In Holzheim demonstrieren besorgte Bürger gegen eine Übergangsunterkunft für Geflüchtete.
Bildrechte: BR / Judith Zacher
Videobeitrag

In Holzheim demonstrieren besorgte Bürger gegen eine Übergangsunterkunft für Geflüchtete.

Videobeitrag
>

Großer Widerstand gegen Flüchtlingszelt im schwäbischen Holzheim

Großer Widerstand gegen Flüchtlingszelt im schwäbischen Holzheim

Mitten in der knapp 4.000 Einwohner Gemeinde Holzheim soll ein Zelt für bis zu 120 Flüchtlinge aufgestellt werden. Viele Bürger sind dagegen: Sie haben Angst, befürchten Übergriffe. Nicht alle Befürchtungen lassen sich begründen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Vor dem Holzheimer Supermarkt haben sich einige Bürger versammelt. Hinter ihnen steht ein Banner: "Jetzt reichts. Kein Asylzelt in Holzheim", steht dort. Sie protestieren gegen das geplante Zelt, das nebenan als Übergangsunterkunft für rund 120 Geflüchtete aufgestellt werden soll. Holzheim ist eine Gemeinde im schwäbischen Landkreis Dillingen, 2.500 Menschen leben direkt in der Ortschaft und in einem angrenzenden Dorf. Dazwischen soll das Zelt aufgebaut werden.

  • Zum Datenüberblick Geflüchtete: Wie ist die Lage in Bayern?

Mit so einem Zelt in Holzheim könne man sich nachts nicht mehr auf die Straße trauen, sagt einer der Bürger. In den Vereinen im Ort, da seien auch viele Mädchen. Wie sollten die sich wehren, bei Übergriffen, fügt er hinzu. Und überhaupt seien es viel zu viele Geflüchtete für ihren Ort, da sind sich die Anwesenden einig.

Viele Bürgerinnen und Bürger in Holzheim sind besorgt und machen sich Gedanken, was alles passieren könnte, wenn das Zelt aufgestellt wird und bis zu 120 Menschen dort unterkommen. Neben dem Supermarkt befindet sich die Fläche, wo das Zelt hin soll. Solche Plätze gibt es im Landkreis nicht viele: Groß genug und erschlossen. Doch häufig regt sich auch Widerstand gegen geplante Flüchtlingsunterkünfte.

Supermarktbetreiber fürchten um Sicherheit

Sonja und Bruno Helmschrott betreiben den Edeka-Markt, neben dem das Zelt aufgebaut werden soll. Er habe Angst um seine Mitarbeiterinnen, die frühmorgens oder abends im Dunkeln allein in den Markt kämen, sagt Bruno Helmschrott. Seine Frau Sonja geht davon aus, dass die Flüchtlinge dann "im Laden herumlungern" würden, weil es sonst im Ort keine Beschäftigungsmöglichkeiten gäbe. "Wir sind nicht dazu da, die Flüchtlinge zu managen", sagt sie. Mit ihrer Meinung ist sie nicht allein: An einem Samstag Anfang Dezember sind laut Organisator Peter Haringer rund 300 Leute zu einer Demonstration gegen das Zelt gekommen. Dabei habe man nicht mal groß Werbung für die Aktion gemacht, so Haringer.

Bürgermeister: "Infrastruktur auf dem Land nicht gegeben"

Die kleine Gemeinde mit ihren knapp 4.000 Einwohnern sei einfach nicht geeignet für so viele Flüchtlinge, betont Bürgermeister Simon Peter (FW). Er habe sich deshalb an die Bundesregierung und die EU gewandt: Es müsse sich etwas ändern, der Zuzug gestoppt werden, die Bürger würden das so nicht mehr mittragen. Es sei ja auch nicht so, dass man keine Flüchtlinge wolle: Im Ort seien bereits über 70 untergekommen. Mit ihnen habe es bisher allerdings keine Probleme gegeben, sagt er auf Nachfrage von BR24.

Die, die man kenne, bestätigen auch einige der Anwesenden, seien auch gut integriert, etwa im Sportverein. Flüchtlinge sollten allerdings früher arbeiten dürfen, um eine Beschäftigung zu haben, und diese Arbeit müsse sich auch lohnen. Ein ihnen bekannter Flüchtlinge bekomme dadurch, dass er arbeite, weniger Geld am Ende des Monats, als die, die in keiner Beschäftigung seien. In vielen Fällen ist es so, dass Geflüchtete, etwa wegen fehlender Papiere, nicht oder noch nicht arbeiten dürfen, selbst wenn sie wollen.

Allerdings höre man ja aus anderen Orten, wo bereits solche Zelte gestanden hätten, was da los sei, sagt Supermarktbetreiberin Sonja Helmschrott. Aus Lauingen etwa. Dort war im Sommer für einige Monate ein solches Zelt gestanden. Während dieser Zeit hätten die Ladendiebstähle in einem Supermarkt in der Nähe stark zugenommen. Dabei würden die Märkte allein gelassen, die Polizei käme gar nicht, wenn man sie rufe, habe man ihr erzählt. Der Markt habe deshalb Security-Personal einstellen müssen. Das bestätigt der Marktleiter in Lauingen, die Polizei sei allerdings immer gekommen, wenn man sie gerufen habe.

Polizei widerspricht Vorwürfen

Eine Nachfrage bei der Polizei ergibt ebenfalls: Die Beamten kommen immer, wenn ein Ladendiebstahl angezeigt wird, schon allein, weil nur die Polizei die mutmaßlichen Diebe durchsuchen dürfe, so Polizeisprecher Markus Trieb vom Polizeipräsidium Schwaben Nord. Im vergangenen Jahr seien von dem entsprechenden Markt bisher 20 Ladendiebstähle angezeigt worden, und damit sogar weniger als etwa 2019. Auch wenn die Sicherheitslage in Lauingen objektiv gesehen die ganze Zeit über sehr gut gewesen sei und es keine größeren Vorkommnisse gab, sei die Polizei verstärkt vor Ort gewesen, weil man eine gewisse Unsicherheit bei den Menschen gespürt habe, heißt es von dort. Dem wollte man entgegenwirken.

Gerüchte schüren Ängste

Dennoch: In Holzheim herrschen große Ängste. Auch, weil man sich viel erzählt. Etwa, dass im Allgäu ein Supermarkt habe schließen müssen, weil die Polizei der Flüchtlinge nicht mehr Herr geworden sei. Dass diese Geschichte die Runde macht, davon hat man auch im Polizeipräsidium Süd/West in Kempten schon gehört. Das sei schon mehrfach behauptet worden, zum Beispiel auf einer Bürgerversammlung. Nach Informationen der Polizei habe allerdings kein Supermarkt wegen Flüchtlingen schließen müssen. Erfahre die Polizei von Brennpunkten, würde sie aktiv werden und entsprechende polizeiliche Maßnahmen ansetzen, so der Sprecher weiter.

Landrat setzt auf Zelte, um keine Turnhallen schließen zu müssen

Auch Landrat Markus Müller (FW) wurden bisher keine größeren Vorfälle aus einer der Ortschaften gemeldet, wo die Zelte bisher standen oder noch stehen. Bei jedem Zelt sei rund um die Uhr Security-Personal vor Ort. Bisher sei das sehr gut gelaufen, so der Landrat. Aktuell spürt auch er, dass sich in Holzheim massiver Widerstand regt. Er begrüße es, dass die Menschen ihre Meinung im Rahmen der Demonstration kundtaten, das sei ein demokratisches Grundrecht. Er wolle, wie auch schon in den vergangenen Monaten, die Sorgen und Nöte kanalisieren und an die Verantwortlichen weitergeben.

Schon mehrfach hat Müller eine Vereinheitlichung der Sozialleistungen auf europäischer Ebene sowie eine gleichmäßigere Verteilung und Steuerung der Migration gefordert. Er als Landrat stehe dabei aber teilweise "mit dem Rücken zur Wand". Wöchentlich würden dem Landkreis Flüchtlinge zugeteilt und er sei gesetzlich dazu verpflichtet, sie unterzubringen. Wohnungen gebe es kaum mehr. Deshalb müsse er nach anderen Lösungen suchen. Würde er dafür allerdings Turnhallen schließen, käme die Kritik von Seiten der Vereine oder auch der Eltern.

Landrat: "Egal, wo Flüchtlinge hin sollen, es gibt Widerstand"

Egal, wo er Flüchtlinge unterbringen wolle, überall gebe es Widerstand. Diese Erfahrung habe er in den vergangenen Wochen und Monate machen müssen, so Landrat Markus Müller weiter. Man habe sich bisher bemüht, die Geflüchteten nach Nationalitäten getrennt unterzubringen. Im Zelt in Buttenwiesen sind laut Landratsamt derzeit ausschließlich ukrainische Geflüchtete untergebracht, zum Beispiel Familien, Frauen mit Kindern sowie alleinstehende Männer untergebracht. Damit habe man gute Erfahrungen gemacht. Die Zelte seien derzeit auch nicht voll belegt. Wann immer eine Wohnung oder eine andere Unterbringungsmöglichkeit gefunden wird, werden Geflüchtete aus den Zelten dort untergebracht. Das Zelt in Holzheim soll erst aufgestellt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Mitte bis Ende Januar könnte es so weit sein, schätzt man im Landratsamt.

Holzheimer wollen weiter demonstrieren

Auf dem Holzheimer Supermarktparkplatz wird dennoch weiter demonstriert werden – ein Mal pro Woche. Viele machen sich Sorgen, aber nicht alle: Eine Kundin des Supermarkts sagt, sie habe keine Angst. Wenn nicht immer nur die schlechten Dinge über Flüchtlinge in den Nachrichten kämen, sondern auch, dass ein Flüchtling etwas Gutes getan habe, was oft der Fall sei, hätte man vielleicht auch ein anderes Bild. "Das sind Menschen, wie wir", betont sie.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!