Wenn der bayerische Landkreistagspräsident Thomas Karmasin (CSU) nach seinen Erwartungen an die Ministerpräsidentenkonferenz von Bund und Ländern gefragt wird, dann holt der Landrat von Fürstenfeldbruck erst einmal tief Luft. Denn einerseits benötigt er einen langen Atem, um alles aufzählen zu können, was er vor Ort bräuchte, um den Geflüchteten auch nur irgendwie gerecht zu werden. Mehr Liegenschaften, sprich Wohnungen. Mehr Personal in den Ämtern und für Sprachkurse und noch vieles mehr.
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Landkreise: Zuwanderungsbegrenzung kommt nicht voran
Zum anderen schwingt auch eine gewisse Resignation mit: Die Themen seien ja doch immer die gleichen, sagt Karmasin. Er kritisiert, "dass die Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung nach wie vor wenig vorankommt". Alle zwei Wochen komme wieder ein Bus mit 50 Flüchtlingen in den Landkreis Fürstenfeldbruck.
Von "Entspannung" könne er da seit letztem Herbst deshalb nicht sprechen, so Karmasin. Der Landkreis Fürstenfeldbruck hat rund 220.000 Einwohner.
Hilferuf der Kommunen: "Wir können nicht mehr!"
"Die Erwartungshaltung der Kommunen ist eine relativ gedämpfte", sagt auch Karmasins CSU-Parteifreund Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetags, mit Blick auf vergangene Ministerpräsidentenkonferenzen. Denn Bund und Länder wüssten eigentlich, was die Kommunen bräuchten: mehr Geld, mehr Wohnungen, mehr Köpfe für die Integrationsarbeit. Und: weniger Geflüchtete. "Wir können nicht mehr, wir haben zu viele aufgenommen", so der Hilferuf Brandls.
Und so ist sein Appell heute nach Berlin mehr als deutlich: Die so genannten Pull-Faktoren, also alle Anreize für Geflüchtete nach Deutschland zu kommen, müssten weg und die Pläne für internationale Abkommen forciert werden, um Zuwanderung zu begrenzen.
Brandl: Familiennachzug begrenzen
Brandl fordert vom Bund auch eine Neuregelung des Familiennachzugs. Ihm zufolge solle der nur noch möglich sein, wenn ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht, "und zwar durch denjenigen, der die Familie holt und wenn derjenige auch für den Unterhalt der Familie aufkommen kann". Momentan, so ein aktuelles Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in München, muss die Kommune im Zweifel ein Dach über dem Kopf bereitstellen.
Bezahlkarte als "Gamechanger"?
Lob gibt es vom Gemeindetagspräsidenten für die bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz im Herbst vereinbarte Einführung der Bezahlkarte. Weniger Bargeld heißt für ihn: weniger Anreize. Allerdings warnen andere, die Bezahlkarte sei bloße Symbolpolitik. Kriegs- aber auch Wirtschaftsflüchtlinge würden sich dennoch auf den Weg nach Deutschland machen.
"Ein Gamechanger ist es sicherlich nicht", denkt auch Landrat Thomas Karmasin. Aber ihm gefällt vor allem am etwas strikteren bayerischen Modell, das noch einmal weniger Bargeld für Geflüchtete vorsieht, dass jetzt "endlich mal ein Signal in die Welt gesendet wird". Man müsse den Menschen zeigen, "dass Entscheidungen auch mal umgesetzt werden", so Karmasin und fordert ganz generell von Bund und Ländern, in der Flüchtlingsfrage "entschlossen und geschlossen" zu agieren.
SPD-Landrat: Es geht um Menschen
Eine etwas andere Tonart bringt der SPD-Landrat aus dem mittelfränkischen Roth in die Debatte ein. Ben Schwarz betont zwar, Kommunen und Landkreise hätten alle die gleichen Schwierigkeiten und Sorgen. Auch er beklagt fehlenden Wohnraum. Wenn Einheimische und Geflüchtete nicht mehr um bezahlbare Wohnungen konkurrieren müssten, würde das die Akzeptanz in der Gesellschaft erhöhen.
Vor dem Treffen von Bund und Ländern mahnt Schwarz aber, nicht zu vergessen, dass immer noch über Menschen gesprochen werde. Er fordert eine langfristige und nachhaltige Strategie in der Flüchtlingspolitik – unter anderem die Bekämpfung von Fluchtursachen.
Flüchtlingshelferin warnt vor Schnellschüssen
Im Landkreis Fürstenfeldbruck von Landrat Karmasin ist Eva-Maria Heerde Leiterin eines Helferkreises Asyl. Sie warnt vor der MPK an diesem Mittwoch vor Schnellschüssen und Symbolpolitik. Heerde, die seit sechs Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, fragt sich: "Wie getrieben sind die Politiker, was suggerieren sie und verkaufen uns als Lösungen, was de facto keine ist, wo schon die Fachleute sagen, vergiss es?"
Ein Beispiel ist für sie das Rückführungsbeschleunigungsgesetz, oder wie der Kanzler einst angekündigt hatte "Abschieben im großen Stil". Experten erwarten sich davon keine signifikante Änderung der Zahl an Geflüchteten, oft wegen bürokratischer Hürden. Flüchtlingshelferin Heerde fordert stattdessen, die Menschen, die hier sind, in Arbeit zu bringen. Erst kürzlich hat sie sich dafür eingesetzt, dass ein Krankenpfleger, der in den Kongo abgeschoben werden sollte, doch bleiben konnte.
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