Schnee knirscht unter den Stiefeln von Christian. Auf Bitten der Bundeswehr nennen wir nur seinen Vornamen. Der Oberstabsgefreite marschiert mit einer Kameradin durch ein Waldstück. Die Gesichter mit Tarnfarben bemalt. "Der Fluss muss da unten sein", sagt Christian und deutet voraus. Die beiden bleiben stehen, ziehen eine selbst gezeichnete Kartenskizze aus der Tasche. Damit und mit einem Kompass müssen sie querfeldein marschieren. Sich mit einfachsten Mitteln orientieren zu können sei "elementar", sagt Christian. Zum Beispiel, um immer zur eigenen Truppe zurückzufinden – notfalls eben aus eigener Kraft.
Christian und seine Kameradin gehören zum Aufklärungsbataillon 10 aus Füssen. Dessen Auftrag lautet: Den Feind ausspähen. Mit Spezialfahrzeugen, Drohnen oder zu Fuß. Kurz: Informationen sammeln, ohne dabei selbst gesehen zu werden.
Wo Veränderung sichtbar wird
Hier – sprichwörtlich in Sichtweite von Schloss Neuschwanstein – ist einer der Orte, an denen sichtbar wird, was sich in der Bundeswehr gerade alles ändert. Zugleich wird hier in Gesprächen deutlich, was die Truppe umtreibt.
Das Bataillon sei vom Ausbildungsstand so weit, um im Bedarfsfall etwa nach Litauen zu verlegen, macht Kommandeur Oberstleutnant Tobias Fürst deutlich. Seine Soldatinnen und Soldaten – sie sind die neuen Augen und Ohren der Führung jener Division, die Deutschland seit dem 1. Januar der Nato zur Verfügung stellt, falls es zu Spannungen oder gar zu Angriffen auf Bündnispartner wie Litauen kommen sollte. Unter dem Projekttitel "Division 25" wurde die 10. Panzerdivision dafür umstrukturiert und fit gemacht. Zu ihr gehören rund 20.000 Soldatinnen und Soldaten an verschiedensten Standorten in Deutschland. Befehligt wird die Division von Veitshöchheim in Unterfranken aus.
Verteidigungsbereitschaft soll abschreckend wirken
Für die Einheiten heißt es zurück zu den Wurzeln: Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen. Doch um genau da hinzukommen, hat Oberstleutnant Tobias Fürst Wünsche. Etwa bittet er Bürgerinnen und Bürger um Verständnis für Manöver außerhalb von Übungsplätzen: "Wir machen das nicht, um jemanden zu nerven oder zum Selbstzweck. Wir machen das, um im Notfall die Bevölkerung schützen zu können."
Bürokratie abbauen – Einsatzbereitschaft stärken
Andere Bitten richten sich an die Politik: Bürokratie und Arbeitsschutz setzten den Soldaten zu, sagt Fürst. Die seien motiviert, leistungsbereit und kreativ, aber eben machtlos gegen manche Auflagen.
Da ist etwa die Sache mit seinen Drohnen: Starten dürfen die zu Übungszwecken nur auf einer ebenen Freifläche, die mindestens 200 mal 200 Meter misst. Für den Oberstleutnant ist das ein künstliches Hindernis: "Im Einsatzfall würden wir irgendwo aus einem Stichweg heraus starten. Wenn ich das aber hier mache, stehe ich mit einem Bein im Gefängnis." Er wünscht sich deshalb mehr Ermessensspielraum, um die Ausbildung zu verbessern.
"Munition statt Bettwäsche"
Die Wunschliste des Kommandeurs – sie lässt sich aufs große Ganze übertragen. Denn ein zugespitzter Satz wie "gebt mir Munition statt Bettwäsche" – der ist durchaus häufiger zu vernehmen im deutschen Heer, das mitten in einem beschleunigten Umbauprozess steckt – nach Jahrzehnten in denen Einheiten aufgelöst statt aufgebaut wurden.
Während es laut Heeresangaben in der 10. Panzerdivision inzwischen materiell und personell gut aussieht und das Soll fast erfüllt wird, müssen sich die beiden anderen Heeresdivisionen bei der Ausstattung noch hinten anstellen. Sie haben Material abgegeben. Die 10. Panzerdivision wurde im Rahmen des Projekts "Division 25" bevorzugt. Bis Nach- und Neubestellungen in der Truppe ankommen, dauert es noch.
Doch selbst in der 10. Panzerdivision klaffen im Jahr 2025 noch Lücken – etwa bei der Flugabwehr oder der Artillerie. Letzteres ist auch bei einem in Weiden neu aufgestellten Artilleriebataillon zu besichtigen. Kritiker bemängeln deshalb eine zu schleppende Ausstattung mit Material und mahnen an, dass auch an Reserven gedacht werden müsse.
"Wir gehen mit dem, was wir haben"
Im Hinblick darauf hatte der ehemalige Kommandeur der 10. Panzerdivision, Generalmajor Ruprecht von Butler, ein klares Credo formuliert: "Wenn es losgeht, gehen wir mit dem, was wir haben", sagte von Butler im BR-Interview im vergangenen Herbst. Seine Botschaft: Wir verstehen unser Handwerk, wir sind da für die Partner an den Ostgrenzen des Nato-Bündnisgebiets. Dort wird derzeit an der Aufstellung einer deutschen Heeresbrigade gearbeitet. Sie soll Ende 2027 in Litauen einsatzbereit sein und wird ebenfalls der 10. Panzerdivision unterstehen.
Klar ist: Der Umbau, das Üben und Aufbauen geht weiter. Die Zeitenwende braucht einen langen Atem.
Ein Reportageportrait über Ruprecht von Butler können Sie in diesem Podcast der BR24 Reportage nachhören. In der ARD-Audiothek finden Sie zudem die neue Staffel unseres Podcasts „Die Entscheidung“. Sie befasst sich mit der Aussetzung der Wehrpflicht und deren Folgen.
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