Wenn Marcel Ramming den elektrischen Schneepflug startet, klingt das ein bisschen so wie eine Mischung aus Raumschiff und MRT-Röhre. In Wirklichkeit arbeitet der Straßenwärter bei der Autobahnmeisterei Münchberg. Hier steht das einzige elektrisch betriebene Räumfahrzeug, das auf deutschen Autobahnen unterwegs ist. Seit vergangenem November läuft ein Pilotprojekt, bei dem der E-Schneepflug getestet wird.
"Der größte Unterschied ist der Klang"
Ein erster Erfahrungsbericht aus der Praxis: "Der größte Unterschied ist der Klang. Es ist sehr ruhig in der Kabine. Man hört andere Töne beim Fahren, zum Beispiel Windgeräusche", erklärt Ramming, der normalerweise nur mit dieselbetriebenen Räumfahrzeugen im Einsatz ist. Ein weiterer Vorteil sei die Übersetzung. "Man hat nur noch zwei Gänge, im Verhältnis zum Diesel mit zwölf. Dadurch ist die Beschleunigung viel besser."
Bei starkem Schnee fehlt dem E-Schneepflug die Leistung
Auch die Betreuer des Pilotprojekts ziehen mitunter ein positives Zwischenfazit. "Fürs vorbeugende Streuen ist er gut geeignet", sagt Mathias Graupner von der Autobahn GmbH über den E-Lkw, der seit November rund 4.500 Kilometer gefahren ist.
Allerdings hat der von Daimler gemietete Prototyp im Vergleich mit einem Diesel-Fahrzeug leistungstechnisch Defizite. Grundsätzlich ist es so, dass bei schneebedeckter Autobahn in der Regel mehrere Räumfahrzeuge in der Staffel fahren, erklärt Graupner. "Wir würden den E-Lkw dabei niemals als Speerfahrzeug in der Spitze einsetzen." Stattdessen würde es in dem Fall als sogenanntes Nachräumfahrzeug den Schnee vom Standstreifen schieben, den die vorderen Fahrzeuge aufgeschüttet haben. Im tiefsten Winter würde dem E-Lkw also die Power fehlen. Er wäre dann nur eine Ergänzung zu den Dieselfahrzeugen.
Voller Akku? An der Autobahnmeisterei dauert das zehn Stunden
Ein weiteres Manko, dass das Pilotprojekt schon jetzt offenbar hat: Die Ladeinfrastruktur an der Autobahnmeisterei ist ausbaufähig. Wenn das E-Winterfahrzeug auf dem Gelände in Münchberg voll aufgeladen werden soll, muss es mehr als zehn Stunden lang an der Steckdose hängen. An anderen Ladesäulen sei der Lkw nach Angaben der Autobahn GmbH innerhalb von knapp drei Stunden voll aufgeladen.
Wenn das E-Winterfahrzeug zu 100 Prozent aufgeladen ist, könne es etwa auf einer Strecke von 200 Kilometern Schnee räumen. Zum Vergleich: Ein vergleichbares Dieselfahrzeug würde mit vollem Tank unter gleichen Voraussetzungen mehr als die doppelte Strecke schaffen, schätzt Graupner.
Reichweite bei E-Lkw: "Da ist man noch ziemlich blank"
Erfahrungen hinsichtlich der Reichweite sammeln – das sei ein Ziel des Pilotprojekts mit dem Dreiachser. "Da ist man im Lkw-Bereich noch ziemlich blank", erklärt Graupner. Bei dem E-Winterfahrzeug in Münchberg soll also getestet werden, wie sich der Stromverbrauch bei verschiedenen Temperaturen und Lastzuständen verändert – also ob zum Beispiel der Frontpflug im Einsatz ist, ob er hochgeklappt wird, oder ob er gar nicht am Fahrzeug hängt. Wenn das E-Fahrzeug bis zum Projektende Ende April nicht mehr im Winterdienst benötigt würde, könnte der Lastwagen auch für den Sommerdienst umgerüstet werden.
Pflug und Streuer haben separaten Akku
Marcel Ramming musste bei Minusgraden und Nebel heute nur vorbeugend Salz streuen. Jetzt ist er nach seiner Fahrt zurück bei der Autobahnmeisterei und hängt wieder alles an die Steckdose: den Lkw und den zusätzlichen Akku, der Pflug und Streuer separat mit Strom versorgt.
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