Ihre Klimabilanz ist umstritten. Trotzdem hat Wolfgang Schlegel mit Pellets eigentlich alles richtig gemacht. Der Familienvater aus Pulling bei Freising hat 2008 gebaut, bereits damals auf optimale Dämmung geachtet und sich bewusst für eine Pelletheizung entschieden: "Der grüne Gedanke hat es ausgemacht, wir wollten eine Pelletheizung haben, auch weil wir uns nicht abhängig machen wollten von Öl-und Gaspreisen", sagt Schlegel. Nun aber sind die Preise für Pellets förmlich explodiert.
Petition gegen hohe Pelletpreise
Die Entscheidung hat er bis vor wenigen Monaten nicht bereut. Mit der Heizung selber ist er sehr zufrieden, hat auch - dank des gedämmten Hauses und der Wärmeschutzfenster - viel an Heizkosten eingespart. Jetzt ist das anders, müsste er nun die üblichen vier Tonnen Pellets kaufen, wären statt knapp 1.000 Euro über 3.000 Euro fällig.
Warum die Preise derart stark gestiegen sind, konnte ihm noch niemand schlüssig erklären, schließlich handele es sich, so Schlegel, doch um einen regionalen Rohstoff. Deshalb hat der Familienvater eine Petition an den Bayerischen Landtag geschrieben und um Aufklärung gebeten.
Sind wirklich Krieg und Energiekosten alleine schuld?
Wer ist nun verantwortlich für die hohen Pelletpreise? Einige Hersteller und Händler verweisen auf die hohen Energiepreise und den Ukrainekrieg. Ein Interview möchte aber niemand geben. Dabei wirbt eine Firma beispielsweise gerade damit, nur heimisches Holz zu verwenden und sogar den Strom für die Pellet-Produktion selber zu produzieren.
Heimisches Holz zu billig?
Die Spurensuche wird schwierig und beginnt bei den Waldbauern. Von ihnen kommt schließlich der Rohstoff Holz. Andreas Täger, Geschäftsführer der Westallgäuer Waldbesitzervereinigung, winkt genervt ab: "Nein, die Waldbesitzer sind nicht die Gewinner, sondern in jeder Weise die Verlierer. Sie verlieren ihren Wald, verlieren an Holz-Wert und werden für den Rohstoff ungenügend bezahlt."
Seit Jahrzehnten habe sich der Preis für den Festmeter eher nach unten, als nach oben bewegt und liege wieder bei 100 Euro für den Festmeter. Die nächsten in der Produktionskette sind die Sägewerksbesitzer.
Sägemehl doppelt so teuer
Pellets werden schließlich aus Sägemehl gemacht, das beispielsweise bei der Produktion von Brettern anfällt. Als einziger angefragter "Säger" erklärt sich Hans-Peter Fickler aus Waltenhofen im Oberallgäu zum Interview bereit. Er sieht die Branche zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Er gibt zwar zu, dass sich sein Verkaufspreis um einhundert Prozent gesteigert hat, allerdings hätte er in der Pandemiezeit das Restholz "fast verschenken müssen". Und wenn nun ein Händler käme und sagt, "ich biete Dir zehn Euro mehr für die Tonne, dann mache ich das, das ist Marktwirtschaft".
Zwischen dem Sägewerk und der Pelletfabrik gibt es noch ein Bindeglied, meist ein Transportunternehmer, der eben mit seinen Lkw das Restholz abholt, eventuell zwischenlagert und dann an den Meistbietenden verkauft. Anfragen an entsprechende Unternehmen nach einem Interviewtermin oder die Bitte um Beantwortung von Fragen liefen ins Leere.
Klopapiereffekt jetzt bei Pellets
Bleibt als direkter Kontakt zum Kunden der Pellet-Produzent und der Pellet-Händler. Auch hier will sich niemand vor dem Mikrofon äußern. Die angefragten Unternehmen verweisen auf die Argumente und Antworten vom nationalen "Deutsche Energieholz- und Pelletverband": die stark gestiegenen Energiepreise und die starke Nachfrage durch die Verbraucher. Hier fällt dann erstmals unter der Hand der Begriff "Klopapiereffekt", der seit der Pandemie bekannt ist. Ein Phänomen, das auch Helmut Schellinger aus Weingarten in Baden-Württemberg kennt. Der Physiker ist ein Pionier der Pellet-Szene, produziert seit über 20 Jahren "aus Überzeugung" und öffnet für ein Interview nicht nur seine Tür, sondern auch seine Geschäftsbücher.
"Preislich sind wir ein Durchlauferhitzer, 60 bis 80 Prozent des Endpreises für Pellets fallen auf den Rohstoff." Helmut Schellinger, Pelletproduzent
Auch hier wieder Nachfrage und Angebot. Anfang Juli dieses Jahres standen bei ihm Telefonanlage und Server kurz vor dem Ausfall. Der Grund: Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach in einem Interview über den bevorstehenden Winter und die Schlagzeilen lauteten dann, "wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen".
Das war dann der "Klopapiereffekt" aus den Pandemiezeiten. Wer bereits eine Pelletheizung hatte, versuchte so viel die Lagerstätte hergab zu ordern. Andere sahen in Pelletöfen eine günstigere Alternative zu Öl und vor allem Gas und stürmten den Handel und die Baumärkte. Es folgte eine Nachfrage nach Pellets, die niemand so vorhergesehen hatte.
Russland liefert kein Restholz mehr
Und der Ukrainekrieg, der häufig als Argument herhalten muss? Schellinger bejaht dies, denn die großen Restholzmengen aus Russland für die skandinavischen Länder, hier vor allem für die Papierindustrie in Finnland, blieb aus und die Nachfrage aus dem hohen Norden erreichte auch den Süden von Deutschland.
Gibt es einen Silberstreif am Horizont? Schellinger verweist auf die "Glaskugel" und wagt keine Prognose, eher einen Wunsch, dass sich die Preise für die Tonne Pellets bei 400 bis 500 Euro pro Tonne einpendeln werden.
Sägewerksbesitzer und Händler mit satten Gewinnen
Fazit: Der enorm gestiegene Pelletpreis mag auch von gestiegenen Energiepreisen beeinflusst werden. Da aber offenbar weder bei den Waldbauern mehr Geld ankommt, noch die Pellet-Produzenten über die Maßen aufschlagen, scheint die abrupt gestiegene Nachfrage den Sägewerksbesitzern und vor allem den Zwischenhändler ein beträchtliches Gewinn-Plus zu ermöglichen.
- Zum Artikel: Neue Heizung: Das sind die Alternativen zu Öl und Gas
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