Totalherbizid: Glyphosat wirkt auf alle Pflanzen, indem es ein Enzym blockiert, das zur Synthese von Aminosäuren in den Blättern benötigt wird
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Totalherbizid: Glyphosat wirkt auf alle Pflanzen, indem es ein Enzym blockiert, das zur Synthese von Aminosäuren in den Blättern benötigt wird

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Glyphosat: Der umstrittene Unkrautvernichter

Glyphosat: Der umstrittene Unkrautvernichter

Eigentlich sollte Glyphosat Anfang 2024 auf deutschen Äckern verboten werden. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag. Trotzdem sind kürzlich die Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat wieder verlängert worden.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

"Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt" – so steht es noch im aktuellen Koalitionsvertrag. Doch bisher sind Pflanzenschutzmittel mit dem umstrittenen Wirkstoff nach wie vor in Deutschland auf dem Markt und können beispielsweise in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Mehr noch: Ende November wurde die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bis Ende 2026 verlängert. Und auch eine weitere Verlängerung ist wahrscheinlich.

Zulassung bis 2033 durch EU-Kommission verlängert

Grund dafür ist der Beschluss der EU-Kommission aus dem Jahr 2023, die Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat noch einmal um zehn Jahre, also bis zum 15. Dezember 2033 auszudehnen. Firmen wie beispielsweise der Pharmakonzern Bayer konnten daraufhin einen Antrag auf Verlängerung ihrer Zulassung stellen. Nun haben sie Zeit, notwendige Studien durchzuführen, die die Firmen für eine weitere Zulassung brauchen. Dann erst kann ein neues Zulassungsende – über das Jahr 2026 hinaus – festgelegt werden. "Mit einer Entscheidung kann frühstens 2027 gerechnet werden", erklärte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gegenüber dem BR.

Bund Naturschutz befürchtet Verlängerung bis 2033

Der Bund Naturschutz (BUND) sieht in den Anträgen nur einen rein formellen Akt. "Solange Glyphosat in der EU als Wirkstoff zugelassen ist, wird es wahrscheinlich auch Glyphosat-Produkte für die Landwirtschaft geben", erklärt BUND-Pestizidexpertin Corinna Hölzel gegenüber dem BR. Hoffnung habe der BUND, dass "zumindest auf öffentlichen Flächen und in Privat- und Kleingärten keine Anwendung mehr erfolgen darf". Das sei beispielsweise in Frankreich, Österreich oder Bulgarien schon der Fall.

Koalition wollte Glyphosat eigentlich verbieten

Bei der Entscheidung im EU-Ausschuss 2023 hatte sich Deutschland enthalten – obwohl ein Ende von Glyphosat sogar im Koalitionsvertrag festgehalten worden war. Hintergrund ist, dass sich die Parteien innerhalb der Ampel uneinig waren. Die FDP trat für eine Verlängerung der Glyphosat-Zulassung ein, während sich die Grünen dagegen aussprachen.

Da im EU-Ausschuss keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen eine Verlängerung vorlag, konnte die EU-Kommission entscheiden – und votierte für eine Neuzulassung für weitere zehn Jahre. Der Einsatz von Glyphosat ist jedoch auch an Bedingungen geknüpft. Landwirte müssen Pufferstreifen von fünf Metern einhalten, die Mitgliedsstaaten sollen zudem die Glyphosat-Menge und die Häufigkeit des Einsatzes beschränken können.

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Ausbringen des Herbizids "Roundup" mit dem Wirkstoff Glyphosat

Hätte man Glyphosat in Deutschland trotzdem verbieten können?

Ein Verbot in Deutschland ist auch mit dem EU-Beschluss nicht ganz ausgeschlossen, benötigt aber eine gute Begründung. Der Bund habe dazu ein juristisches Gutachten anfertigen lassen, das diese Möglichkeit belegt, sagt Hölzel. Schwerwiegende Gründe gebe es reichlich. "Glyphosat als Totalherbizid schädigt massiv die Biodiversität", so die Pestizid-Expertin. Ihrer Meinung nach sorge vor allem die starke Agrarlobby in Deutschland dafür, dass ein Verbot nicht intensiver angestrebt werde.

Glyphosat – wirksam, aber umstritten

Glyphosat wird als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln vor allem bei der Bekämpfung von Unkraut auf Äckern eingesetzt. Umweltschützer kritisieren unter anderem, dass das Mittel zum Artensterben beitrage, da der Wirkstoff nicht nur Unkraut, sondern alle Pflanzen abtötet, die mit dem Mittel besprüht werden. Diese fehlten dann als Nahrungsgrundlage für Insekten, die wiederum Nahrungsquellen für Vögel, Fische und Säugetiere sind. Eine Studie der Universität Ulm (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) belegte zudem kürzlich, dass Pflanzenschutzmittel bereits bei einer sehr niedrigen Glyphosat-Konzentration zum Tod von Frosch-Embryonen führten.

Ist Glyphosat krebserregend?

Ein weiterer Kritikpunkt, der in der Diskussion aufkommt: Der Wirkstoff Glyphosat sei krebserregend bei Menschen. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) legte der WHO 2015 eine Studie (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) vor, die Glyphosat als möglicherweise krebserregend bei Menschen einstufte. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam 2023 allerdings zu dem Schluss, dass Glyphosat keine kritischen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren habe (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt).

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