Abtreibungsgegner während einer Demo in Berlin
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Schutz vor radikalen Abtreibungsgegnern wird konkret

Schutz vor radikalen Abtreibungsgegnern wird konkret

Die Bundesregierung will Schwangere besser vor radikalen Abtreibungsgegnern schützen. Geplant ist ein Schutzradius um Praxen und Beratungsstellen. Ob das Gesetz dazu führt, dass künftig mehr Ärzte Abbrüche durchführen, bleibt fraglich.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Regelmäßig liegen im Treppenhaus der Pro Familia-Beratungsstelle in Passau kleine Föten aus Plastik neben Flyern mit Bildern von zerstückelten Embryos. Vor der Tür demonstriert ein Mann gegen Schwangerschaftsabbrüche. In der Regel steht er allein neben dem Eingang, ab und zu versammelt er eine kleine Gruppe von Demonstrierenden um sich.

Frauen durch Demos verunsichert

Auf ihren Plakaten stehen Sätze wie "Abtreibung ist Mord". Bisher ist dieser Protest vor der Tür der Beratungsstelle von der Meinungsfreiheit gedeckt. "Auch wenn das nicht das ist, was ich mir als Einstieg für eine ergebnisoffene und vertrauensvolle Beratung vorstelle", sagt Thoralf Fricke. Er leitet die Beratungsstelle in Passau, ist Landesgeschäftsführer von Pro Familia und beobachtet: "Wenn die Frauen an der Demo vorbeigehen, sind sie irritierter, verschlossener, stehen deutlich unter Stress. Und zwar mehr als sowieso schon." Doch an dieser Situation soll sich etwas ändern.

protestierende Abtreibungsgegner
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Schutz vor radikalen Abtreibungsgegnern wird konkret

Gesetz soll Schwangere, die Abbruch wollen, besser schützen

Künftig sollen schwangere Frauen, die einen Abbruch in Erwägung ziehen und sich deshalb beraten lassen müssen, besser geschützt werden. Ein Bundesgesetz soll Proteste dieser Art rund um Arztpraxen, Krankenhäuser und Beratungsstellen verbieten. Demonstrierende müssen dann einen Abstand von 100 Metern um die Einrichtungen einhalten. Betroffene Frauen, aber auch Mitarbeitende, dürfen in diesem Radius nicht mehr gegen ihren Willen angesprochen werden. Passiert das doch, droht eine Strafe von bis zu 5.000 Euro. Die Abgeordneten beraten jetzt im Bundestag darüber. Mit dem geplanten Gesetz würde die Ampel-Regierung ein Vorhaben ihres Koalitionsvertrags umsetzen.

Lob kommt für das Gesetz auch vom Marburger Bund. Alle Betroffenen sowie Ärztinnen und Mitarbeiter dürften nicht belästigt werden, teilte der Ärzteverband mit. Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KVB) hatte schon im Vorfeld mehr Schutz für Klinik- oder Praxismitarbeiter gefordert.

Bundesfamilienministerin: "Meinungsfreiheit hat Grenzen"

Die Regierung musste beim Gesetz abwägen: zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Schwangeren einerseits und der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit von Protestierenden andererseits. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) ist davon überzeugt: Schwangere Frauen, die abtreiben wollen, dürfen nicht bedrängt oder eingeschüchtert werden – hier habe die Meinungsfreiheit ihre Grenzen.

Schwangere brauchen nach Paus eine ergebnisoffene Beratung. Sie sind in Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, sich über alle Möglichkeiten aufklären zu lassen. Nur mit der Beratung ist ein Abbruch in Deutschland bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei möglich.

Die Opposition im Bundestag hält das geplante Gesetz für nicht notwendig. Die CSU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Dorothee Bär, sagte vor der Bundestagsdebatte im Deutschlandfunk: "Das ist weder notwendig noch verhältnismäßig - es gibt wahnsinnig wenige Aktionen in sehr wenigen Städten. Natürlich wollen wir Persönlichkeitsrechte schwangerer Frauen bewahren." Aber es gebe im Strafgesetz bereits jetzt schon ausreichend Möglichkeiten, so Bär. Ähnlich äußerte sich die bayerische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) gegenüber dem BR. Sie befürchte mehr Aufwand und Bürokratie statt Nutzen für schwangere Frauen.

Union hat Zweifel an der Wirksamkeit - AfD grundsätzlich dagegen

Die CDU-Familienpolitikerin Silvia Breher unterstützte in der Bundestagsdebatte das Anliegen, abtreibungswillige Frauen vor Anfeindungen zu schützen. "Die Frage ist aber, ob Sie das, was Sie beschrieben haben, mit dem Gesetzentwurf wirklich verhindern können", sagte sie an die Koalition gewandt. Derartige Drangsalierungen seien ohnehin schon als Nötigung strafbar. Zudem kritisierte Breher, dass die Bundesregierung keine Zahlen vorlegen könne, wie oft solche Gehsteigbelästigungen eigentlich vorkommen.

Die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst lehnte den Gesetzentwurf und die Praxis der Abtreibung allgemein ab. Bei Menschen, die vor Beratungsstellen und Arztpraxis gegen Abtreibungen demonstrierten, handle es sich um Menschen, "die öffentlich für das Leben eintreten", sagte Höchst. "Ihr Gesetzentwurf macht Lebensschützer als Gehsteigbelästiger lächerlich", kritisierte sie mit Blick auf die Koalition. Bei abtreibungswilligen Frauen handle es sich um "Mütter, die sich gegen ihr eigenes Fleisch und Blut entscheiden".

Zahl der Schwangerschaftsabbrüche auf hohem Niveau

Das Statistische Bundesamt verzeichnet nach eigenen Angaben ein hohes Niveau bei der Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen: Im dritten Quartal 2023 wurden demnach rund 26.600 Abbrüche gemeldet – das sind 0,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. In der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen wurden die meisten Abbrüche durchgeführt (70 Prozent). In Bayern wurden im 3. Quartal 2023 insgesamt 3.290 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet.

Immer weniger Ärzte, die Schwangerschaftsabbruch vornehmen

Der Protest radikaler Abtreibungsgegner setzt aber nicht nur Schwangere unter Druck. Er hat auch zur Folge, dass viele Ärztinnen und Ärzte aus Angst vor Belagerungen vor ihren Praxen keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchführen. Beratungsstellen und Mediziner machen immer wieder auf diese Entwicklung aufmerksam.

Wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, gab es im Jahr 2003 noch 2.030 ärztliche Einrichtungen, in denen Abtreibungen vorgenommen wurden. 2021 hat sich die Zahl auf 1.100 fast halbiert.

Frauen, die abtreiben wollen, müssen somit weite Wege auf sich nehmen – gerade in ländlichen Regionen. Eine Liste der Bundesärztekammer zeigt Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen – die Meldung in dieser Liste ist freiwillig. Und viele Ärzte trauen sich nicht, sich auf diese Liste eintragen zu lassen.

Ärzte in der Anonymität

Beispiel Niederbayern: In diesem Regierungsbezirk gibt es nur eine Ärztin, die Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche durchführt. Sie steht nicht auf der Liste und will auch dann noch anonym bleiben, wenn das Gesetz zur Gehsteigbelästigung greift. Schriftlich teilt sie dem BR mit: "Das Gesetz finde ich gut. In einer Konfliktsituation sollte niemand auch noch belästigt werden. Belästigt werden sollen aber auch nicht die, die der Frau Hilfe anbieten. Unter anderem aus diesem Grund will ich weiter anonym bleiben: Ich will in Ruhe diese Arbeit verrichten – die ist oft stressig genug! Für mich wird sich durch ein weiteres Gesetz nichts ändern." Die Ärztin glaubt allerdings nicht, dass dieses Gesetz dazu führen wird, dass künftig mehr Mediziner Abbrüche vornehmen.

Versorgungslage weiter angespannt

Ähnlich sieht das Thoralf Fricke: "Es ist ein Baustein, weil damit zum ersten Mal sichergestellt ist, dass Mediziner unbelästigt den Abbruch durchführen können. Aber es braucht mehrere Bausteine, um an der Versorgungslage etwas zu ändern."

Ob sich in Passau die Proteste an andere Orte verlagern, bleibt abzuwarten. "Ich gehe nicht davon aus, dass der Spuk vorbei ist. Ich gehe eher davon aus, dass es der Demonstrierende probieren wird, die Grenzen auszureizen und schauen wird, ob er tatsächlich ein Bußgeld bekommt", sagt er. Für den Landesgeschäftsführer von Pro Familia ist klar: Werden die Proteste vor der Tür weitergehen, wird er künftig die Polizei rufen.

Im Audio: Protest gegen Schwangerschaftsabbrüche in Passau

Plastikföten im Treppenhaus von Pro Familia in Passau.
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Plastikföten im Treppenhaus von Pro Familia in Passau.

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