Hätte Markus Söder beim Gillamoos 2022 wirklich von einer "Romanze" mit Hubert Aiwanger gesprochen, hätte er gewusst, unter welchen Vorzeichen der Gillamoos 2023 beginnt? Wohl kaum. Nun gut, Söder schimpfte in diesem Zusammenhang vor einem Jahr auf die Ampelkoalition in Berlin. Verglichen mit den Streitereien von SPD, Grünen und FDP im Bund, verbinde ihn mit Aiwanger geradezu eine Romanze, "soweit es emotional tragbar ist". Die Tragfähigkeit dieser Romanze wurde in der vergangenen Woche auf eine harte Probe gestellt.
Gillamoos nach einer Woche Aiwanger-Affäre
Der Zeitpunkt des Volksfestes im niederbayerischen Abensberg ist eigentlich ein perfekter Auftakt in die heiße Phase des Wahlkampfs. In fünf Wochen wird in Bayern gewählt. Die meisten Bayern sind aus den Sommerferien zurück. Nun könnte man den Ton setzen für den Wahlkampf.
Aber so hatte sich das CSU-Chef Markus Söder bestimmt nicht vorgestellt. Früh hatte sich der bayerische Ministerpräsident auf eine Fortsetzung der Koalition mit den Freien Wählern festgelegt, auf eine "bürgerliche Koalition". Nun musste Söder entscheiden, ob dieses Wunsch-Zweck-Bündnis zur Debatte steht. Nämlich dann, wenn er seinen Stellvertreter und bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) aus dem Kabinett wirft. Womöglich hätten die Freien Wähler die Koalition aufgekündigt.
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Fairness oder Kalkül?
Er habe fair bleiben wollen, betonte der bayerische Regierungschef am Sonntag im ZDF-Sommerinterview gleich mehrmals. Mit Angst vor dem Wähler habe seine Entscheidung, Hubert Aiwanger im Amt zu belassen, jedenfalls nichts zu tun: "Angst ist für mich kein Maßstab."
Die bayerischen Oppositionsparteien SPD, Grüne, FDP und AfD bewerten die Entscheidung gleichermaßen als kalkulierte Entscheidung. Söder brauche die Freien Wähler, so die einhellige Meinung, und die könnten bei einem Rauswurf ihres Zugpferds sogar noch Aufwind bekommen.
Bislang keine Demut bei Hubert Aiwanger
Hubert Aiwanger sah sich jedenfalls bis Sonntag in seiner Wahrnehmung bestätigt. Nur eine Stunde nach der Pressekonferenz von Markus Söder triumphierte er bei einem Bierzeltauftritt in Grasbrunn bei München: "Ich sage ganz klar, das war ein schmutziges Machwerk, von dem sich viele noch werden distanzieren müssen."
Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch ist überzeugt, Aiwangers ständiges Wiederholen, gegen ihn laufe eine Kampagne, werde in seiner Anhängerschaft verfangen. Das werde in den Köpfen bleiben und nicht die Tatsache, dass Aiwanger die 25 Fragen von Markus Söder zu dem antisemitischen Flugblatt in seiner Schultasche unzureichend beantwortet habe.
Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kann von der von Markus Söder geforderten Reue und Demut bei Hubert Aiwanger noch nichts erkennen. Er sei ein wenig irritiert, so Schuster im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, denn Aiwanger habe ja wieder von einer Schmutzkampagne gesprochen.
Gillamoos bedeutet Draufhauen statt Demut
Reue und Demut sind Worte, die beim politischen Frühschoppen Gillamoos traditionell nichts verloren haben. In den Bierzelten von Abensberg geht es ums Draufhauen auf den politischen Gegner, gern eine Nummer härter als nötig. Ob allerdings Markus Söder diesmal wieder von einer Romanze mit Hubert Aiwanger spricht, darf stark bezweifelt werden.
Bundesprominenz bei den Parteien
Traditionell laden die bayerischen Parteien die Spitzen der Bundesparteien nach Niederbayern ein. Diesmal spricht CDU-Chef Friedrich Merz bei der CSU. Parteichef Lars Klingbeil kommt zur bayerischen SPD. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki ist Gast bei der FDP. Die AfD hat Parteichefin Alice Weidel und die Grünen haben diesmal Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann eingeladen.
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