Foto von Judis Cahn
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Zu den Opfern des Nationalsozialismus zählt auch Judis Cahn aus München. Sie wurde mit einem Jahr und drei Monaten verschleppt und ermordet.

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"Die Rückkehr der Namen": Gedenken an vergessene Nazi-Opfer

"Die Rückkehr der Namen": Gedenken an vergessene Nazi-Opfer

Geht es um die Verbrechen der NS-Zeit, steht oft nur eine monströse Zahl von Ermordeten im Raum. Das Münchner Projekt "Die Rückkehr der Namen" nennt einige der Opfer nun beim Namen und versucht, den Vergessenen Gesicht und Geschichte zu geben.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Nah dran am .

Es konnte jeden treffen: Widerstandskämpfer, unpolitische junge Arbeiterinnen, Weltkriegskämpfer aus gutsituierten Familien, selbst Babys. Auch ein bekannter Name schützte nicht immer. Das zeigen die Beispiele des Projekts "Die Rückkehr der Namen", das an vergessene Opfer des Nationalsozialismus aus München erinnert.

Eines davon ist Judis Cahn. Vor ihr Haus, sowie vor die Wohn- und Arbeitsstätten vieler anderer vergessener Opfer des Nationalsozialismus, stellen sich im Rahmen des Projekts "Rückkehr der Namen" am Nachmittag des 11. April Menschen, die sich der Opfer quasi als Paten angenommen haben; anschließend gibt es eine Veranstaltung auf dem Königs- und Odeonsplatz.

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Irene Hofer nimmt sich als Patin der früh ermordeten Judis Cahn an. Um 15 Uhr hat sie sich mit deren Bild vor ihr ehemaliges Wohnhaus begeben.

Das jüngste Opfer der aus München Verschleppten war ein Jahr und drei Monate

Geboren am 9. August 1940, verbringt Judis Cahn ihre ersten Lebensmonate bei ihrer Mutter und ihrer Großmutter in der Münchner Herzog-Heinrich-Str. 8. Der Vater ist nicht bekannt. Er soll vor den Nationalsozialisten nach Palästina geflohen sein. Am 20. November 1941, als Judis ein Jahr und drei Monate alt ist, wird sie mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter, wie viele andere Münchner Jüdinnen und Juden, nach Kaunas in Litauen deportiert. Fünf Tage nach ihrer Ankunft wird auch Judis Cahn bei einer Massenerschießung ermordet. Sie war das jüngste Opfer der Deportierten aus München.

Die Goldschmidts aus der Prinzregentenstraße 68 sind eine typische, gutsituierte Münchner Familie. Sie lieben die Berge und das Voralpenland: Vater Bernhard, geboren 1890 in Nürnberg, ist Inhaber einer kleinen Firma. Er hat im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft. Die Mutter Magdalena (*20.11.1898, geb. Herzfelder) ist gebürtige Münchnerin. Die beiden Töchter, Annemarie (*31.01.1922) und Elfriede (*04.08.1923) kommen auch in München zur Welt. Beide Mädchen besuchen das Lyzeum der englischen Fräulein in Nymphenburg, sind Mitglieder einer katholischen Jugendbewegung.

Die Familie ist katholisch, vom Judentum konvertiert, um sich noch besser zu integrieren. Der Verfolgung durch die Nationalsozialisten als Juden entgehen die Goldschmidts dennoch nicht. Im Frühjahr 1940 bemüht sich Vater Bernhard Goldschmidt um Einreisegenehmigungen für die USA, die Philippinen und andere Länder. Vergeblich: Zusammen mit Ehefrau Magdalena wird er aus München deportiert und am 25. November 1941 im litauischen Kaunas ermordet.

Auch die Flucht in die Niederlande half nur kurz

Als die Eltern ermordet wurden, waren die beiden Töchter schon in die Niederlande geflohen. Sie lebten dort im Kloster Koningsbosch – unter anderem mit Edith Stein, einer Ordensfrau, Philosophin und Frauenrechtlerin jüdischer Herkunft, die später heiliggesprochen wurde. Auf einen öffentlichen Protest der niederländischen Bischöfe gegen die Judenverfolgung reagierten die deutschen Behörden, indem sie deutsche Katholiken jüdischer Abstammung verschleppten. Die Maastrichter Gestapo deportierte Annemarie Goldschmidt und ihre Schwester über das Lager Westerbork am 2. August 1942 nach Auschwitz. Dort wurden beide Mädchen kurz nach ihrer Ankunft ermordet.

Als "nutzlos für die Volksgemeinschaft" gebrandmarkt

Alois Dallmayr wird am 7. Dezember 1883 als jüngstes Kind in eine wohlhabende Münchner Familie geboren. Sein Onkel ist der Gründer des bis heute berühmten gleichnamigen Delikatessengeschäfts. Bei ihm lebt Alois zunächst am Bavariaring, bis er später mit seiner Mutter um die Ecke in die Kobellstraße 11 zieht.

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Vor der Kobellstraße 11: Erinnerung an Alois Dallmayr und dessen ebenfalls ermordete Nachbarin Judith Ephraim.

Alois Dallmayr dient beim Königlich-Bayerischen Regiment und studiert in Hamburg. 1911 wird er, da ist er 28 Jahre alt, erstmals wegen "nervöser Zustände" in der Nervenklinik aufgenommen. Diagnose: "Dementia Praecox", damals noch "Jugendirresein", genannt, heute Schizophrenie.1916 kommt er erneut ins Krankenhaus – in die Universitätsnervenklinik in der Nußbaumstr. 7. Von dort aus wird er in die Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar verlegt.

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"Der Sohn hat die Mutter verlassen und kommt nicht wieder": Alois Dallmayr zeichnete unter anderem sein Wohnhaus.

Für Alois Dallmayrs künstlerische Zeichnungen haben die Ärzte kein Verständnis. Für die Nationalsozialisten ist er dann einer von vielen, "die keinen Nutzen und Sinn für die Volksgemeinschaft" haben. Am 30. August 1940 wird Dallmayr mit 150 anderen Patienten im Rahmen der "Aktion T4" in die Tötungsanstalt Hartheim deportiert. Sie werden dort unmittelbar nach ihrer Ankunft mit Kohlenmonoxid ermordet.

Eine Arbeiterin aus der Au gerät ins Visier der Nationalsozialisten

Die Arbeiterin Margarete Sattler, geboren am 14. Juni 1924, wohnt mit ihren Eltern und fünf Schwestern im Münchner Stadtteil Au, am Paulanerplatz 6. Im Herbst 1942 sucht die Polizei ihren Cousin wegen Diebstahls. Da geraten auch Margarete Sattler und ihre Familie ins Visier der Nationalsozialisten. Weil sie sich weigert, ihren Cousin zu denunzieren, kommt sie kurzzeitig in Untersuchungshaft. Auch ihre Eltern wollen nicht gegen den Neffen aussagen. Sie werden zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Nur wegen Margaretes noch minderjähriger Schwestern bekommt die Mutter Haftaufschub. Im März 1943 wird die ganze Familie Sattler deportiert – Margarete, ihre Eltern und die Schwestern. Sie werden ins "Zigeunerlager" in Auschwitz-Birkenau gebracht. Dort herrschen katastrophale Bedingungen. Die Häftlinge bekommen planmäßig zu wenig zu essen und müssen schwere Zwangsarbeit leisten. Im April 1944 verschleppt die SS Margarete Sattler ins KZ Ravensbrück. Dort wird sie im Juli 1944 ermordet. Nur zwei ihrer Schwestern überlebten.

Ermordet, weil er das "Victory"-Zeichen an Hauswände schrieb

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Walter Hermann Klingenbeck hörte BBC und wandte sich gegen das Regime der Nationalsozialisten. Sie ermordeten ihn, als er 19 war.

"Es wird gut sein, wenn ihr für mich ein bisschen betet, ich war ja grad kein Musterknabe." Das schreibt der aus einer sehr religiös-katholischen Schwabinger Familie stammende Walter Klingenbeck kurz vor seiner Hinrichtung an seine Eltern. Als diese den Brief am 5. August 1943 erhalten, ist Walter, geboren am 20. März 1924, schon drei Tage tot. Hingerichtet im Gefängnis Stadelheim, mit gerade einmal 19 Jahren. Der Grund: Walter hat zusammen mit Freunden nach Aufrufen der BBC im Sommer 1941 ein schwarzes "V" an 40 Stellen in München auf Hauswände, Straßenschilder und Hydranten gemalt – das "Victory"-Zeichen als Symbol der Alliierten. Die Gruppe plante auch, wie die "Weiße Rose", Flugblätter gegen Hitler und den Krieg. Auch einen Schwarzsender wollten die Jungen betreiben – sie wurden aber verraten und verhaftet. Drei von ihnen, unter ihnen Walter, werden zum Tod verurteilt. Die Strafe seiner beiden Freunde wird nach Monaten der Haft in eine Zuchthausstrafe umgewandelt. Walter Klingenbeck scheitert dagegen mit seinem Gnadengesuch.

Mit Informationen von Gregor Eichfeld, Siegfried Erhard, Helge Freund, Lisa Berchtold, Sibylle von Tiedemann und Barbara Hutzelmann.

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