Trotz frühlingshafter Temperaturen schon im Februar werden am Wochenende wieder viele Allgäuerinnen und Allgäuer beim alljährlichen Funkenfeuer den Winter vertreiben. Jedes Jahr entzünden Vereine im Allgäu am ersten Wochenende nach Aschermittwoch die Feuer. Die Tradition wird zum Beispiel in Schwangau und Nesselwang begangen, aber auch in Reinhartshofen in der Nähe von Augsburg. Dabei gilt vielen Veranstaltern der Funkenfeuer die Funkenhexe als Symbol für den Winter.
Eine Umfrage der Allgäu GmbH ergab, dass die Mehrheit der Vereine auch dieses Jahr an der Praxis festhält, auch wenn sich Kritiker dagegen positionieren. Als Pressesprecherin der Allgäu GmbH kennt Simone Zehnpfennig die Argumente beider Seiten: "Ein Lebewesen zu verbrennen, und wenn es auch nur symbolisch ist, das ist ein unmenschlicher Akt und erinnert auch an dunkle Zeiten, die Hexenverbrennung. Auf der anderen Seite hat man Hexen im Sprachgebrauch drin, zum Beispiel in Grimms Märchen oder bei der alemannischen Fasnacht."
"Gehört zum Funken, wie der Christbaum zu Weihnachten"
Viele Organisatoren sehen darin eine Tradition, die nichts mit den historischen Hexenverfolgungen zu tun habe. So betont zum Beispiel Bernhard Thalhofer, Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr Illerberg/Thal im Landkreis Neu-Ulm, dass die Funkenhexe lediglich den Winter symbolisiere und keine Verbindung zu Frauenverfolgungen aufweise. Robert Hartge von der Katholischen Landjugendbewegung Lauben-Heising, die den Funken in Lauben im Oberallgäu organisiert, findet: "Das gehört einfach zum Funken dazu wie der Christbaum zu Weihnachten."
Kritik von Frauenrechtlerin
Fabian Schneider, Diözesanvorstand der Katholischen Landjugendbewegung Augsburg, distanziert sich hingegen von der Praxis der Verbrennung einer Funkenhexe. Sie habe auf den Funkenfeuern "gar nichts zu suchen", erklärt Schneider. Kritik kommt auch von Elisabeth Brock. Die Kemptener Feministin setzt sich nach eigenen Angaben schon seit rund 40 Jahren gegen die Verbrennung der Funkenhexe ein. "Ich kritisiere das, weil da eine Frauengestalt verbrannt wird und weil wir eine jahrhundertelange Verfolgung von Frauen als Hexen gehabt haben. Ich weiß nicht, wie man jetzt so unsensibel mit diesem Thema umgehen kann", so Brock. Sie ist selbst mit dem Funken aufgewachsen, würde gerne mal wieder einen besuchen. Brauchtum sei ihr wichtig, habe für sie aber eindeutig Grenzen: "Wenn ein Brauchtum entlarvt wird als frauenfeindlich, dann ist die Grenze erreicht, dann muss man sich einen anderen Brauch überlegen."
Brauch in der Region verwurzelt
Erste Aufzeichnungen des Brauchs sind laut dem Allgäuer Heimatforscher Berthold Büchele aus dem 19. Jahrhundert erhalten. Er geht aber davon aus, dass er auf weit ältere kultische Feuer zurückgeht, die den Winter vertreiben sollten. Es gebe sogar auffällige Parallelen mit keltischen Bräuchen, weshalb manche Forscher versuchen würden, eine Verbindung dazu herzustellen. Karl Milz, Vorstand des Heimatbunds Allgäu, betont: "Das Funkenfeuer hat viele Jahrhunderte überlebt, das Brauchtum ist in unserer Region verwurzelt."
Funkenfeuer im Wandel
Für Simone Zehnpfennig von der Allgäu GmbH ginge es auch ohne Hexen: "Das Wichtige ist, dass man rund ums Feuer steht, sich trifft, die Dorfgemeinschaft hat." Ihrer Meinung nach sieht man auch Anzeichen, dass sich etwas ändern könnte. So werde die Funkenhexe bei einigen Veranstaltern durchaus zurzeit diskutiert, in Kempten habe es beispielsweise kürzlich eine Podiumsdiskussion dazu gegeben. Wichtig ist für Zehnpfennig, den Menschen keine böse Absicht zu unterstellen, wenn sie eine Funkenhexe verbrennen. Dieser Brauch sei von innen gewachsen, auch wandeln könne er sich Ihrer Meinung nach nur von innen.
In Reinhartshofen im Landkreis Augsburg zum Beispiel verbrennen die Weihertaler Kickers statt einer Hexenfigur eine geschlechtsneutrale Strohpuppe, die sie auch so nennen.
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