In Bayern beklagen viele Kommunen, dass sie Flüchtlinge nicht mehr unterbringen können – kein Wunder, die Flüchtlingszahlen im Freistaat sind weiterhin hoch. Selbst Discounter und Turnhallen werden zu Notunterkünften. Auch im Landkreis Bamberg werden neue Unterkünfte gesucht, wie beispielsweise in Scheßlitz und Breitengüßbach. Oder auch in Zapfendorf. Dort sollen Asylsuchende in ein Container-Dorf einziehen – und dagegen regt sich aus unterschiedlichen Gründen Protest. Rechtsextreme Gruppen versuchen laut BR-Recherchen die Stimmungslage zu nutzen und die Proteste zu instrumentalisieren. Für ihr Ziel, Rassismus zu schüren, setzen sie auf Hetze.
Neonazis organisieren Kundgebungen in Oberfranken
Demnach agitieren vor allem die Neonazi-Kleinpartei "Der dritte Weg" und die Kameradschaft "Kollektiv Zukunft schaffen – Heimat schützen" (KZSHS) in Oberfranken gegen die Unterbringung von Geflüchteten. So führte die Partei seit Jahresbeginn regelmäßig Kundgebungen in Breitengüßbach und Scheßlitz durch. Beide Orte liegen im Landkreis Bamberg.
Unterstützt wurden die Rechtsextremen nach BR-Recherchen von der nordbayerischen Gruppe KZSHS, die in sozialen Netzwerken zurzeit mehr als 1.200 Personen erreicht und durch NS-Verherrlichung auffällt: "Die Gruppierung verherrlicht die Zeit des Nationalsozialismus und Faschismus und gedenkt in diesem Zusammenhang Horst Wessel, Rudolf Heß, Benito Mussolini oder Adolf Hitler", heißt es vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks.
Bürger beteiligten sich an rechtsextremen Versammlungen
Rechtsextreme Agitatoren suchen sich gezielt Kleinstädte und Gemeinden, in denen Flüchtlingsunterkünfte geplant werden. Dort organisieren sie Versammlungen und laden mit Flugblättern dazu ein. BR-Recherchen zufolge gelang es ihnen dabei, Bürgerinnen und Bürger aus den Ortschaften mit ihren Kundgebungen gegen lokale Flüchtlingsunterkünfte anzusprechen. Das bestätigt auch der Inlandsgeheimdienst. Der Verfassungsschutz beobachtete, dass sich teilweise eine "signifikante Anzahl von Personen aus dem bürgerlichen Milieu dem Protestzug des III. Weg angeschlossen hat."
Bei weiteren Kundgebungen der Partei allerdings blieben die Neonazis meist unter sich. Der bayerische Verfassungsschutz vermutet, dass die "bürgerlichen Personenkreise die kommunale Unterbringung von Flüchtlingen zwar weiterhin ablehnen, allerdings nicht gemeinsam mit offen rechtsextremistischen Personen und Organisationen auf der Straße protestieren wollen."
Gemeinderäte fühlten sich bedroht
In Zapfendorf allerdings eskalierte Ende Januar eine Gemeinderatsitzung. Als dort über den Bau von Containern für Asylsuchende diskutiert wurde, kamen, statt üblicherweise einer Handvoll Zuhörer, plötzlich 70 Personen. Es kam zu tumultartigen Szenen. Am Ende musste die Polizei einschreiten und den Sitzungssaal räumen. "Dabei fühlte sich alleine schon die große Menschenmenge bedrohlich an", erinnert sich der Bürgermeister. Dann seien Sätze gefallen wie "Merkt euch die Gesichter" und "Dann zünden wir eben das Haus des Bürgermeisters an". Noch heute beschäftigt das Thema viele Menschen im Ort.
Doch die Aktion in Zapfendorf kam nicht aus dem Nichts, sondern wurde im Vorfeld geplant. Schon Tage vorher tauchten verschiedene Flugblätter in der 5.000-Einwohner-Gemeinde auf. Unter der Überschrift "Unterbringung von Flüchtlingen in Zapfendorf" hieß es dort unter anderem: "Ihr habt Angst um Eure Kinder/Senioren/Frauen? Ihr habt Angst alleine rauszugehen?". Es folgte der Aufruf, die Gemeinderatssitzung mit Freunden, Nachbarn und Umfeld zu besuchen. Zudem hieß es: "Glaubt ihr wirklich, dass es nur um ein Containerdorf geht? Das wird erst der Anfang sein!" Von wem das Flugblatt erstellt wurde, war nirgends vermerkt.
Neonazis trommelten für Tumulte im Gemeinderat
Im Vorfeld warben auch Rechtsextreme für den Bürgerprotest im Zapfendorfer Gemeinderat. Nach BR-Recherchen wurde das Flugblatt außerdem in entsprechenden Neonazi-Gruppen verbreitet. Das fiel auch den Agenten des Verfassungsschutzes auf, denn die Neonazi-Partei "Der dritte Weg" hatte ab dem Nachmittag "mit einem Flyer in den sozialen Medien für die Teilnahme an der abendlichen Sitzung mobilisiert", heißt es vom Dienst.
Ein Bürger aus Zapfendorf, der den Flyer kennt, selbst verbreitet hat und bei dem Tumult anwesend war, sagte dem Bayerischen Rundfunk dennoch: "Wir wollen nicht in eine rechtsradikale Ecke kommen". Verantwortliche für den Flyer hätten diesen aus Angst aber nicht mit ihrem Namen unterschrieben, meint der Zapfendorfer, der seinen Namen nicht in den Medien lesen will. Eigentlich seien die Bürger nicht rassistisch eingestellt, auch wenn man im Ort teilweise Angst vor Flüchtlingen habe, erzählt der Mann. Doch trotzdem wollen er und sein Umfeld nun ergebnisoffen den Kontakt auch mit den Neonazis suchen.
Verfassungsschutz: Rechtsextreme wollen profitieren
Der Verfassungsschutz warnt: "Der III. Weg stellt sich im Rahmen seiner Anti-Asyl-Agitation nach außen als Anwalt des Volkes dar und versucht gerade in regionalen und meist ländlichen Bereichen politisch dadurch zu profitieren". Die Rechtsextremen würden so versuchen, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu beeinflussen und den Rechtsstaat und das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellen.
Doch in Oberfranken stellen sich viele den Rechtsextremen entgegen. Beispielsweise die Initiative "Omas gegen Rechts". Wenn die Rechtsextremen aufkreuzen, melden sie Gegendemonstrationen an. Vor wenigen Tagen erst standen einer Handvoll Neonazis rund einhundert Gegendemonstrantinnen und –demonstranten gegenüber. Laut den Aktivistinnen von Omas gegen Rechts würden die Rechten Ängste und Unsicherheiten der Bevölkerung dabei gezielt nutzen und Unwahrheiten und Fake-News verbreiten: "Es werden Aussagen getroffen, dafür gibt es keinerlei Belege. Und es wird suggeriert, dass nicht Menschen zu uns kommen, nicht notleidende Menschen, sondern dass Verbrecher ins Land kommen".
Nazi-Gegner stellen klare Forderungen an die Politik
Die Initiative fordert, dass die Politik vor Ort Aufklärungsarbeit leiste und die Menschen dort abholt "wo Unsicherheiten und Ängste sind". Zudem müsse nun eine klare Aufklärungsarbeit geleistet werden. "Auch hinsichtlich Sicherheitsfragen, was passiert, wenn da ein Unfall passiert, wer haftet", meinen die Aktivistinnen von Omas gegen Rechts, die lieber ohne ihre Namen in der Öffentlichkeit auftreten. Klar ist jedoch: Den Rechtsextremen wollen sie sich auch weiterhin entgegenstellen. Die Rechtsextremen planen unterdessen die nächste Demonstration in Zapfendorf. Und auch die Gegendemonstranten werden wieder vor Ort sein.
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