sie umfassen 240 Stunden und werden je zur Hälfte von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen und Grundschullehrern durchgeführt.
Das bayerische Kultusministerium verweist auf "zusätzliche Schülerinnen und Schüler aus Fluchtbewegungen" und die "damit verbundenen personellen Herausforderungen". In der schriftlichen Antwort heißt es: "Vor diesem Hintergrund konnte in einigen Regionen des Freistaates Bayern das Angebot an Vorkursen "Deutsch 240" [...], im Schuljahr 2022/2023 und ggf. zu Beginn des Schuljahres 2023/2024 nicht im gewohnten Umfang vorgehalten werden." Allerdings gebe es die Möglichkeit, zusätzliche Vorkursen einzurichten - "überall dort, wo auch während des Schuljahres noch geeignetes Personal gefunden werden kann".
SPD-Politikerin Rauscher reicht das nicht. Gute Deutschkenntnisse seien die Grundlage für eine erfolgreiche Schullaufbahn eines jeden Kindes. Der Ministerpräsident vermittle den Eindruck: "Wir machen jetzt ganz viel: höher, schneller, weiter", so Rauscher, dabei schaffe die Staatsregierung "nicht mal ihre Pflicht". Es brauche "ausreichend Personal in den Kitas und ausreichend Lehrkräfte an den Schulen" für die bestehenden Deutsch-Vorkurse: "Da wäre schon viel geholfen", so Rauscher.
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