Vor dem Amtsgericht Ebersberg sind drei Klimaaktivisten und -aktivistinnen zu einer Geldstrafe von 675 Euro und 975 Euro verurteilt worden. Eine weitere beteiligte Klimaaktivistin wurde zu 40 Sozialstunden verpflichtet. Auslöser war eine Protestaktion während der Münchner Automobilmesse im Herbst vor zwei Jahren.
Abseil-Aktion über der Autobahn A94
Während der Messe IAA Mobility 2021 hatten sich zwei Aktivistinnen am Morgen des 7. September 2021 an ein Brückengeländer über der Autobahn A94 gebunden und ein Banner aufgehängt. Zwei weitere Aktivisten - ein Mann und eine Frau - standen auf der Brücke, unter anderem, um ihre Mitstreiter zu sichern.
Stau und Verkehrsbehinderungen
Durch den Protest kam es zu einem rund acht Kilometer langen Stau, der laut Staatsanwaltschaft bis zur Ausfahrt Hohenlinden gereicht hatte. Die Polizei habe eine Vollsperrung eingerichtet, die etwa 15 bis 20 Minuten andauerte, so der Staatsanwalt. Die Aktivisten wollten mit der Aktion gegen die zu dem Zeitpunkt stattfindende IAA in München und für eine Verkehrswende protestieren.
Nötigung in 192 Fällen
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete daraufhin Nötigung in 192 Fällen: So viele Menschen saßen demnach damals wegen der Protestaktion im Stau fest. Der zuständige Richter am Amtsgericht Ebersberg verurteilte zwei der vier beteiligten Klimaaktivisten wegen Nötigung zu 45 Tagessätzen in Höhe von 15 Euro und einen Aktivisten zu 65 Tagessätzen in Höhe von 15 Euro. Die vierte Klimaaktivistin, die zum Zeitpunkt der Protestaktion noch 18 Jahre alt war, wurde zu 40 Sozialstunden verurteilt.
Aktivisten unberechtigt in Polizeigewahrsam
In seinem Urteil setzte der Richter das Strafmaß weit niedriger an als von der Staatsanwaltschaft München II gefordert: Sie hatte für eine Strafe von 90 Tagessätzen plädiert. Zwar sah es auch der Richter als bewiesen an, dass die Klimaaktivisten die Autofahrer durch ihre Aktion zum Anhalten genötigt hatten. Allerdings sei bei der Festsetzung des Strafmaßes zu berücksichtigen, dass drei der verurteilten Klimaaktivisten nach ihrem Protest unberechtigterweise in Polizeigewahrsam genommen wurden und sich die Aktivisten zuvor nicht strafbar gemacht hätten.
Richter: "Sie müssen die Menschen mitnehmen."
In seiner Urteilsbegründung betonte der Richter, dass er die Ziele, für die die Klimaaktivisten einstehen, mit ihnen teile. “Gerade, weil ich gut finde, wofür sie kämpfen, möchte ich Ihnen etwas mitgeben: Um ihre Ziele zu erreichen, müssen sie die Bevölkerung erreichen”, sagte der Richter. Und das könne nur mit Aktionen funktionieren, die zum einen nicht strafbar seien, und zum anderen fantasiereich. “Sie müssen die Menschen mitnehmen”, so der Jurist.
Angeklagte kritisiert Strafe
Im Laufe des Prozesstags meldete sich eine der Angeklagten, Franziska F., mehrmals zu Wort. Dass sie heute auf der Anklagebank sitze, verärgere sie: „Ich finde es unmöglich, dass in den Zeiten, in denen wir leben, der Justiz heutzutage nichts Besseres einfällt, als Klimaaktivistinnen zu bestrafen”, sagte die Angeklagte Franziska F. “Ich frage mich: was wird hier eigentlich bestraft?“ Sie und die anderen Aktivisten würden für ein lebenswertes Leben kämpfen. Die Aktivistin erhofft sich, dass Proteste wie diese in der Rückschau eines Tages anders bewertet würden.
Der Prozess hatte im Sommer 2023 schon einmal begonnen, war dann aber aus verfahrenstechnischen Gründen ausgesetzt worden. In einem ähnlichen Fall sind zwei Klimaaktivisten im Frühjahr vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck zu 30 Tagessätzen zu je 20 beziehungsweise 30 Euro verurteilt worden. Sie hatten sich während der IIA von einer anderen Autobahnbrücke über der A96 bei Germering abgeseilt.
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