Der Fahrradbestand in Deutschland ist seit 2019 um sage und schreibe 8,1 Millionen Stück auf 84 Millionen gestiegen. Rein rechnerisch hat damit bereits jedes Neugeborene in Deutschland ein Fahrrad im Keller stehen.
Treiber der Entwicklung sind E-Bikes. Seit 2019 hat sich die Zahl der elektrifizierten Fahrräder auf 11 Millionen mehr als verdoppelt. Bei den Verkaufszahlen hat das E-Bike im vergangenen Jahr erstmals das normale Fahrrad überholt. Dennoch ist der Gesamtumsatz der Branche gegenüber 2022 um 300 Millionen Euro zurückgegangen.
Volle Lager sorgen für satte Rabatte
Der Corona-Boom der Branche ist abgeflacht. Die Lager sind vielerorts prall gefüllt. Es fühlt sich beinahe wie die Ironie des Schicksals an: Endlich sind Komponenten und Produkte wieder lieferbar und die Lager werden gefüllt – da sinkt das Interesse. Doch Konrad Irlbacher, Geschäftsführer vom Radhersteller Corratec in Raubling und Vorstand vom "ZIV – Die Fahrradindustrie", sieht den Trend zum Zweirad ungebrochen. Er prognostiziert sogar eine rosa Zukunft. Eine Marktsättigung sieht er noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: In der Corona-Pandemie hätten viele die Liebe zum Rad entdeckt - ob als Sportgerät oder um in die Arbeit zu kommen. Immer mehr hätten mittlerweile sogar ein Zweit- oder Drittrad. Zudem gebe es zurzeit so viel Rad wie noch nie auf dem Markt.
Mittlerweile liegt der durchschnittliche Verkaufspreis für E‑Bikes laut ZIV bei 2.950 Euro. Aufgrund der vollen Lager locken viele Geschäfte mit hohen Rabatten – zumindest, wenn es kein ganz neues Modell ist. Auch auf dem Gebrauchtmarkt sinken in diesem Frühjahr die Preise und auch hier wartet das ein oder andere Schnäppchen. Konrad Irlbacher sagt, so günstig wie jetzt werden Räder nicht mehr so schnell sein.
Das Fahrrad wird das neue Auto
Wer will, kann sein Zweirad zum rollenden Hightech-Wunder machen. Und dazu gehört nicht nur der mittlerweile fast obligatorische E-Antrieb: Wie schon bei den Autos sind auch bei Fahrrädern Automatikgetriebe immer mehr im Kommen. Immer öfter finden sich statt mechanischer Schaltungen elektronische Gangwechsler. Diese übertragen Schaltbefehle per Funk oder Kabel. Der Vorteil: Die Schaltungen arbeiten schneller, zuverlässiger und wartungsärmer.
Auch können individuelle Schaltlogiken eingerichtet werden, um die Schaltung besser auf die Fahrweise der Radfahrenden abzustimmen. So wechselt diese Halbautomatik unter bestimmten Bedingungen automatisch in einen vordefinierten Gang, um beispielsweise das Anfahren zu erleichtern. Der nächste Schritt ist dann die Vollautomatik: Radfahrende schalten nicht mehr selbst, sondern das System wählt abhängig von einer im Vorfeld definierten Trittfrequenz die passenden Gänge. Erste Vollautomatikschaltungen sind schon auf dem Markt. Allerdings sind die Produkte preislich noch im Premiumsegment angesiedelt. Die Systeme lassen sich auch nicht nachrüsten, sondern brauchen immer ein neues Rad.
Fahrradblinker sollen bald für alle erlaubt sein
Egal, ob mit Motor oder ohne: Das Verkehrsministerium will künftig flächendeckend Blinker an Fahrrädern zulassen. Bislang geht das nur für spezielle Modelle. Eine Pflicht soll es aber nicht geben. Das Ministerium sei besorgt über die steigende Anzahl von Unfällen mit Pedelecs, hieß es von einer Sprecherin. Pedelecs sind Räder, die mit Motorunterstützung - je nach Variante - bis zu 25 oder sogar 45 km/h schnell fahren können. Für die Anzeige eines Abbiegevorgangs sei es derzeit erforderlich, die Hand vom Lenker zu nehmen. Hierdurch könne es in schwierigen Situationen zur Beeinträchtigung der Fahrstabilität und zu einem geänderten Bremsverhalten kommen. Dies könnte durch einen Blinker entschärft werden.
Vermutlich noch in diesem Jahr könnte es mit den Blinkern so weit sein, bei sogenannten S-Pedelecs oder mehrspurigen Rädern sind sie bereits erlaubt. Verschiedene Hersteller bieten schon Lösungen zum Nachrüsten an. Auch immer beliebter werden Bremslichter. In den Rückleuchten sind Beschleunigungssensoren verbaut. Sie erkennen einen Bremsvorgang anhand der Bewegungen des Fahrrads und leuchten auf, wenn das Bike langsamer wird.
Lastenräder-Boom, aber auch Schattenseiten
Inzwischen prägen Lastenräder das Stadtbild in Deutschland. Viele nutzen das Gefährt als Alternative zum Auto. Die Parkplatzsuche ist damit kein Problem mehr, zudem lässt sich beachtlich vieles damit transportieren - von Einkauf bis zu Kindern. Bei E-Cargobikes verzeichnete der ZIV den größten Zuwachs. 2023 lag der Verkauf bei 189.000 Stück, ein Wachstum von 14,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Jedoch warnen ADAC und Unfallexperten vor den Gefahren der Lastenräder. Die Räder sind sehr breit und schwer, lassen sich daher eher schwer manövrieren. Sie haben einen langen Bremsweg und kippen leicht um.
Crashtests der Landesverkehrswacht NRW hatten deutschlandweit in den Medien für Aufsehen gesorgt. Sie demonstrieren, dass die Fahrt mit dem Lastenrad gefährlich wird, wenn es zu brenzligen Situationen kommt. Unfallexperten fordern deshalb Regelungen zu Größe und Gewicht der Fahrräder.
E-Bikes werden immer leichter
Jahrelang gab es bei E-Bikes nur eine Richtung: mehr Reichweite, mehr Power, mehr Technik, mehr Gewicht. Die Folge, echte Schwergewichter auf zwei Rädern, teilweise bis zu 30 Kilogramm schwer. Allein leistungsstarke Motoren mit großen Akkus wiegen schnell mal acht Kilo und mehr. Jetzt setzt aber ein Wandel ein. Leichte E-Bikes treten aus dem Schatten der großen, schweren Räder.
Mittlerweile sind Leicht-E-Bikes mit um die 20 Kilogramm auf dem Markt. Doch weniger Gewicht lassen sich die Fahrradhersteller bezahlen. Auch die Reichweite ist vielfach reduziert, da nur kleinere Motoren und schwächere Akkus zum Einsatz kommen. Um das zu kompensieren setzen Hersteller auf dünnere Reifen mit leicht laufenden Profilen. Doch auch die Fahrerin oder der Fahrer ist mehr gefordert. Diese Räder animieren aktiver zu fahren und bewusster zu treten. So wird seltener in der höchsten Unterstützungsstufen gefahren denn damit kann die Reichweite deutlich erhöht werden. Leichte-E-Bikes sind also vor allem eher was für den, der gern mal sportlicher unterwegs ist.
Gravelbikes erhalten weiteren Schwung
Bei unmotorisierten Fahrrädern war im letzten Jahr eine starke Nachfrage nach Begleitern für die Stadt festzustellen. Laut ZIV waren 86,5 Prozent der 2023 verkauften Fahrräder solche für die Nutzung im urbanen Raum. Im sportlichen Bereich ist eine wachsende Nachfrage bei Rennrädern und Gravelbikes zu sehen. "Lange Jahre dümpelte der Rennradmarkt etwas dahin. Deshalb freuen wir uns sehr, dass der Bereich in den letzten Jahren wieder am Wachsen ist", sagt Jacob von Hacht, Geschäftsführer von Stevens Bikes.
Das Gravelbike sorgt für Schwung auf dem Markt und ist der Trend der letzten Zeit. Es vereint das Beste aus allen Kategorien: Rennrad und Mountainbike. Die sportliche Geometrie und der Rennradlenker vermitteln auf der Straße fast die Leichtigkeit eines Rennrads und die breiteren, robusteren Reifen sind optimal für alle Feldwege, wo sich Kies und Schotter (Englisch "Gravel") befinden.
Im Video: Frühlingscheck für Fahrräder - was ist zu tun?
Dieser Artikel ist erstmals am 4. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!