Seit Anfang April mussten sich zwei Erzieherinnen in einem Prozess vor dem Landgericht Würzburg verantworten: Eine der beiden angeklagten Frauen soll in einer Kita in Greußenheim im Landkreis Würzburg Kleinkinder misshandelt haben. Die andere soll die Vorfälle erst Monate später gemeldet haben und war deshalb wegen Unterlassens angeklagt. Heute nun fiel das Urteil: Die Hauptangeklagte wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem soll sie 6.000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen. Gegen die Nebenangeklagte wurde eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen mit jeweils 50 Euro verhängt, insgesamt also 7.500 Euro. Der Forderung nach einem Berufsverbot kam das Gericht nicht nach. Die Begründung: Die Angeklagte sei mittlerweile ohnehin arbeitslos und werde nur schwer wieder eine Stelle als Erzieherin bekommen. Die Urteile sind zum Teil noch nicht rechtskräftig.
Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung
Am Montag hatten Anklage und Verteidigung ihre Plädoyers gesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, die 31-jährige Angeklagte unter anderem wegen Körperverletzung in mehreren Fällen, Nötigung und Misshandlung von Schutzbefohlenen zu verurteilen. Dabei sei eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie ein Berufsverbot angemessen. Für die zweite Angeklagte forderte die Staatsanwaltschaft eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten wegen Beihilfe durch Unterlassen. Die Verteidigung der angeklagten 31-Jährigen hielt dagegen eine Geld- oder Bewährungsstrafe für angemessen. Auch für die zweite Angeklagte beantragte die Verteidigung eine Geldstrafe.
Die acht Vorfälle, bei denen die 31-Jährige Kinder misshandelt haben soll, ereigneten sich laut Staatsanwaltschaft zwischen September und Dezember 2021. Erst Ende September 2022 soll ihre Kollegin die Leitung der Kita informiert haben. Im Dezember wurden beide Erzieherinnen suspendiert und es kam zur Anzeige. Die beiden haben gemeinsam eine Kleinkindergruppe in einer Einrichtung in Greußenheim im Landkreis Würzburg betreut.
Vorwürfe: Bis zum Erbrechen gefüttert und aus Hochbett gezerrt
Die Vorwürfe wiegen schwer und haben für viel Gesprächsstoff in der Region gesorgt. Immer wieder soll die 31-jährige Hauptangeklagte sehr aggressiv gegenüber den Kindern gewesen sein. So soll sie ihnen gewaltsam die Löffel in den Mund gesteckt haben, wenn sie sich weigerten zu essen. Ein kleines Mädchen hat sie laut Anklage so lange zum Essen gezwungen, bis es erbrach. Einen Jungen soll sie zur Strafe brutal aus einem Hochbett gerissen haben. Der Einjährige knallte mit dem Kopf auf den Boden. Des Weiteren soll sie die Kinder hochgehoben und mit voller Wucht mit dem Gesäß auf den Boden geknallt haben. Dass dabei nichts Schlimmeres passiert ist, sei reiner Zufall gewesen, so der Staatsanwalt.
Laut Staatsanwaltschaft sollen von den Übergriffen mindestens vier Kinder – ein Mädchen und drei Jungen – im Alter zwischen 18 Monaten und zwei Jahren betroffen gewesen sein. Die Kleinkinder konnten schon laufen, aber nur zum Teil sprechen. Die Anklage warf der 31-Jährigen Körperverletzung in acht Fällen, Nötigung, Misshandlung von Schutzbefohlenen, gefährliche Körperverletzung und versuchte schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen vor.
Gruppenleiterin: Ein Jahr lang untätig zugesehen?
Die Gruppenleiterin selbst soll während der meisten Taten untätig geblieben sein. Sie soll die Kinder nach den Übergriffen lediglich getröstet haben und die Eltern sogar belogen haben, so die Staatsanwaltschaft. Laut Anklage habe die Gruppenleiterin die Taten weder den Eltern noch der Kindergartenleitung rechtzeitig gemeldet, um so künftige Übergriffe zu verhindern. Sie ist deshalb angeklagt, sich durch Unterlassen der vorsätzlichen Körperverletzung, der Misshandlung von Schutzbefohlenen, sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht zu haben.
Erst als die Hauptangeklagte nach einer Krankheit zurück in die Kita kam und sich weiterhin aggressiv verhalten habe, soll die Gruppenleiterin die mutmaßlichen Vorfälle der Kitaleitung gemeldet haben – rund ein Jahr nach den angeklagten Übergriffen, die sich im Jahr 2021 ereignet hatten. Im Prozess begründet die damalige Gruppenleiterin ihr Schweigen mit der Angst, dass ihr keiner glauben würde. Die Gemeinde hatte die beiden Erzieherinnen kurz vor Weihnachten 2022 vom Dienst suspendiert. Anfang 2023 hatte Bürgermeisterin Karin Kuhn dann erst die Eltern in einem Rundschreiben informiert und die Polizei eingeschaltet.
Strafrahmen: Bis zu 15 Jahre Haft möglich
Wegen der besonderen Bedeutung des Falls hatte die Staatsanwaltschaft Anklage am Landgericht erhoben. Die besondere Bedeutung ergibt sich demnach etwa aus dem Alter der Opfer und der Tatbegehung im Kindergartenalltag. Der Strafrahmen für versuchte schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen liegt laut Staatsanwaltschaft bei ein bis 15 Jahren.
Im Video: Erzieherin zu Bewährungsstrafe verurteilt
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