Leonie schlüpft in den Gurt und macht sich bereit zum Klettern. Ihr Klassenkamerad Matti will die Route daneben hochsteigen und empfiehlt ihr, am besten nicht nach unten zu schauen. Denn die 14 Meter hohe Wand in der Kletterhalle des DAV Hersbruck ist aus Kindersicht besonders hoch. Umso mehr wachsen die Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse der Richard-Glimpel-Schule über sich hinaus, wenn sie es bis ganz nach oben schaffen. Unterstützt werden sie dabei von den beiden DAV-Trainerinnen Johanna Bäuml und Helga Münzenberg. Sie haben das Kletterprojekt "Grenzenlos" initiiert.
Den Einstieg erleichtern
"Alle können klettern kommen und alle können klettern"– das ist das Motto, mit dem die Inklusions- und Integrationsangebote vor zwei Jahren begonnen haben. Ob für Gehörlose, Menschen mit Multipler Sklerose, für Geflüchtete oder Schüler mit Förderbedarf.
Denn es braucht nicht viel, damit Menschen mit einer körperlichen, kognitiven oder sprachlichen Einschränkung klettern können, sagen die beiden Projektleiterinnen. So bringen sie beispielsweise größere Tritte unten an der Kletterwand an, die den Einstieg erleichtern. Außerdem klettern die Teilnehmenden zunächst alle gut gesichert. Klettern im Toprope nennt sich das.
Auszeichnung für herausragendes Projekt
Auf regionaler Ebene ist das Kletterprojekt 2023 mit dem Sportpreis Mittelfranken des Bayerischen Landes-Sportverbands (BLSV) ausgezeichnet worden. Auf nationaler Ebene war jetzt die Nominierung für den Deutschen Engagementpreis eine zusätzliche Bestätigung, dass der Ansatz sinnvoll ist.
"Denn Klettern stärkt das Selbstbewusstsein und die Motivation weiterzumachen. Außerdem erleben die Menschen hier in der Kletterhalle sich als gleichberechtigt und gleichgestellt", sagt Helga Münzenberg. Diese Selbstwirksamkeit könne man in kaum einer anderen Sportart so gut erlangen. Denn das sprichwörtliche "auf beiden Füßen" stehen und eine hohe Wand erklimmen, wirken sich sowohl auf den Körper als auch auf die Psyche positiv aus.
Kinder unterstützen Kinder
Das inklusive Klettern mit Schülerinnen und Schülern des sonderpädagogischen Förderzentrums Lauf und Hersbruck findet einmal wöchentlich statt. Zur gleichen Zeit ist auch die Kletter AG des Paul-Pfinzing-Gymnasiums in der Hersbrucker Kletterhalle. Die Fünftklässler haben bereits gelernt, wie sie sichern können und unterstützen daher die anderen in Dreier-Teams. "Kinder lernen von Kindern, das ist eine Methode, die wir auch im Unterricht umsetzen", sagt Klassenleiterin Heidi Diehm.
Denn zum einen verfestige sich das Gelernte, wenn die Kinder es anderen erklären sollen. Zum anderen klingt es aus Kindersicht manchmal verständlicher. An dem Kletterprojekt schätzt Heidi Diehm nicht nur das Gemeinschaftserlebnis in der Klasse, sondern auch, dass manche Schüler ihre anfängliche Scheu überwunden haben und nun sehr stolz auf sich sind.
Wenn dein Herz dir sagt …
Alle Schülerinnen und Schüler haben mittlerweile den Schritt an die hohe Kletterwand gewagt. Der neunjährigen Hanna gefällt, dass sie beim Klettern ständig dazulernt, so dass sie es bald draußen an einem Felsen probieren will. Leonie freut sich, dass die anderen sie ermutigt haben, noch zwei Tritte weiter hochzusteigen und sie es dadurch ganz hinaufgeschafft hat. Auch Klaus musste sich an manchen Stellen hochkämpfen, doch er weiß: "Wenn dein Herz dir sagt, dass du es schaffst und dein Kopf dir sagt, dass du es schaffst – dann schaffst du es wirklich!"
Klettern ist gut für die Seele
Über solche Erfolgserlebnisse freuen sich natürlich die beiden DAV-Trainerinnen Helga Münzenberg und Johanna Bäuml. Sie erleben auch, dass sich die Stimmung der Kinder im Laufe der Kletterstunde jedes Mal deutlich hebt.
"Die aufrechte Körperhaltung bewirkt, dass man sich besser fühlt. Wir wissen ja, dass das Physische unweigerlich mit dem Psychischen zusammenhängt. Deshalb macht das Aufgerichtet-Sein und das Nach-Oben-Blicken auch was mit der Stimmung", erklärt Johanna Bäuml. Das sei in der heutigen Zeit, in der die Kinder oft über das Smartphone gebeugt seien, besonders hilfreich. Nun hoffen die Projekt-Teilnehmenden, dass sie auch noch mit dem Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises geehrt werden.
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