Rund vier Wochen früher als sonst ist der Nördliche Schneeferner, einer der letzten Gletscher in den Bayerischen Alpen, komplett schneefrei. Der Anblick oberhalb der Skistation SonnAlpin auf dem Zugspitzplatt zeigt einen grau-schwarzen Eisfleck, der sich immer mehr zurückzieht.
Wenn man hier im Winter bei Neuschnee auf der Piste sei, könne man sich gar nicht vorstellen, was sich da an Ruß und Staub aus Jahrhunderten in und auf einem solchen Gletscher ablagere. Dr. Till Rehm, Geophysiker von der Forschungsstation Schneefernerhaus, hat eine so frühe Schneeschmelze in den 15 Jahren, die er in direkter Nachbarschaft zum Gletscher arbeitet, noch nie gesehen.
Saharastaub beschleunigt Gletscherschmelze
In diesem Sommer kommen allerdings verschiedene Phänomene zusammen: Der letzte Winter war sehr schneearm, das Frühjahr war deutlich zu warm – und auch der Saharastaub aus dem März hat Einfluss auf die Gletscherschmelze. "Das ist, wie wenn du bei der Hitze ein schwarzes T-Shirt trägst, das zieht die Wärme an", sagt Rehm.
Weißer Schnee reflektiert die Sonnenstrahlung – durch den Saharastaub aber nimmt der Restgletscher mehr Energie auf. Das beschleunigt das Abschmelzen.
Eisdecke nur noch maximal 30 Meter dick
Die Gletscher der Alpen sind in tausenden von Jahren gewachsen und schmelzen inzwischen nach und nach ab. Die Eismassen auf dem Zugspitzplatt haben laut alten Aufzeichnungen um 1820 die größte Ausbreitung gehabt – und auch in den 1940er und 50er Jahren gab es noch Wachstumsphasen.
Der Geophysiker Till Rehm arbeitet eng mit Glaziologen der TU München zusammen, die die Gletscher regelmäßig vermessen. Sie haben berechnet, dass der Schneeferner an der dicksten Stelle noch etwa 30 Meter mächtig ist. Ziemlich genau in der Mitte des Schlepplifts, der dort noch auf wackligen Stelzen steht.
Nur Höllentalferner dürfte länger leben
Der Schneeferner hat längst kein natürliches Wachstum mehr durch Schnee oder Kälte. Die Fachleute bezeichnen ihn deshalb auch als Toteisfeld. Der einzige Gletscher in den Bayerischen Alpen, der noch eine längere Lebenszeit als zehn bis 15 Jahre haben könnte, ist der Höllentalferner auf der Nordseite der Zugspitze. Der liegt im Schatten und bekommt im Winter viel Lawinenschnee ab.
Insgesamt gibt es noch fünf Gletscher in Bayern: Neben den drei Gletschern an der Zugspitze sind das der Watzmanngletscher und das Blaueis. Beide liegen in den Berchtesgadener Alpen, wobei der Watzmanngletscher in der offiziellen Zählung bereits ein Wackelkandidat ist. Es ist zwar noch Eis vorhanden, bewegt sich aber kaum noch, was in der Wissenschaft ein Kernmerkmal für Gletscher ist.
Permafrost an der Zugspitze: ein Grad plus in zehn Jahren
Ein anderes Forschungsgebiet auf der Zugspitze hängt ebenfalls eng mit der Erderwärmung zusammen: die Erforschung des sogenannten Permafrosts. Darunter versteht man einen Untergrund, bei dem die Temperatur für mindestens zwei Jahre permanent unter dem Gefrierpunkt liegt. Taut er auf, steigen vor allem in flacheren Gegenden am Polarkreis vormals gebundenes Methan und Kohlendioxid in die Atmosphäre und heizen sie zusätzlich auf. In den Hochlagen der Berge wird vor allem Geröll locker, das sonst vom Frost zusammengehalten wurde.
Von der ehemaligen Tiroler Zugspitzbahn gibt es einen Stollen aus den 1920er Jahren, der vom Bergkamm 800 Meter lang zur Forschungsstation Schneefernerhaus führt. In diesem Stollen sind jetzt Hunderte Messpunkte unterschiedlicher Forschungsteams eingerichtet worden, die unter anderem die Erwärmung der Zugspitze unter der Oberfläche messen.
Kaum Gefahr für Bayerische Alpen
Die Forscherinnen und Forscher können daraus wichtige Erkenntnisse für die Stabilität der Alpen gewinnen. Till Rehm: "Die TU München hat in zehn Jahren mit Messreihen nachgewiesen, dass die Temperatur im Innern der Zugspitze in dieser Zeit um ein Grad Celsius zugenommen hat." Sie bewegt sich in 2.800 Metern Höhe aktuell knapp unter dem Gefrierpunkt bei -2 Grad Celsius.
Da sich in den Bayerischen Alpen der Permafrost nur in Höhen ab etwa 2.600 Metern befindet, sind hierzulande nur wenige Berge betroffen. In höheren Regionen der Alpen steigt allerdings mit dem Auftauen von Permafrost-Böden die Steinschlag-Gefahr drastisch und gefährdet ganze Täler und Orte. Jüngste Beispiele waren einige Murenabgänge in Tiroler Hochtälern.
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