Am 14. Tag im sogenannten Hanna-Prozess am Landgericht Traunstein hatten die ersten Gutachter das Wort. Ihre Expertise ist wichtig, da es sich um einen Indizienprozess handelt, also um ein Verfahren ohne Geständnis oder direkte Tatzeugen. Der 21-jährige Angeklagte schweigt bisher im Prozess. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm heimtückischen Mord an der Medizinstudentin Hanna aus Aschau im Chiemgau vor.
Stumpfer Gegenstand führte wohl zu Hannas Kopfverletzungen
Als wichtigste Sachverständige wurden zwei Gerichtsmediziner der Ludwig-Maximilians-Universität München gehört. Die wichtigste Frage: Kann es sich bei dem Tod von Hanna eventuell auch um einen tragischen Unfall handeln? Oder muss zwingend davon ausgegangen werden, dass Fremdeinwirkung dafür ursächlich war?
Dr. Elisabeth Mützel hat die Leiche der Medizinstudentin obduziert. Sie sagte aus, dass es fünf Verletzungen am Kopf gegeben habe, die vermutlich durch stumpfe Gewalt entstanden seien. Die Verletzungen würden alle gleich aussehen und hätten dieselbe Größe. Die Medizinerin kann sich ihre Entstehung durch Gewalt mit einem Stein erklären.
Weitere ungewöhnliche Verletzungen
Außerdem wies Hannas Körper zahlreiche Schürfwunden und Hämatome auf. Es habe eine höchst seltene Verletzung gegeben, so die Gerichtsmediziner: Beide Schulterdächer seien gebrochen gewesen, ebenso der 5. Halswirbel. Darüber hinaus wurden Verletzungen im Rückenbereich und Einblutungen am Oberarm festgestellt. Dies könne darauf hindeuten, dass sich jemand auf die 23-Jährige draufgesetzt und sie fixiert habe. Laut den Gerichtsmedizinern steht fest, dass Hanna durch Ertrinken gestorben ist. Vermutlich trat ihr Tod innerhalb von wenigen Minuten ein. Sie hatte keine Verletzungen am Kehlkopf und im Genitalbereich. Es gab auch keine Hinweise auf ein Kampfgeschehen.
Verteidigung beharrt auf Möglichkeit eines Unfalls
Die zwei Pflichtverteidiger und die von der Familie des Angeklagten engagierte Verteidigerin Regina Rick argumentierten, dass es sich dennoch um einen Unfall gehandelt haben könnte. Sie präsentierten Fotos, um zu beweisen, dass Hannas Kopfverletzungen auch von Rohren oder Steinen im Fluss herrühren könnten. Die Gerichtsmediziner halten das für möglich, aber wenig wahrscheinlich.
Zu Beginn des Prozesstages sagte eine Ärztin aus, die Hanna als erste nach ihrer Bergung aus der Prien untersucht hatte. Die erfahrene Medizinerin bemerkte Druckspuren an Hannas Arm und wunderte sich über ihre Kleidung. Die junge Frau aus Aschau trug zugebundene Turnschuhe, Unterwäsche und ein Spitzentop, es fehlte jedoch die lange Hose, die sie am 3. Oktober 2022 im Club "Eiskeller" trug.
Hintergründe zum Fall Hanna
Der 21-jährige Auszubildende soll am 3. Oktober vergangenen Jahres die 23-jährige Medizinstudentin Hanna auf dem Heimweg von der Diskothek "Eiskeller" in Aschau im Chiemgau überfallen, auf sie eingeschlagen und sie stranguliert haben. Danach soll er sein bewusstloses Opfer nahe der Kampenwandbahn in den vorbeifließenden Bärbach geworfen haben, in dem die Frau ertrank.
Ihr Leichnam wurde am darauffolgenden Nachmittag, zehn Kilometer flussabwärts, in Prien am Chiemsee von einem Spaziergänger entdeckt.
In dem Prozess sind noch weitere Termine angesetzt, der letzte am 22. Dezember.
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