Montag und Donnerstag sind die Lieblingstage von Christl Stephan-Schäll. Da rührt sich was in ihrem "Tiroler Hof" in Lagerlechfeld nahe Augsburg – direkt gegenüber der Bundeswehrkaserne. Seit sie 27 Jahre alt ist, betreibt die heute 82-Jährige ihre Wirtschaft und schenkt auch heute noch Getränke aus. "Ich kann nur gut schlafen, wenn was los war", sagt sie mit einem zufriedenen Lächeln.
Christl Stephan-Schäll wollte schon immer Wirtin werden
Aller Anfang war schwer: Das Gebäude aus dem Jahr 1876 glich zu Beginn mehr einer Ruine als einer Wirtschaft, weil es noch einen Schaden am Dach von einem Bombentreffer aus dem Krieg hatte. Trotzdem entschied sich die junge Wirtin im Jahr 1969 dafür, die Wirtschaft zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zu renovieren. "Ohne Familie hätte ich gar nichts gemacht. Gerade mein Bruder hat die ganzen Bauarbeiten gemacht", erzählt Christl Stephan-Schäll.
"Alligator Schnitzel" für die Soldaten
Zwischen 1969 und 2000 lief es rund in der Küche: Viele Gäste kamen von der damals voll besetzten Lechfeldkaserne: Wehrpflichtige, Offiziere und auch amerikanische Soldaten, erinnert sich Tochter Simone. "Die konnten Allgäuer Schnitzel nicht sagen, dann hieß es ‘Alligator Schnitzel’."
Die Familie hat nicht nur beim Bauen der Wirtschaft geholfen. Tochter Simone wurde von klein auf mit eingespannt. Aufwachsen in einer Wirtschaft sei nicht einfach gewesen, sagt sie. Während andere Kinder auf dem Spielplatz waren, musste sie Salat waschen und mithelfen. "Erst später gab’s am Samstag einen Ruhetag, weil wir gar nichts von unserer Mama abgekriegt haben", sagt Simone und hat dabei einen Kloß im Hals.
Liebe des Lebens war unter den Gästen
Auch wenn ihr Ehemann Rudi bereits verstorben ist, erinnert sich Christl Stephan-Schäll noch gut daran, wie der damalige Zeitsoldat zur Tür hereinkam. "Der hat mir am besten gefallen von allen." Zielsicher hat sie ihn gleich zum Tanzen eingeladen. "Den habe ich aufgerissen. Und dann hat er mir gehört", sagt sie und grinst. Inzwischen gibt sie lieber Beziehungstipps, wenn einer der Stammgäste eine neue Freundin mitbringt.
Liebesberaterin, Psychologin oder Ersatzmama
Gekocht wird im Tiroler Hof seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Und auch ihre Mutter und ihr Bruder sind bereits verstorben. "Alles war schlimm, aber meine Gäste haben mich so unterstützt. Wenn ich die nicht gehabt hätte, hätte ich zugemacht."
Vor allem Handwerker und Stammgäste kommen unter der Woche auf ein Feierabendgetränk vorbei. Auch Basti trifft sich hier jede Woche mit seinen Jungs zum Ratschen. Für ihn ist Christls Wirtshaus mehr als nur eine gemütliche Kneipe: "Sie ist wie eine zweite Mama. Sie ist einzigartig und immer für uns dagewesen. Die Beste auf dem Lechfeld."
Junge Azubis haben den Tiroler Hof entdeckt
Seit gut einem Jahr sind auch wieder junge Leute aus der Kaserne zu Gast. Die Fluggerätemechaniker-Azubis wurden zu neuen Stammgästen und spielen einmal in der Woche hier Karten. Wenn die Wirtin Hilfe braucht, packen sie gerne mit an. Vergangenes Jahr haben sie die Biertische und Bänke vor dem Lokal abgeschliffen und neu gestrichen. Und wenn die Azubis wissen wollen, wie man Semmelknödel mit Jägerschnitzel macht, dann wird zusammen gekocht.
Tiroler Hof ist wie ein Familientreff
Christl Stephan-Schäll ist seit über einem halben Jahrhundert Wirtin aus Leidenschaft. Hier kommt man als Gast und bleibt als Freund, sagen ihre Stammgäste. Der Tiroler Hof sei wie ein Familientreff in Lagerlechfeld. Und ans Aufhören denkt sie mit ihren 82 Jahren noch lange nicht, "weil das mein Lebenselixier ist. Ich bin hier glücklich. Und hier bleibe ich, bis es eben aus ist."
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