Geld für die Kitas oder Geld für die Kinderbetreuung zu Hause? An dieser Frage entzündet sich seit Jahren ein erbitterter Streit. Ein Blick zurück zeigt, welche Bedeutung das Familiengeld insbesondere für die CSU hat. Sie will die Leistung für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, bereits 2007 in der ersten Amtszeit von CDU-Kanzlerin Angela Merkel deutschlandweit umsetzen. Doch die Große Koalition wird sich nicht einig.
In der nächsten Legislatur unter Schwarz-Gelb soll das Gesetz dann kommen, unter dem Namen "Betreuungsgeld". Dorothee Bär (CSU) wirft 2012 Kritikern vor, sich in die einzelne Familie einmischen zu wollen: "Warum vertrauen Sie den Eltern in unserem Land so wenig?"
Selbst in der Union ist man über die "Herdprämie" uneins
Die Opposition ist seit jeher gegen Geld fürs Daheimbleiben. "Irrsinn", nennt es die damalige Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast: "Damit versündigen Sie sich an den Kindern und Sie versündigen sich auch an den jungen Frauen, denen Sie suggerieren, sie könnten ihr Leben bestreiten, indem sie mit diesen 150 Euro zu Hause bleiben." Auch innerhalb der schwarz-gelben Koalition, ja selbst innerhalb der Unionsparteien herrscht lange Uneinigkeit. "Ich sehe mit Interesse, dass bei der Herdprämie bei der CDU der Ofen längst aus ist. Die CSU steht in der kalten Küche", sagt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle.
Mit dem Begriff "Herdprämie" verspotten Kritiker das Betreuungsgeld. Es halte besonders Mütter von der Berufstätigkeit ab und fördere ein antiquiertes Familienbild. Doch am Ende setzt sich die CSU durch. Im November 2012 beschließt Schwarz-Gelb das Betreuungsgeld, wenn auch mit einigen Gegenstimmen von Union und FDP.
Bundesverfassungsgericht kippt deutschlandweites Betreuungsgeld
Lange Bestand hat das Gesetz nicht. Im Sommer 2015 erklärt das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld für verfassungswidrig. Begründung: Der Bund habe nicht die Kompetenz für ein solches Gesetz.
Die CSU setzt ihr Herzensprojekt dann 2018 zumindest in Bayern als "Familiengeld" um. Eltern bekommen unabhängig von ihrem Einkommen monatlich 250 Euro im zweiten und dritten Lebensjahr jedes Kindes, insgesamt also 6.000 Euro. "Wir schaffen damit maximale und echte Wahlfreiheit für junge Familien", sagt der damals frisch ins Amt gewählte CSU-Ministerpräsident Markus Söder. Er und seine Partei betonen seither stolz, dass es das Familiengeld nur in Bayern gibt.
Nach der Haushaltsklausur des bayerischen Kabinetts folgt dann in dieser Woche der Einschnitt: Die Direktzahlungen an Eltern werden auf einmalig 3.000 Euro halbiert. Die andere Hälfte werde in den Kitaausbau gehen, verspricht Söder. Ab Anfang 2026 soll die Kürzung für alle Familien gleichermaßen gelten, egal wie viel sie verdienen. Besonders daran entzündet sich scharfe Kritik der Opposition.
Münch: Wermutstropfen, aber kein Paradigmenwechsel
"Aus Sicht der CSU ist es sicherlich ein ziemlich großer Wermutstropfen", sagt Politikwissenschaftlerin Ursula Münch dem BR. Mit dem Familiengeld habe die Partei ein "familienpolitisches Bekenntnis" abgegeben - nämlich Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, nicht schlechter zu stellen.
Neben dem Familiengeld soll auch das Pflegegeld halbiert, das Krippengeld faktisch ganz gestrichen werden. Vollzieht die CSU einen Schwenk in der Sozialpolitik? Verblasst das "S" im Parteinamen?
Die Kürzung komme daher, "dass auch im Freistaat Bayern die Steuereinnahmen zurückgehen", sagt Münch. "Wenn man weniger zur Verfügung hat, ist es klüger, nicht mit dem Gießkannenprinzip vorzugehen." Man müsse priorisieren, und es gebe die Erkenntnis, dass Gelder für Infrastruktur, also den Ausbau der Kinderbetreuung, unter Umständen wirksamer sind. Einen "Paradigmenwechsel" sieht Münch deshalb nicht: "Es wäre auch unsozial, wenn man so tun würde, als ob es diese Haushaltsknappheit nicht gäbe."
Keine vernehmbare Kritik innerhalb der CSU
Die Umschichtung beim Familiengeld hält Münch in Zeiten knapper Kassen für "eine pragmatische Lösung“. Es handle sich dabei um eine zusätzliche Leistung: "Insofern kürzt man im Grunde beim Sahnehäubchen."
Aus der CSU gibt es bislang keine vernehmbare Kritik am zusammengestutzten Herzensprojekt Familiengeld. Das zeige, "dass die Beziehungen zwischen der Staatsregierung und der Landtagsfraktion offensichtlich ganz gut sind", so Münch. Es scheine viele Absprachen gegeben zu haben. Außerdem könnten die Abgeordneten in ihren Stimmkreisen darauf verweisen, dass das Geld der Kinderbetreuung zugutekäme: "Und das ist ja auch nicht nix."
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