Video: Mann telefoniert mit Arzt aus Rosenheimer Krankenhaus.
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Ein Mann ruft in einem Rosenheimer Klinikum an, konfrontiert einen Arzt und zeichnet das Gespräch in einem Video auf.

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#Faktenfuchs: Corona-Tote ohne positiven Test?

#Faktenfuchs: Corona-Tote ohne positiven Test?

Im Netz kursiert ein Video, in dem behauptet wird, es bräuchte mehrere positive Tests, um als Corona-Toter zu gelten. Das ist falsch, wie auch andere Behauptungen, die in dem Video aufgestellt werden. Ein #Faktenfuchs.

In einem Video, das sich derzeit auf Telegram, Youtube und Facebook verbreitet, hat sich ein Mann im Selfie-Modus dabei gefilmt, wie er mit dem Arzt eines Rosenheimer Krankenhauses telefoniert und ihn zur Todesursache seiner angeblichen Schwiegermutter befragt. Dabei behauptet er, seine Schwiegermutter sei von Ärzten des Krankenhauses als Corona-Tote ausgewiesen worden - angeblich ohne positiv getestet worden zu sein. Außerdem erzählt er, der Hausarzt habe zuvor eine gewöhnliche, nicht durch Sars-Cov-2 ausgelöste, Lungenentzündung diagnostiziert.

Das betroffene Klinikum hat dem #Faktenfuchs bestätigt, dass das Telefonat mit einem seiner Ärzte geführt wurde, das Gespräch ist also authentisch. Die Behauptungen des Mannes in dem Video lassen sich jedoch widerlegen.

Corona-Infektion kann auch klinisch diagnostiziert werden

So behauptet der Mann in dem Video, es bedürfe dreier positiver Tests, damit jemand als Corona-Toter gelten kann. Der Arzt am anderen Ende der Leitung widerspricht, wie in dem Video zu hören ist. Auch dem Robert Koch-Institut (RKI) ist auf #Faktenfuchs-Anfrage eine solche Praxis nicht bekannt. Grundsätzlich ist ein positiver PCR-Test ausreichend, um als Corona-Infizierter zu gelten, schreibt auch das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf #Faktenfuchs-Anfrage.

Der Arzt des Rosenheimer Krankenhauses erläutert dem Mann in dem Video, dass eine Diagnose auch anderweitig möglich sei, etwa wenn das Bild der Lunge eindeutig auf eine Covid-Pneumonie hinweise. Eines positiven Tests bedürfe es in diesem Fall für eine klinische Diagnose nicht.

Das bestätigt auch eine Sprecherin des RKI: "Es gibt spezifische radiologische Hinweise, die auf Covid-19 hindeuten. Das Virus führt zu relativ typischen Lungenveränderungen, die von anderen Entzündungsformen der Lunge abgegrenzt werden können. Es gibt also die ärztliche Möglichkeit einer klinischen Einstufung einer Covid-Erkrankung."

Covid-krank trotz negativer Tests?

Der Mann in dem Video behauptet mehrmals, dass bei der später Verstorbenen zwei Testergebnisse negativ ausgefallen seien und stellt infrage, wie das angesichts der Todesursache sein könne. Das RKI verweist auf verschiedene Möglichkeiten, wie so etwas passieren könne. Auf seiner Website schreibt das Institut, "ein negatives PCR-Ergebnis schließt die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht aus".

Der Grund könne eine schlechte Qualität der Probennahme oder auch ein, auf den Krankheitsverlauf bezogen, "ungünstiger Zeitpunkt" sein: “Bei tiefen Atemwegsinfektionen ist die alleinige Testung von Probenmaterial aus dem Oro- und Nasopharynx zum Ausschluss einer Infektion nicht geeignet, da in dieser Phase der Erkrankung ggf. nur Material aus dem unteren Respirationstrakt oder Stuhl in der PCR positiv sind.”

Das heißt: Im Fall einer Infektion der tieferen Atemwege müsste die Probe direkt aus der Lunge oder dem Kot entnommen werden, um ein zuverlässiges Testergebnis zu liefern, und nicht wie sonst üblich aus dem Nasen- oder Rachenraum. Auch das LGL bestätigt das und präzisiert: Insbesondere ab der zweiten Woche bzw. in der “späten Phase der Infektion” schließe ein negativer PCR-Test eine Erkrankung nicht aus.

Bereits widerlegt: die angeblich systematische Covid-19-Deklarierung von Toten

Der Mann erhebt außerdem mehrere bereits widerlegte Vorwürfe, dass Krankenhäuser systematisch Corona-Tote erfinden würden, "damit die Zahlen stimmen". Diese Behauptungen sind falsch, wie dieser und dieser #Faktenfuchs zeigen.

  • Alle aktuellen Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier.

Auch das BR24-Youtube-Format “Possoch klärt” hat sich bereits mit Fragen zum Thema der Corona-Toten befasst:

Covid-Tote ohne PCR-Test nicht Teil der RKI-Statistik

Die Anschuldigung, dass die Krankenhäuser durch solche Fälle die Zahl der Corona-Toten steigere, entbehrt gerade im Fall der angeblichen Schwiegermutter jeglicher Grundlage. Eine Person, die aufgrund des klinischen Befundes eindeutig an ihrer Covid-Erkrankung gestorben ist, zuvor aber nicht positiv getestet wurde, zählt nicht als vom RKI ausgewiesener Covid-19-Todesfall. Nur Verstorbene, die zuvor einen positiven PCR-Test hatten, werden in der offiziellen Statistik erfasst. Das bestätigen RKI, LGL und das betroffene Krankenhaus in Rosenheim übereinstimmend dem #Faktenfuchs. Das Krankenhaus schreibt in Hinblick auf den im Video thematisierten Fall: “Die im Video genannte Patientin wurde dementsprechend korrekterweise nicht dem Gesundheitsamt gemeldet.”

Belege für seine Anschuldigungen und Behauptungen liefert der Mann in dem Video nicht. Am Ende des Videos räumt er sogar ein, der Totenschein sei noch gar nicht ausgestellt, er sei "falsch informiert worden". In einem zweiten Video, das sich einige Tage nach dem ersten verbreitet, sagt der Mann, die Angehörigen hätten nun Unterlagen vom Krankenhaus angefordert. Konkrete Angaben zum Fall der angeblichen Schwiegermutter, wie etwa, dass zwei Tests negativ waren, lassen nicht überprüfen - das Klinikum macht aus Datenschutz- und Schweigepflichtsgründen keine Angaben.

Telefonmitschnitt mit möglichen juristischen Folgen

Dass der Mann das Gespräch mit dem Rosenheimer Arzt per Video mitgeschnitten hat, könnte Folgen für ihn haben. Denn: Solche Mitschnitte ohne Einwilligung des Gesprächspartners sind in Deutschland verboten. Das betroffene Klinikum hat dem #Faktenfuchs bestätigt, dass es eine Unterlassungsverfügung anstrebt und sich vorbehält, auch strafrechtliche Schritte einzuleiten.

Eine Sprecherin des Klinikums schreibt außerdem, dass man trotz des Vorfalls weiter telefonisch Auskünfte an Angehörige geben werde.

Fazit

Die Aussagen des Mannes in dem Video über drei angeblich erforderliche positive Corona-Testergebnisse sind falsch. Manche Aussagen zu dem konkreten Fall der angeblichen Schwiegermutter lassen sich nicht überprüfen. Die Aussagen des Arztes in dem Video sind korrekt: Es bedarf keines positiven Tests, um klinisch eine Covid-19-Erkrankung bzw. den Tod daran zu diagnostizieren. Diese Personen, von denen kein positiver PCR-Test vorliegt, werden statistisch jedoch nicht als Corona-Tote ausgewiesen, wie RKI und LGL bestätigen. Das Krankenhaus bestätigt, dass dies auch bei der im Video thematisierten Patientin der Fall gewesen sei. Die Behauptung des Mannes, seine Schwiegermutter solle zu einer Corona-Toten umdeklariert werden, um die Zahlen nach oben zu treiben, ist damit widerlegt.

Hinweis: In diesem #Faktenfuchs haben wir zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten gewisse Quellen nicht verlinkt. Die im Titelbild verwendete Szene des Videos wurde stark verfremdet, damit sich die missbräuchlich entstandene Aufnahme nicht noch weiter verbreitet.

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