"Geldautomatensprenger-Prozess" in Bamberg - Aufnahmen vom 08.05.24
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Geldautomatensprenger-Prozess in Bamberg startet neu

Geldautomatensprenger-Prozess in Bamberg startet neu

Der Prozess gegen eine mutmaßliche Bande von Geldautomatensprengern beginnt am Montag vor dem Landgericht Bamberg von neuem. Nachdem das Verfahren durch Anträge von Verteidigern ausgesetzt worden war, hat das Gericht den neuen Termin angesetzt.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Die ersten Prozesstage Anfang dieses Jahres waren schnell vorbei. Die Verteidiger der Angeklagten reichten zahlreiche Anträge ein, nachdem Akten, Videoaufzeichnungen und Chatauswertungen sowie Übersetzungen der holländischen Unterlagen zur Auswertung zu kurzfristig vorgelegt wurden. Das Gebot des fairen Verfahrens müsse gegeben sein, so das Gericht. Deshalb wurde nun der Prozess gegen die mutmaßliche Bande neu angesetzt. Die U-Haft der Angeklagten wurde fortgesetzt.

16 Angeklagte in einem Mammutprozess

Den 16 mutmaßlichen Tätern zwischen 24 und 42 Jahren wird vorgeworfen, im Zeitraum von 2021 bis 2023 für mehr als 30 Geldautomatensprengungen vorwiegend im Süden Deutschlands verantwortlich zu sein. Darunter auch für Taten in Zapfendorf, Forchheim, Bretzfeld, Regensburg und Stetten im Unterallgäu. Insgesamt sollen die Angeklagten mehr als drei Millionen Euro erbeutet haben. Der Sachschaden liegt nach Angaben der Staatsanwaltschaft bei mehr als 5,5 Millionen Euro.

Bei dem Vorgehen handle es sich laut Staatsanwaltschaft um "mafiöse Strukturen", jeder Angeklagte steht wegen zwei bis 27 Straftaten vor Gericht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: schwerer Bandendiebstahl in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Zerstörung eines Bauwerks. Hinzu kommt in den meisten Fällen auch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung.

Großer logistischer Aufwand

Die Beschuldigten im Geldautomatensprenger-Prozess, die aus Belgien und den Niederlanden stammen, sind derzeit in verschiedenen Haftanstalten in Bayern untergebracht, unter anderem in Bamberg, Nürnberg, Hof, Bayreuth, Kronach und Weiden. Das Verfahren ist dadurch mit einem enormen logistischen Aufwand verbunden. Die Angeklagten werden mit Polizeibegleitung aus ganz Bayern zum Prozess gebracht. Jeder der Angeklagten wird von mindestens zwei Anwälten verteidigt. Das hat den Grund, dass bei Ausfall keine Unterbrechung des Prozesses erfolgen muss, sondern der jeweilige zweite Verteidiger einspringen kann.

Es ist es ein Mammutprozess mit extremem Personalaufwand. Durch die große Anzahl der Beteiligten wurde der Prozess in die J.F. Kennedy-Halle auf dem Gelände der Bundespolizei in Bamberg verlegt. Statt Sport und Fortbildung für die Bundespolizisten erinnert die Situation jetzt eher an eine Abiturprüfung mit Tischen und Stühlen in gebührendem Abstand. Eine starke Polizeipräsenz inklusive. Für Prozessbeobachter, aber auch für die Beteiligten, ist das akustische Verfolgen des Verfahrens dadurch schwierig.

Staatsanwaltschaft: "Wir wollen die Strukturen dieser Banden zerschlagen"

Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat die Anklage für die Geldautomatensprenger-Bande übernommen, obwohl die Taten in ganz Deutschland stattgefunden haben sollen. Aus sachlichen und vor allem prozessökonomischen Gründen wurde das Verfahren gegen alle 16 mutmaßlichen Täter deshalb in Bamberg in einem Prozess zusammengelegt. Das sei, so die Staatsanwaltschaft Bamberg, in dieser Größenordnung im Freistaat das erste Mal, dass so viele mutmaßliche Täter in einem Prozess angeklagt werden und es sei einer der wenigen in Deutschland. "Wir wollen die Strukturen dieser Banden zunehmend zerschlagen. Dazu arbeiten wir auch bundesweit mit anderen Stellen zusammen", so die Anklagebehörde.

Eigentlich war der letzte Prozesstermin vom Gericht einmal für den 20. Dezember 2024 angesetzt worden. Durch die Neuansetzung des Prozesses hat sich das geändert. Der letzte Fortsetzungstermin ist im Januar 2026 anberaumt. Der Prozess dauert damit mehr als zwei Jahre.

Präzises Vorgehen und exakte Planung

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht einer hochorganisierten Vorgehensweise im Sinne einer organisierten Kriminalität. Es habe neben einer exakten Planung auch eine genaue Vorbereitung gegeben, die viel Fachwissen vorausgesetzt habe. Die Anklage geht davon aus, dass Tatorte genau ausgespäht wurden. In der Organisation der Bande habe es nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft auch eine genaue Hierarchie gegeben. Die Täter seien in Gruppen, bestehend aus Sprengsatzbauern über Logistiker, Fahrern und Sprenger vorgegangen. Die Tatverdächtigen mussten dabei eine Art "Kriminellenkarriere" durchlaufen. Meist hätten sie als Fahrer oder Logistiker angefangen und sich dann zum Sprenger hocharbeiten können.

Bei den Taten wurde nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft meist erst die Zugangstüre der Sparkasse oder Bank mit einem Gegenstand blockiert. Ein Kabel wurde nach außen gezogen, anschließend die Sprengung mithilfe eines Blitz-Knall- und Festsprengstoffs durchgeführt. Eine weitere Methode sei gewesen, einen Sprengsatz in den Geldausgabeschlitz einzuführen und zu zünden.

Die Täter seien dann geflüchtet und hätten in unmittelbarer Nähe des Tatortes gestohlene Kennzeichen an die Flucht-Pkw montiert. Nach Vermutungen der Anklage hätten die mutmaßlichen Täter anschließend mehrere Stunden in einem Versteck verharrt. Nach Abflauen der Fahndungsmaßnahmen durch die Polizei, wurden dann erst ein oder mehrere Späher vorausgeschickt. Später sei das Fahrzeug mit der Beute gefolgt und habe die niederländische Grenze überquert. Dort hätte es verschiedene Stützpunkte gegeben, entweder angemietete Garagen oder ein als Autowerkstatt getarntes Gebäude.

Taten in ganz Deutschland

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Bande im Januar 2022 eine Geldautomatensprengung in einer Sparkassenfiliale im oberfränkischen Zapfendorf verübt hat. Dort wurden fast 110.000 Euro erbeutet. Der Sachschaden betrug rund 142.000 Euro.

Auch die Sprengung im Juli 2022 in einer Bankfiliale im Forchheimer Ortsteil Kersbach schreibt die Anklage der niederländischen Bande zu. Insgesamt wurden dort rund 29.000 Euro erbeutet. Ein Kennzeichen für die Flucht sei in Nürnberg-Feucht entwendet worden. Die Filiale und das Gebäude erlitten starke Beschädigungen. Geschätzte Schadenssumme: 380.000 Euro.

Ebenfalls die Sprengung im Dezember 22 in der Bankfiliale in Dietmannsried im Oberallgäu gehe nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf das Konto der Beschuldigten. Beute: rund 26.000 Euro. Entstandener Sachschaden: rund 150.000 Euro. Wenige Tage später sei eine Bankfiliale in Odelshausen im Landkreis Dachau ein Tatziel gewesen. Beute: rund 222.000 Euro. Geschätzte Schadenssumme: 355.000 Euro. Oft sei es bei den Geldsprengungen nur Glück gewesen, dass es keine Verletzten gegeben hätte, da viele Häuser auch bewohnt waren.

In Deutschland hatten die Tatverdächtigen nach Erkenntnissen Staatsanwaltschaft viele Ziele. Von Berlin bis Hannoversch-Münden, von Wolpertshausen, Walldorf, Wolfsburg-Ehmen bis Luhe-Wildenau, Töging am Inn, Regensburg, Weßling, Plauen und Stetten im Unterallgäu.

Die Kennzeichen hätten sie dabei ebenfalls in ganz Deutschland entwendet. In Fürth genauso wie in Karlsruhe oder Bad Rappenau. Oft waren Park&Ride Parkplätze dabei ein Ziel. Aber auch Benzin, Werkzeuge und Getränke seien dabei aus einer Lagerhalle in Erding entwendet worden.

Immer mehr Geldautomatensprengungen

Sprengungen von Geldautomaten haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums hat sich vor allem 2022 die Situation deutlich verschärft. Mit 37 Geldautomatensprengungen wurde in ein Bayern ein Rekordwert verzeichnet (bundesweit: 493). Ein Jahr davor waren es 17 Sprengungen, 2020 bereits 24.

Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) spricht davon, dass Geldautomatensprengungen die Banküberfälle der Moderne seien. "Während die Zahl der traditionellen Banküberfälle deutschlandweit laut BKA von mehr als 1.600 im Jahr 1993 auf 28 im Jahr 2021 stark gesunken ist, nimmt das Sprengen von Geldautomaten erheblich zu. Zwischen 2006 und 2021 hat sich die Zahl von 30 auf knapp 400 mehr als verzehnfacht." Die bayerische Justiz werde konsequent gegen die Täter vorgehen, so der Justizminister weiter. Das Strafgesetzbuch sehe für Fälle der Geldautomatensprengung regelmäßig eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vor.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht aber auch die Bankenwirtschaft und Automatenhersteller in der Verantwortung. Die Maßnahmen im benachbarten Ausland und der dortige Rückgang der Sprengungen zeige, wie wichtig stärkere Vorkehrungen auch in Deutschland seien. Deutlich weniger Bargeldbestand in den Automaten würde das Aufsprengen weniger lukrativ machen. Auch der Einsatz von speziellen Einfärbe- und Klebesystem, dass Geldnoten unbrauchbare mache, sei eine Möglichkeit.

Taten gehen unvermindert weiter

Erst Anfang März 2024 gelang dem Bayerischen Landeskriminalamt in Zusammenarbeit mit der Polizei Oberfranken und Thüringen ein weiterer Schlag gegen vier Tatverdächtige nach einer Geldautomatensprengung in Konradsreuth, im Landkreis Hof. Bei den Tatverdächtigen handelt es sich um zwei niederländische, einen türkisch-niederländischen und einen afghanischen Staatsangehörigen im Alter zwischen 22 und 26 Jahren. Alle haben ihren Wohnsitz in Holland. Da der Geldautomat mit Banknoten ausgestattet war, das ein Färbesystem bei Sprengung auslöst, konnten die Täter überführt werden. Auch für diesen anstehenden Prozess ist die Staatsanwaltschaft Bamberg zuständig.

Die Ermittlungsbehörden gehen auch in diesem Fall von einer Zugehörigkeit der Tatverdächtigen zur sogenannten "Mocro Mafia" aus. Die Bezeichnung steht für Banden des organisierten Drogenhandels, die sich vornehmlich aus Marokkanern, Personen von den Niederländischen Antillen, aus Niederländern sowie Belgiern zusammensetzen. "Mocro" ist im niederländischen Slang die Bezeichnung für Marokko. Der Einstieg dieser Banden seien Geldautomatensprengungen, um sich so das nötige Geld für den anschließenden Drogenhandel zu besorgen. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte die "Mocro Mafia" unter anderem in den 2010er Jahren mit einem Bandenkrieg und damit verbundenen dutzenden Auftragsmorden, darunter an dem Journalisten Peter R. de Vries.

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