Es sind Fragen zweier Zuschauer daheim zum Ukraine-Krieg, die zu den wohl überraschendsten Aussagen des Abends führen. Ein Mann fragt in der zweiten "BR24 Wahlarena" nach der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine: "Ja oder nein?" Während sich Carsten Träger von der SPD (Daumen runter), die Grüne Jamila Schäfer und die Liberale Katja Hessel (beide: Daumen hoch) schnell festlegen, ist CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unentschlossen.
Schäfer stichelt: "Interessant, weil das sehen die Kollegen von Ihnen im Auswärtigen Ausschuss jedenfalls anders, Herr Dobrindt." Die Union hatte im vergangenen Jahr wiederholt Taurus-Lieferungen gefordert.
Dobrindt erklärt sich: In dieser Frage brauche es europäische Absprachen. Aber zu glauben, dies seien die entscheidenden Waffen, die grundlegend etwas verändern würden, sei falsch. Und: Jetzt, da es "endlich mal" darum gehe, Frieden zu schaffen, wäre es ein Fehler, "als Erstes wieder Waffensysteme nach vorne in die Debatte zu bringen". Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zuletzt betont, ohne die Ukrainer könne es keine Friedensgespräche geben: "Wir sind noch nicht beim Frieden, sondern mitten in einem brutal von Russland vorgetragenen Krieg, der ohne Rücksicht weiter vorangetrieben wird."
SPD-Kandidat: Europäische Friedenstruppe senden
Die andere Frage zum Ukraine-Krieg betrifft mögliche europäische Friedenstruppen in der Ukraine. Während Kanzler Scholz in den vergangenen Tagen betont hatte, für solche Debatten sei es zu früh, legt sich sein Parteifreund Träger in der "Wahlarena" schon fest: Die Ukraine sei der Staat, den Europa am stärksten unterstütze. "Und deswegen finde ich, müssen wir auch tatsächlich den zweiten Schritt machen. Wer A sagt, muss auch B sagen." Er hoffe zwar, dass es nicht notwendig werde. Aber letztlich müsse Europa in die Bresche springen.
Pkw-Maut, Bürokratie, bezahlbares Wohnen
Wie in der ersten "BR24 Wahlarena" vor einer Woche mit den Spitzenkandidaten von AfD, Freien Wählern, Linkspartei und Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auch in der zweiten Sendung aus Passau ein sehr breites Themenspektrum zur Sprache. Die Fragen stellen ausschließlich Bürger – im Saal und von der Couch daheim.
Ex-Bundesverkehrsminister Dobrindt spricht bei der Frage nach der gescheiterten Pkw-Maut von "alten Wunden", hält aber einen erneuten Anlauf für möglich. Zugleich betont er: "Ich bitte um Verständnis, ich würde nicht mehr der sein wollen, der es machen muss." Nach Meinung von FDP-Landeschefin Hessel ist in der EU Bürokratieabbau "mit der großen Heckenschere" nötig, um "im Handelskrieg zwischen den USA und China" den einheitlichen europäischen Binnenmarkt zu stärken.
SPD-Landesgruppenchef Träger führt das Umfragehoch der Linkspartei auf deren klare Haltung im "Kampf gegen rechts" zurück – einen solchen Aufschwung hätte er sich auch für seine Partei gewünscht. Grünen-Spitzenkandidatin Schäfer räumt selbstkritisch ein, die aktuelle Bundesregierung habe das Thema bezahlbares Wohnen nicht gut genug gelöst. Sie nehme die "Hausaufgabe" mit, sich darum besser zu kümmern.
Integrieren statt abschieben?
Der Vorsitzende des syrischen Kulturvereins Passau im Publikum wünscht sich mehr Debatten über Integration statt über Abschiebungen. Laut Schäfer haben solche Stimmen in diesem Wahlkampf "zu wenig Gehör gefunden". Für Integration müsse viel mehr getan werden. Wer nicht abgeschoben werden könne oder eine Bleibeperspektive habe, müsse rasch Zugang zu Arbeit bekommen. Auch Hessel betont, die Integrationsfähigkeit des Landes müsse verbessert werden. Wer keinen Aufenthaltsstatus habe, müsse aber abgeschoben werden. Das seien zwei Punkte, die nicht vermischt werden dürften.
Für Träger bleibt das Recht auf Asyl die humanitäre Pflicht des Landes, der Rechtstaat müsse aber mit ganzer Härte durchgesetzt werden. Dobrindt argumentiert, Integration könne nur gelingen, wenn die Zahlen der Zuwanderer beherrschbar seien. Aber die Zahlen seien zu hoch, die "illegale Migration" müsse zurückgedrängt werden.
Schwarz-grüne Spannungen
Beim Thema Krankenhausfinanzierung werden Differenzen zwischen SPD und CSU deutlich, bei der Frage, ob Cannabis legal bleiben soll, steht es drei zu eins: Dobrindt senkt als einziger den Daumen. Dafür gibt es beim Klimaschutz Einigkeit zwischen CSU und FDP: Klimaschutz sei wichtig, dürfe aber nicht auf Kosten von Wirtschaft und Wohlstand gehen. Hessel plädiert dafür, deswegen die deutsche "Sonderlösung" zu beenden.
Spannungen zeigen sich insbesondere zwischen den Kandidaten von CSU und Grünen, Dobrindt und Schäfer. Beide liefern sich im Lauf des Abends mehrfach kurze Wortgefechte. Das bringt ihnen eine Ermahnung von BR-Chefredakteur Christian Nitsche ein, sich an die Spielregeln zu halten und nicht untereinander zu diskutieren: "Das ist eine Bürgersendung."
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